Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 05.01.2012 · IWW-Abrufnummer 114060

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 24.05.2011 – I-22 U 36/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf

    I-22 U 36/11

    Tenor:
    In pp.

    weist der Senat darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 23. Februar 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Wuppertal gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

    Gründe:
    I.
    Die zulässige Berufung hat nach einstimmiger Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverlet­zung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
    Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage stattgege­ben. Die Klägerin war nach § 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB berechtigt, vom Kaufvertrag zu­rückzutreten, weil das Fahrzeug mangelhaft ist, mit der Folge, dass sie gemäß § 346 Abs.1 BGB nicht nur die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs unter Abzug ihrer Nutzungen, sondern auch Ersatz ihrer Aufwendun­gen gemäß § 347 Abs. 2 BGB verlangen kann. Die Abweichung zwischen der im Ap­ril 2010 ausweislich der im 1nternetinserat angegebenen Laufleistung von 56.900 km bzw. 36.000 Meilen und der tatsächlichen Laufleistung von mindestens 93.610 Mei­len (Stand: März 2009) stellt, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, einen - Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1, 3 BGB dar, der nicht unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 BGB).
    1. Entgegen der Ansicht der Berufung ist es nicht zweifelhaft, dass ein Sachmangel vorliegt. Selbst wenn eine Laufleistung von 36.000 Meilen nicht bereits unmittelbar zwischen den Parteien gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart worden sein soll­te, kann die übliche und die zu erwartende Beschaffenheit auch durch öffentliche Äußerungen des Verkäufers geprägt werden. Denn gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gehören zu der vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 auch solche Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimm­te Eigenschaften der Sache erwarten kann. Danach ist davon auszugehen, dass die Parteien eine Laufleistung des Fahrzeugs und nicht etwa einen Stand des Tachome­ters von 56.900 km (entspricht ca. 36.000 Meilen) vereinbart haben. Die Beklagte hat in der Beschreibung des Fahrzeugs in der lnternetplattform xxxxx unstreitig einen „Kilometerstand: 56.900 km" angegeben. Eine entsprechende Angabe von 36.000 Meilen findet sich zudem auf der Garantiekarte und der Rechnung. Eine sol­che Kilometerangabe ist aus der maßgeblichen Sicht eines Kaufinteressenten nicht als Wiedergabe des Tachometerstands, sondern als Angabe der Laufleistung zu ver­stehen. Dem Kaufwilligen kommt es, wie allgemein bekannt ist, nicht auf den Tacho­meterstand, sondern auf die Laufleistung an. Er kann und darf daher davon ausge­hen, dass eine ohne Einschränkung oder deutlichen gegenteiligen Hinweis gemachte Kilometerangabe sich auf die für ihn entscheidende Laufleistung des Fahrzeugs be­zieht (zu vgl. BGH, NJW 2007, 1346, 1347 m.w.N.; H. P. Westermann, in: Münche­ner Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2008, § 434 Rn. 58a).
    An diese als öffentliche werbende Äußerung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 Halb­satz 1 BGB anzusehende (zu vgl. OLG Celle, Beschluss vom 25. Oktober 2005, 7 U 219/05, Rn. 3, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2007, 1-12 U 113/06, BeckRS 2007, 13301) Angabe wäre die Beklagte — wie das Landge­richt zu Recht ausgeführt hat — nur dann nicht gebunden, wenn sie die entsprechen­de Erklärung vor Vertragsschluss gegenüber dem Käufer ausdrücklich und in gleich­wertiger Weise berichtigt hätte (§ 434 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2). Die Beweislast für eine solche Berichtigung trifft entgegen der Ansicht der Berufung — wie sich auch aus der Gesetzesformulierung „es sei denn" und den Gesetzgebungsmaterialien (zu vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 214) ohne weiteres ableiten lässt - insoweit nach allge­meiner Ansicht den Verkäufer (zu vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1329, 1331; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 434 Rn. 38; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn. 1343; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, § 434 Rn. 88; H. P. Westermann, a.a.O., § 434 Rn. 27).
    Dies geht hier zu Lasten der Beklagten. Soweit das Landgericht auf der Grundlage seiner freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO festgestellt hat, dass die Beklagte nicht bewiesen habe, dass sie die Klägerin und deren Ehemann über die tatsächlich höhere Laufleistung vor Vertragsschluss informiert habe, gehen die hiergegen ge­richteten Angriffe der Berufung fehl. Sie stellen sich vielmehr als unzulässiger Ver­such dar, die eigene Beweiswürdigung an diejenige des Landgerichts zu setzen. Denn gemäß § 286 ZPO ist der Richter lediglich an die Denk-, Natur- und Erfah­rungsgesetze gebunden, ansonsten darf er die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse grundsätzlich ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln nach seiner individuel­len Einschätzung bewerten (zu vgl. Greger, in: Zoller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 286 Rn. 13 m.w.N.). