23.08.2010 | Unfallschadensregulierung
Wrack-Verkauf: Mit oder ohne besondere Anstrengungen?
1. Der Geschädigte, der sein beschädigtes Fahrzeug nicht reparieren lassen, sondern es veräußern und ein Ersatzfahrzeug anschaffen will, darf seiner Schadensabrechnung im Allgemeinen denjenigen Restwert zugrunde legen, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. |
2. Anderes gilt aber, wenn der Geschädigte für das Unfallfahrzeug ohne besondere Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt (BGH 15.6.10, VI ZR 232/09, Abruf-Nr. 102213). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Kl. und Versicherer (VR) streiten noch um einen Rückzahlungsanspruch des VR aus § 812 BGB i.H.v. 5.500 EUR. Das entspricht der Differenz zwischen dem vom VR angerechneten Restwert lt. Schadensgutachten (5.200 EUR) und dem Erlös von 10.700 EUR. Diesen hatte der Kl. durch den Verkauf an einen Kfz-Händler erzielt, der ihm durch seinen eigenen Kasko-VR mit Hilfe einer Internet-Restwertbörse vermittelt worden war. In den Vorinstanzen wurde der Betrag zugesprochen. Die Revision des Kl. blieb erfolglos.
Auch der BGH sieht in Höhe der Aufrechnungsforderung eine Zuvielleistung des VR. Der Totalschadensabrechnung sei ein Restwert nicht von 5.200 EUR, sondern von 10.700 EUR zugrunde zu legen. Der im Fall der Veräußerung grundsätzlich maßgebliche Erlös sei nur nicht zu berücksichtigen, wenn und soweit der Geschädigte ihn mit überobligationsmäßigen Anstrengungen erzielt habe. Das sei vorliegend nicht der Fall. Das Restwertangebot des Aufkäufers sei dem Kl. nach Ansicht des LG praktisch in den Schoß gefallen. Auch die Revision sah insoweit keinen nennenswerten Mehraufwand auf Seiten des Kl. und seines Kasko-VR. Sie wollte aber das Unterhalten der Kaskoversicherung zugunsten des Kl. berücksichtigt sehen. Dem ist der BGH nicht gefolgt, weil der Abschluss der Versicherung und das Zahlen der Prämien völlig unabhängig von der späteren Verwertung des Unfallfahrzeugs zu sehen seien.
Praxishinweis
Das im Ergebnis und der Begründung überzeugende Urteil steht in einer Linie mit den Entscheidungen BGH VersR 85, 593, BGH VersR 92, 457 und vor allem BGH VA 05, 40. Ohne oder mit überobligationsmäßigen Anstrengungen - das ist die Schlüsselfrage. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der über dem Gutachten-Restwert liegende Erlös („Übererlös“) ohne überobligationsmäßige Anstrengungen, d.h. mit „normalem“ Aufwand, erzielt wurde, trägt zwar der Schädiger/Versicherer (BGH Tz. 10 und BGH VA 05, 40). Da er keinen Einblick in Anbahnung, Abschluss und Abwicklung des Wrack-Verkaufs hat, trifft den Geschädigten eine sekundäre Darlegungslast. Jedenfalls ist er gut beraten, sämtliche Fakten und Belege zu sammeln und in den Prozess einzuführen, die seine Bemühungen (Inserat, Internetanzeige, Besichtigungen u.a.), seinen Zeitaufwand und Kosten untermauern. Maßstab für „ohne besondere Anstrengungen“ ist die Veräußerung/Inzahlunggabe an einen regionalen Kfz-Betrieb. Da im Entscheidungsfall kein darüber hinausgehender Aufwand dargestellt werden konnte und der Hinweis auf die Kaskoversicherung alles andere als überzeugend war, musste der Kl. sich am tatsächlich erzielten Erlös festhalten lassen. In der Annahme einer „überobligationsmäßigen Anstrengung“ sind die Gerichte generell restriktiv. Die an sich günstige Beweislastverteilung ist praktisch ohne echten Nutzen; selbst in einem Rückforderungsprozess.
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