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  • 06.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113260

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 22.08.2011 – III - 1 RBs 139/11

    Im Falle der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG muss der Einspruch zwingend verworfen werden – ein Absehen vom Fahrverbot kann nicht ausgeurteilt werden.


    OBERLANDESGERICHT HAMM
    BESCHLUSS
    III-1 RBs 139/11 OLG Hamm
    6 Ss OWi 495/11 GStA Hamm
    431 OWi 35 Js 104/10 - 28/10 AG Siegen
    Bußgeldsache
    g e g e n
    w e g e n Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 StVO.
    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen vom 25. März 2011 und auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 11. März 2011 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 22. August 2011 durch
    den Richter am Oberlandesgericht
    als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 OWiG
    nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
    b e s c h l o s s e n :
    1.
    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 11. März 2011 aufgehoben.
    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.
    2.
    Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
    G r ü n d e :
    I.
    Der Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein hat am 3. Dezember 2009 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen erlassen und gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 160,- € verhängt sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. In der Sache wurde dem Betroffenen vorgeworfen, am 7. Oktober 2009 mit einem PKW die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h überschritten zu haben.
    Den Einspruch des Betroffenen gegen diesen Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht Siegen mit Beschluss vom 10. Februar 2010 verworfen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg. Der Senat hat mit Beschluss vom 12. April 2010 den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen, weil das Amtsgericht den Beschluss nicht begründet hatte. Zu der erneuten Hauptverhandlung vom 11. März 2011 vor dem Amtsgericht Siegen waren weder der Beschuldigte noch sein Verteidiger erschienen. Das Amtsgericht hat daraufhin folgendes Urteil verkündet:
    „Der Einspruch des Betroffenen vom 7. Dezember 2009 gegen den Bußgeldbescheid des Kreises Siegen-Wittgenstein vom 3. Dezember 2009 wird mit der Maßgabe verworfen, dass von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen wird.
    Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.“
    Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Hauptverhandlungstermin ohne Entschuldigung nicht erschienen sei. Von der Verhängung eines Fahrverbotes sei abgesehen worden,
    „da dem Betroffenen bereits durch rechtskräftige Ordnungsverfügung des Oberbergischen Kreises vom 26. März 2010 die Fahrerlaubnis entzogen worden
    sei.“
    Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen. Auch der Betroffene hat das Urteil angefochten und die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.
    II.
    Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
    Das Amtsgericht hat den Einspruch des Betroffenen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil dieser zum Hauptverhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war. Liegen aber die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 OWiG vor, muss der Richter den Einspruch des Betroffenen ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil verwerfen. Die nach dem früheren Rechtszustand dem Richter eröffnete Ermessensentscheidung, trotz unentschuldigtem Ausbleibens des Betroffenen in Ausnahmefällen sachlich entscheiden zu können, hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 74 Abs. 2 OWiG abgeschafft. Das Amtsgericht war deshalb nicht befugt, eine Sachentscheidung zu treffen und hätte deshalb nicht von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen dürfen.
    III.
    Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war zu verwerfen, da es nicht geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 2, 4 Satz 3 OWiG).

    RechtsgebieteOWi-Recht, Rechtsbeschwerde Vorschriften§ 74 Abs. 2 OWiG