23.08.2010 | Unfallschadensregulierung
Stundenverrechnungssätze: Sonderkonditionen zählen nicht
1. Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit i.d.R. Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. |
2. Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur dort vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden. |
3. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten insbesondere, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer (VR)des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen. |
(BGH 22.6.10, VI ZR 337/09, Abruf-Nr. 102168). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Der Kl. wollte den Schaden an seinem mehr als sieben Jahre alten Mercedes (km-Stand 114.451) auf Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens abrechnen. Der beklagte VR verwies ihn auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von ihm benannten „freien Werkstatt“, laut Behauptung des Kl. einer „Spezial-Partnerwerkstatt“ des VR. Den Differenzbetrag von 883,24 EUR klagte der Kläger in den Vorinstanzen ohne Erfolg ein. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das LG zurück.
Nach Ansicht des VI. ZS sei eine Reparatur in einer freien Werkstatt insbesondere unzumutbar, wenn sie nur kostengünstiger sei, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern mit dem VR ausgehandelte Sonderkonditionen zugrunde liegen. Das sei hier nicht auszuschließen und bedürfe deshalb der Klärung, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei den Bekl. liege. Sie müssten beweisen, dass die Inanspruchnahme der „Partnerwerkstatt“ dem Kläger auch von der Kostenseite her zumutbar sei (die technische Gleichwertigkeit war unstreitig). Es sei ferner zu klären, ob ein Fall der Unzumutbarkeit gegeben sei, weil der Kl. sein Fahrzeug stets in einer Mercedes-Niederlassung habe warten und reparieren lassen. Wird dies vom Bekl. bestritten, müsse der Kl. durch konkreten Tatsachenvortrag seine Behauptung untermauern, z.B. durch Vorlage des Scheckhefts, der Rechnungen oder durch Nachweis der Reparatur- bzw. Wartungstermine.
Praxishinweis
Nach dem Porsche-, dem VW-, und dem BMW-Urteil jetzt ein Mercedesfall. Ein Audi-Urteil hat der BGH auch verkündet (VI ZR 302/08, Abruf-Nr. 102311). Thema: Werkstatttreue (aber nichts Neues hierzu). Weitere Entscheidungen werden folgen, das Streitpotenzial scheint unerschöpflich zu sein. Zu VA 10, 109 und VA 10, 77 nachzutragen ist insbes. LG Lübeck 7.5.10, 1 S 117/09, Abruf-Nr. 102381, zur vom BGH noch nicht geklärten Frage, ob es für die Werkstatttreue auf den gesamten Zeitraum ab Erstzulassung (so das LG) oder nur auf die Besitzzeit des Geschädigten ankommt, wie z.B. das AG Trier (Abruf-Nr. 101922) und das AG Bonn (Abruf-Nr. 101050) richtigerweise annehmen. Hinzuweisen ist ferner auf das AG Ansbach (4 C 443/10, Abruf-Nr. 102382, Einsender RA S. Gramsamer, Ansbach) zum Thema: Sonderkonditionen/Darlegungslast der Bekl., UPE und Verbringungskosten.
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