24.06.2010 | Unfallschadensregulierung
Voller Ersatz der Sachverständigenkosten bei halber Haftung
Auch bei nur anteiliger Haftung des Schädigers (hier: 50 Prozent) kann der Geschädigte unter Umständen Anspruch auf vollen Ersatz der Kosten für ein Sachverständigengutachten haben (AG Siegburg 31.3.10, 111 C 10/10, Abruf-Nr. 101642). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Zum Nachweis der Reparaturkosten übersandte der Kl. dem beklagten KH-Versicherer einen Kostenvoranschlag über 1,628 EUR netto. Als der VR mitteilte, das Fahrzeug durch die Fa. Carexpert besichtigen zu lassen, beauftragte der Kl. seinerseits einen SV mit der Schadensermittlung. Nach dessen Schätzung beliefen sich die Reparaturkosten auf 994,18 EUR netto. Auf dieser Basis wurde der Fahrzeugschaden reguliert, allerdings nur zu 50 Prozent. Die hälftige Mithaftung des Kl. steht außer Streit. Von den SV-Kosten i.H.v. 246,09 EUR übernahm der VR gleichfalls nur die Hälfte. Das AG verurteilte ihn, den Kl. von der restlichen Honorarforderung freizustellen.
Nach Ansicht des AG hat der Kl. ungeachtet seiner hälftigen Mithaftung Anspruch auf Ersatz der gesamten SV-Kosten. Die Einschaltung des SV sei sachgerecht gewesen. Es habe sich nicht um einen offensichtlichen Bagatellschaden gehandelt, bei dem ein Kostenvoranschlag als Reparaturkostenbeleg genügen könne. Dagegen sprächen sowohl die Kalkulation der Werkstatt (1,628 EUR netto) als auch die Kostenschätzung des SV (994,18 EUR netto). Anlass zu dessen Beauftragung habe auch deshalb bestanden, weil der VR das Fahrzeug habe besichtigen lassen wollen, was beim Kl. berechtigte Zweifel an der Beweiskraft des Kostenvoranschlags hervorgerufen habe. Dass die SV-Kosten anders als die Reparaturkosten nicht unter die Schadensquote fallen, begründet das Gericht unter Hinweis auf den Aufsatz von Poppe, DAR 05, 669, mit dem Charakter dieser Kosten. Als Rechtsverfolgungskosten entstünden sie erst, wenn der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern und belegen müsse. Auch Anwaltskosten würden in Mithaftungsfällen nach dem jeweiligen Gegenstandswert in voller Höhe ersetzt, nicht etwa nach der Haftungsquote. Nach den Angaben des Kl.-RA sei das SV-Honorar nach der Höhe des Gesamtschadens und damit wie Anwaltskosten „nach dem Wert“ berechnet worden. Das Gericht lässt offen, ob eine in Relation zur Schadenshöhe berechnete SV-Vergütung auch bei Mithaftung des Auftraggebers als erforderlicher Herstellungsaufwand angesehen werde könne. Begründung: Das in Ansatz gebrachte Grundhonorar i.H.v. 155 EUR wäre auch im Fall der Ermittlung nur der Hälfte des Schadens angefallen.
Praxishinweis
Üblicherweise werden die Sachverständigenkosten ebenso quotiert wie sonstige Schadenspositionen, z.B. der Fahrzeugschaden. Auf eine nähere Begründung wird im allgemeinen verzichtet. An dieser gängigen Gerichtspraxis hat der lesenswerte Beitrag von Poppe, a.a.O., bisher nichts ändern können. Dessen gut begründeter Ansicht ist nun, soweit ersichtlich, erstmals ein Gericht gefolgt. Auch wenn die Berufung (zu Unrecht) nicht zugelassen worden ist, wird das mutige Urteil die Diskussion beleben. Der Fall weist freilich einige Besonderheiten auf: Keine Klage auf Kostenersatz, sondern auf Freistellung (was im Ergebnis belanglos sein dürfte), Einholung eines Kostenvoranschlags als Schritt eins, erst anschließend, als Reaktion auf den Besichtigungswunsch des VR, Beauftragung eines eigenen SV. Ob der Kl. zu diesem Zeitpunkt, auf den abzustellen ist (BGH NJW 05, 356), über seine Mithaftung im Bilde war, sie zumindest erkennen konnte, sagt das Urteil leider nicht. Hingewiesen wird dagegen darauf (auch das eine Besonderheit), dass das Honorar nicht niedriger ausgefallen wäre, wenn der Kl. den Auftrag erteilt hätte, nur die Hälfte des Schadens zu ermitteln, wobei unklar bleibt, wie das praktisch hätte geschehen sollen.
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