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  • 27.05.2009 | Unfallschadensregulierung

    Wahl- und Wechselmöglichkeiten bei der Abrechnung des Fahrzeugschadens

    von VRiOLG a.D. Dr. Christoph Eggert, Leverkusen

    „Der Fahrzeugschaden wurde auf der Basis fiktiver Reparaturkosten abgerechnet, die Umsatzsteuer aus der Ersatzwagenbeschaffung kann demnach nicht erstattet werden, das wäre eine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung“. So oder ähnlich lauten Einwendungen von KH-Versicherern in einer Vielzahl von Fällen. Zulässiges Nebeneinander oder unzulässiges Durcheinander? Die folgenden Übersichten geben darauf eine Antwort (Anschluss an VA 06, 134 ff.).  

     

    Übersicht I: Reparaturfälle (Reparaturkosten < Wiederbeschaffungswert)

    Sachverhalt  

    zulässig ja/nein  

    Fundstelle  

    Abrechnung von Netto-Reparaturkosten nach Gutachten + MwSt. aus Rechnung nach Werkstatt-Vollreparatur mit Bruttokosten unter Gutachten-Nettobetrag,  

    a) in einem Zug  

    b) sukzessive (erst fiktiv, dann MwSt.).  

    Egal, wann die Rechnung vorgelegt wird, provoziert wird der Einwand: Gutachten kein taugliches Beweismittel, die Rechnung beweist den wahren Schaden. Gegenargumente: nur deshalb niedriger, weil freie Werkstatt oder Markenwerkstatt mit Landpreisen oder mit Sonderkonditionen oder Einsatz von Gebrauchtteilen. Ohne solche Erklärungen besteht die Gefahr, dass der Geschädigte (unabhängig von der Kombi-Frage) nur die (geringeren) Brutto-Werkstattkosten erhält, so LG München I.  

     

    LG München I  

    22.9.08, 19 S 6418/08,  

    Abruf-Nr. 083234  

     

     

    Ob bei Anerkennung des Gutachtens zusätzlich zu den dortigen Nettokosten MwSt., soweit angefallen und durch Rechnung (über Voll-Reparatur!) nachgewiesen, verlangt werden kann, ist sehr str., dafür u.a. AG Minden, ebenso Ch. Huber, NZV 04, 109, a.A. Lemcke, NZV 09, 119  

    AG Minden  

    VA 03, 64,  

    Abruf-Nr. 030592; AG Brandenburg Abruf-Nr. 062098  

    Wie oben, aber Werkstattrechnung brutto über Gutachten netto.  

    Nicht immer ist der Rechnungsbetrag das Gelbe vom Ei, günstiger kann die Summe von netto lt. Gutachten + MwSt. aus Rechnung sein; Kombination str.  

    keine Rspr.  

    Abrechnung von Reparaturkosten nach Gutachten + MwSt. aus Rechnung über Ersatzteilekauf.  

    Zulässige Kombination, LG Frankfurt (Oder)steht nicht entgegen, da Ablehnung aus anderen Gründen; pro Kombination BT-Drs. 14/7752, 23; umfassend Ch. Huber, Das neue Schadensersatzrecht, § 1 Rn 220 ff., mit Hinweis, dass nur die MwSt. aus der Rechnung zu nehmen ist, nicht der Komplettpreis; str., a.A. Lemcke, NZV 09, 117, 119. Es muss kein Original-Neuteil sein; Nachweis des Einbaus sollte geführt werden können.  

    LG Frankfurt (Oder) DAR 04, 453  

    Abrechnung von Netto-Reparaturkosten nach Gutachten + MwSt. aus Rechnung über Werkstatt-Teilreparatur (Rest in Eigenregie oder Verzicht) mit Bruttokosten unter Gutachten netto.  

    Konkretisierungseinwand zieht hier allenfalls partiell (nur im Umfang der Instandsetzung). Ist das Gutachten insgesamt beweistauglich, kann die MwSt. mitabgerechnet werden (h.M. in Lit., Höfle, zfs 06, 246; im Grds. auch Lemcke, NZV 09, 119). Rspr. wie oben „Vollreparatur“.  

     

    Abrechnung von Reparaturkosten nach Gutachten + MwSt. aus Rechnung über Kauf eines Ersatzfahrzeugs, und zwar  

    a) Neuwagen,  

    b) Altwagen vom Händler, aa) regelbesteuert,  

    bb) differenzbesteuert.  

