01.09.2006 | Verjährungsunterbrechung
Versenden eines Anhörungsbogens nach individueller Änderung des EDV-Ablaufs
Für eine verjährungsunterbrechende Anordnung der Bekanntgabe des Ermittlungsverfahrens gem. § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG reicht es aus, dass der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde die Erstellung und Versendung eines Anhörungsbogens durch individuellen elektronischen Befehl veranlasst, wenn sich Zeitpunkt und Bearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen (BGH 22.5.06, 5 StR 578/05, Abruf-Nr. 061929). |
Sachverhalt
Der BGH musste auf Vorlage des OLG Brandenburg entscheiden: Bleibt es bei der Rspr. des OLG Dresden (DAR 04, 534; 05, 570) und des OLG Hamburg (10.1.06, 3 Ss 63/05 OWi, Abruf-Nr. 062281, VRR 06, 233), dass im Anschluss an eine individuelle Änderung des EDV-Ablaufs eine spätere Unterbrechung der Verjährung durch Versendung des Anhörungsbogens erst eintritt, wenn die Anordnung zur Versendung gem. § 33 Abs. 2 OWiG unterschrieben und datiert wird? Anders als das OLG Dresden möchte das OLG Brandenburg in Verfahren, in dem der Betroffene im Laufe des Verfahrens in der EDV „ausgewechselt“ wurde, für die Verjährungsunterbrechung ausreichend sein lassen, dass hinreichend sicher in der EDV gespeichert und auf einer Vorgangshistorie dokumentiert wurde, wer und zu welchem Zeitpunkt die Anordnung getroffen habe. Der BGH ist dem OLG Brandenburg gefolgt.
Entscheidungsgründe
Nach Auffassung des BGH bedarf es für die Verjährungsunterbrechung bei der Erstellung und Versendung eines Anhörungsbogens aufgrund eines individuellen elektronischen Befehls keiner zusätzlichen Unterzeichnung oder Anbringung eines Namenskürzels. Dies soll unabhängig davon gelten, ob zwischenzeitlich individuell in den EDV-Ablauf eingegriffen wurde. Bei der Versendung eines Anhörungsbogens handele es sich um eine Anordnung der Bekanntgabe, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG). Eine solche Anordnung läge aber auch vor, wenn der Wille des Sachbearbeiters als elektronischer Befehl zur Erstellung und Versendung des Anhörungsbogens im Arbeitsprogramm des Rechners niedergelegt werde. Denn § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG verlange keine schriftliche Dokumentation.
Praxishinweis
Die Entscheidung wird in der Praxis zu Schwierigkeiten führen. Während es bislang ausreichte Akteneinsicht zu nehmen, um zu klären, ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist, führt dies in Zukunft nicht unbedingt weiter. Denn laut BGH ist für die Verjährungsunterbrechung maßgeblich, dass Art, Zeitpunkt und Handelnder in der EDV gespeichert sind. Ob das der Fall ist, ergibt sich aber aus einer Akteneinsicht nicht zwingend. Zwar müssen sich diese Daten aus der Vorgangshistorie ergeben. Fehlt diese aber in der Akte, ist die Verjährung dennoch wirksam unterbrochen. Damit wird dem Verteidiger nichts anderes übrig bleiben, als die Vorgänge i.Z.m. der Versendung des Anhörungsbogens in der HV durch Vernehmung des Sachbearbeiters als Zeugen aufzuklären. Dazu muss ggf. rechtzeitig ein Beweisantrag gestellt werden.
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