01.12.2007 | Unfallschadensregulierung
Wichtiges OLG-Urteil zum Nutzungsausfall
1. Mit Blick auf seinen Nutzungsausfallschaden genügt der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht im Allgemeinen, wenn er den Versicherer rechtzeitig darauf hinweist, dass ohne dessen Finanzierung ein Reparaturauftrag nicht erteilt werden kann. Nähere Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen muss er von sich aus nicht machen. Sie können nur prozessual im Rahmen der sekundären Darlegungslast verlangt werden. |
2. Jedenfalls bei voller Haftung des Schädigers besteht für den Geschädigten grds. keine Obliegenheit, seine eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, um die Reparatur auf diese Weise zu finanzieren. |
(OLG Düsseldorf 15.10.07, I-1 U 52/07, Abruf-Nr. 073123) |
Sachverhalt
Für den Unfall, bei dem das Motorrad der Klägerin, eine BMW K 43, erheblich beschädigt wurde, war der beklagte Versicherer voll ersatzpflichtig. Der Werkstatt, von der die Klägerin einen Kostenvoranschlag vorgelegt hatte, teilte er mit, zur Schadensfeststellung noch ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben. Zehn Tage nach dem Unfall lag es vor. Trotz Zahlungsaufforderung unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer Überweisung zum Zwecke der Erteilung des Reparaturauftrags blieb jegliche Zahlung aus. Einige Zeit später teilte der Versicherer mit, die Akte noch einem Unfallanalytiker vorlegen zu wollen. Gleichzeitig kündigte er die Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 3.700 EUR an. Daraufhin erteilte die Klägerin den Auftrag zur Reparatur. Sie dauerte wegen eines Problems mit einem Ersatzteil ca. vier Wochen. 92 Tage nach dem Unfall war das Krad wieder fahrbereit. Nutzungsausfall zahlte der Beklagte nur für 10 Tage bei einem unstreitigen Tagessatz von 66 EUR. Das OLG sprach weitere 5.412 EUR (82 Tage x 66 EUR) zu.
Entscheidungsgründe
Anerkannt hat das OLG zunächst den Zeitraum von ca. vier Wochen für die durchgeführte Reparatur. Die Verzögerung durch ein nicht direkt lieferbares Ersatzteil wurde nicht zu Lasten der Klägerin gewertet. Sodann hat der Senat die gesamte Vorlaufzeit von rund zwei Monaten (vom Unfalltag bis zur Beauftragung der Werkstatt) zugunsten der Klägerin berücksichtigt. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht hat er unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gesehen. Grundlegende Ausführungen zur Frage der Vorfinanzierungspflicht des Geschädigten stehen im Vordergrund der Entscheidung (siehe Leitsatz 1). In diesem Kontext stellte sich auch die Frage nach der Inanspruchnahme der eigenen Vollkasko. Nicht geteilt wird die Ansicht des OLG Naumburg (VA 04, 147, Abruf-Nr. 041930 = NJW 04, 3191), wonach auch bei voller Haftung des Schädigers eine Pflicht des Geschädigten zur Heranziehung seiner Vollkasko zumutbar ist. Abschließend geht das OLG auf die Punkte „Notreparatur“ und „Kauf eines Interimsfahrzeugs“ ein. Auch insoweit wird ein Mitverschulden verneint.
Praxishinweis
Das rechtskräftige Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es für Geschädigte ist, den gegnerischen Versicherer von Anfang an darauf hinzuweisen, dass ohne Zahlung (und sei es eines Vorschusses) ein Reparaturauftrag nicht erteilt werden kann bzw. eine Ersatzanschaffung nicht möglich ist. Dieser Hinweis ist mit der Mitteilung zu verbinden, dass fortlaufend ein Nutzungsausfallschaden entsteht. Näheres zur Mitverschuldensproblematik und zum Gesamtkomplex „Nutzungsausfall“ in VA 07, 196 ff.
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