    Hier ist die MwSt. nicht im Rahmen der Reparatur, sondern auf dem nicht abrechnungsfähigen, da unwirtschaftlichen Herstellungsweg „Ersatzkauf“ angefallen. Gleichwohl ist sie zu ersetzen, eine Kombination also zulässig (BT-Drs. 14/7752, 24; h.M. in Rspr. und Lit. (Ch. Huber, a.a.O, Rn. 356 ff.; Schiemann/Haug, VersR 06, 160; Steffen, DAR 04, 382; a.A. Lemcke, NZV 09, 120 unter zw. Hinweis auf Greiner, zfs 06, 65). Begrenzt ist der MwSt.-Ersatz  

    a) auf den Betrag im Gutachten und  

    b) auf den tatsächlich angefallenen Betrag; beim Kauf vom Händler ohne ausgewiesene MwSt. (Differenzbesteuerung) in Fällen ab 1.1.07 (Anhebung auf 19 %) 2,4 % des Kaufpreises (statt 2,0). Beim Kauf von Privat sind nur die Netto-Reparaturkosten lt. Gutachten zu ersetzen.  

    OLG Ddorf 6.3.06, I-1 U 172/05, Abruf-Nr. 062097 ;  

    LG Wuppertal 15.5.08, 9 S 252/07, Abruf-Nr. 081637 ; AG Aachen  

    DAR 06, 217;  

    AG Tecklenburg  

    DAR 08, 530;  

    a.A. LG Paderborn SP 08, 442;  

    AG Münster  

    SVR 07, 262  

     

    LG Marburg  

    zfs 05, 18  

    Abrechnung von Netto-Reparaturkosten nach Gutachten + MwSt. auf Sonderzahlung und Raten aus Leasing eines Ersatzfahrzeugs.  

    Der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte LN stellt durch ein Ersatzleasing den für ihn maßgeblichen Zustand vor dem Unfall wieder her, so dass er die dabei angefallene MwSt. fordern kann.  

    AG Berlin-Mitte NZV 04, 301  

    (Totalschaden)  

    Abrechnung von Reparaturkosten auf Gutachtenbasis i.V.m. sog. Nachtragsreparaturkosten aus tatsächlicher Reparatur.  

    Unzulässige „Verquickung“, so OLG Köln.  

    Achtung! Reparatur war weder dem Umfang nach noch kostenmäßig durch Rechnung belegt. Sofern die Prognose des SV punktuell unrichtig ist, muss zu Gunsten (wie zu Lasten) des Gesch. korrigiert werden können.  

    OLG Köln  

    OLGR 01, 287  

    Abrechnung von Netto-  

    Reparaturkosten lt. Gutachten und Nachforderung höherer konkreter Kosten nach Reparatur.  

    Keine unzulässige Kombination von fiktiv und konkret, sondern erlaubter Wechsel von Teil- auf Vollabrechnung, so in einem 130 %-Fall.  

    s. auch Übersicht II, Fall 1.  

    BGH VA 07, 1 = NJW 07, 67  

     

     

     

    Übersicht II: Totalschadensfälle (Reparaturkosten > Wiederbeschaffungswert)

    Sachverhalt  

    zulässig ja/nein  

    Fundstelle  

    Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungsaufwand lt. Gutachten mit Nachforderung der Brutto-Reparaturkosten nach durchgeführter Voll-Reparatur in einem 130 %-Fall.  

    Erlaubter Abrechnungswechsel, keine unzulässige Kombination. Ursprüngliche Forderung lediglich (verdeckte) Teilforderung; Abrechnung I kann aber Vergleich sein, wenn Hinweis wie „vorläufig“ oder „Nachforderung vorbehalten“ fehlt.  

    BGH VA 07, 1 = NJW 07, 67;  

    s. auch OLG Celle VA 06, 95  

    Gleichfalls 130 %-Fall, aber keine Voll-, sondern nur Teilreparatur mit Anfall von MwSt.; keine zweiaktige Abrechnung wie oben, sondern einheitliche Abrechnung der Netto-Reparaturkosten lt. GA + MwSt. aus Teilreparatur.  

    Beschränkung auf den Netto-Wiederbeschaffungsaufwand, so BGH. Arg.: MwSt. ist nicht bei Ersatzbeschaffung angefallen, Kombination fiktiv/konkret unzul. Kritik an BGH (Ch. Huber, SVR 05, 247; Schiemann/Haug, VersR 06, 160) ist berechtigt; Urt. steht nicht im Einklang mit BT-Drs. 14/7752, 24, und BGH NJW 04, 1943.  

    BGH NJW 05, 1110 (VI ZR 172/04);  

    LG Waldshut-Tiengen 5.6.08, 1 S 3/08, Abruf-Nr. 091605  

    Geschätzte Reparaturkosten deutlich über 130 % (eindeutiger Totalschaden-Fall), aber Behalten des Fz. nach Instandsetzung durch a) Vollreparatur, b) Teilreparatur, c) Eigenreparatur mit Ersatzteilkauf, jeweils mit MwSt.-Anfall.  

    Da bei der gebotenen Wiederherstellung durch Ersatzbeschaffung keine MwSt. angefallen ist, wäre nach BGH (siehe rechts) in allen Fällen (a - c) keine MwSt. zu ersetzen. Anders und richtig BGH NJW 04, 1943 und vor allem BT-Drs. 14/7752, 24; ebenso Ch. Huber, SVR 05, 247; Steffen, DAR 04, 382; a.A. Lemcke, NZV 09, 116.  

    BGH NJW 05, 1110 (VI ZR 172/04)  

    Totalschadensabrechnung auf Gutachtenbasis ohne Übernahme des Restwerts, dafür geringerer konkreter Erlös.  

    Keine unzulässige Kombination von fiktiv und konkret, sondern nur Behauptung zur Höhe des erzielbaren Restwerts.  

    BGH VA 06, 149 = NJW 06, 2320  

    Totalschadensabrechnung auf Gutachtenbasis + Nebenkosten aus konkreter Ersatzbeschaffung.  

    Die von einem gewerblichen Vermittler in Rechnung gestellten Telefon-, Internet- und Überführungskosten sind nicht erstattungsfähig, da unzulässige Kombination.  

    BGH VA 06, 149 = NJW 06, 2320  

    Totalbeschädigtes Fz. (WBW lt. GA 15.100 EUR incl. 2 % Diff.bestg.) wird durch Neuwagen (24.741 EUR brutto) ersetzt.  

    Richtige Abrechnung: 15.100 EUR abzüglich RW.  

    BGH VA 06, 21 = NJW 06, 285  

    Totalbeschädigtes Fz. (WBW incl. MwSt. lt. GA 12.800 EUR) wird durch diff.best. GW ersetzt, Preis 13.400 EUR = über Brutto-WBW.  

    Da der Preis für den Ersatzwagen den Brutto-WBW lt. GA übersteigt (13.400/12.800), ist zu regulieren: Brutto-WBW lt. GA ./. RW. Begründung: konkrete Abrechnung.  

    BGH VA 05, 132 = NJW 05, 2220  

    Totalbeschädigtes Fz. wird durch Fz. von Privat ersetzt; Preis über Brutto-WBW.  

    Erstattungsfähig: Brutto-WBW lt. GA ./. RW.  

    BGH VA 05, 132 = NJW 05, 2220  

    Totalbeschädigtes Fz. (Brutto-WBW lt. GA incl. Diff.Ust. 8.500 EUR) wird durch Fz. von Privat ersetzt, Preis 7.000 EUR, damit unter WBW.  

    Kl. verlangt 82 % (7000 : 8500) der vom SV mit 170 EUR berechneten Diff.Ust.; zu Unrecht, so LG Frankfurt a.M. Begründung: unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung.  

    LG Frankfurt a.M.14.11.08,  

    2-16 S 160/08, Abruf-Nr. 091606  

    Zerstörter Porsche wird durch „normalen“ Pkw ersetzt; Umrüstung auf Porsche-Niveau; Abrechnung der Wiederbeschaffungskosten netto lt. Gutachten zzgl. MwSt. aus Kauf des Ersatzfz. und der Umbauteile.  

    unzulässige Kombination von fiktiv und konkret, so OLG Koblenz. Anm: OLG betont Andersartigkeit des Ersatzfahrzeugs und sieht „die Grenzen des Wahlrechts“ überschritten. Richtig wäre gewesen: MwSt. aus Ersatzkauf ja, aus Umrüstung nein.  

    OLG Koblenz 13.2.08, 12 U 1362/07,  

    Abruf-Nr. 091610