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entschei­dungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Derartige konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Beru­fungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Fest­stellung des Sachverhalts unterlaufen sind (zu vgl. BGH, NJW 2004, 1876). Ein Ver­fahrensfehler liegt insbesondere vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanz­lichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind, d.h., wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungs­sätze verstößt (zu vgl. BGH, NJW 2004, 1876). Solche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen be­gründen, werden von der Berufung nicht aufgezeigt und liegen nicht vor.
    Entgegen der Auffassung der Berufung sind die Aussagen der von der Klägerseite benannten Zeugen — wie bereits das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht oh­ne weiteres glaubhaft, nachvollziehbar und ohne Widersprüche; hinzukommt, dass der von der Beklagten vorgetragene und von den Zeugen geschilderte Ablauf der Vertragsverhandlungen nicht plausibel ist. Schließlich steht jedenfalls die Aussage des Zeugen Q denjenigen der von der Klägerin benannten Zeugen entgegen:
    Der Aussage des Bruders des Geschäftsführers der Beklagten, des Zeugen Q kann nicht gefolgt werden, weil sie in einem entscheidenden Detail in deutlichen Widerspruch zum Vortrag der Beklagten steht. Nach dem Vortrag der Be­klagte soll der Tacho — wodurch es zu den unterschiedlichen Angaben zum Kilome­terstand gekommen sein soll — ausgetauscht worden sein, weil es von den Kunden lieber gesehen werde, wenn ein Tachometer in deutscher Sprache vorhanden sei, während der Zeuge dies damit erklärt hat, dass der Tacho defekt gewesen sei. Dass hierüber gesprochen worden sei, hat er mehrmals betont, so dass es sich entgegen der Ansicht der Berufung nicht lediglich um eine Erinnerungslücke handelte. Im Übrigen wäre auch die Aufklärung, die der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der Klägerin über den wahren Tachostand nach Angaben des Zeugen vorgenommen haben soll, ebenfalls unzureichend gewesen; denn es ist angesichts des zeitlichen Ablaufs davon auszugehen, dass die von dem Zeugen als richtigen Tachostand an­gegebenen 90.000 bis 96.000 Meilen nicht (mehr) dem wahren Tachostand beim Verkauf entsprachen, da das Fahrzeug, seitdem dieser Tachostand erreicht war, über ein Jahr weiter gefahren worden war und die Klägerin nicht darüber aufgeklärt wurde, wann der Tacho ausgetauscht wurde.
    Zwar haben auch die Zeugen N und W erklärt, dem Zeugen Q sei eine Kopie des Carfaxes ausgehändigt worden. Da das Carfax aber allenfalls ei­nen Kilometerstand von 93.610 Meilen ausgewiesen haben kann, ist nicht erklärlich, warum der Zeuge Q damals nach Angaben des Zeugen N die Aussage getätigt haben soll, für 96.000 Meilen sehe das Auto aber noch gut aus. Diesen Aus­sagen steht jedenfalls die diese Angaben verneinende Aussage des Zeugen Q gegenüber, die nicht weniger glaubhaft ist. Im Gegenteil haben die Beklagte und die von ihr benannten Zeugen keine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben, wa­rum die Beklagte in drei Dokumenten — im Inserat, in der Rechnung und im Garantie­vertrag — falsche Angaben zur Laufleistung gemacht hat, obwohl dies von ihr auf­grund der ihr vorliegenden Dokumente (Carfax und Certificate of Title) ohne Weiteres von Anfang an hätte richtig gestellt werden können. Erst recht fehlt eine plausible Begründung dafür, dass sie trotz angeblich vorgenommener Aufklärung über ihre Falschangaben vor Vertragsschluss sowohl in der Rechnung als auch in der Garan­tieerklärung immer noch bei den falschen Angaben geblieben ist und diese nicht ent­sprechend ihrer Aufklärung angepasst hat, zumal nichts näher gelegen hätte, sich eine entsprechende Kenntnis der Käuferin bzw. ihres Vertreters zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten schriftlich bestätigen zu lassen.
    2. Einer Fristsetzung zur Nacherfüllung bedurfte es nicht. Eine Nachbesserung war unmöglich, weil es sich bei der Abweichung zwischen der vereinbarten und der tat­sächlichen Laufleistung um einen unbehebbaren Mangel handelt. Die Nachlieferung eines anderen, gleichwertigen Fahrzeugs scheidet zwar nicht schon deshalb aus, weil es sich um einen Stückkauf handelt. Jedoch ist beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs die Lieferung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs nur ausnahmsweise möglich (zu vgl. BGH, NJW 2007, 1346, 1347 f.; BGH, NJW 2006, 2839, 2840). Ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermitteln­den Willen der Vertragsparteien zu beurteilen. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens ist in der Regel erst der bei einer persönlichen Besichtigung gewonnene Gesamtein­druck von den technischen Eigenschaften, der Funktionsfähigkeit und dem äußeren Erscheinungsbild des individuellen Fahrzeugs ausschlaggebend für den Entschluss des Käufers, das konkrete Fahrzeug zu kaufen, das in der Gesamtheit seiner Eigen­schaften dann nicht gegen ein anderes austauschbar sein soll. Angesichts der vielfäl­tigen Unterschiede im Abnutzungsgrad gebrauchter Sachen — auch gleichen Typs — ist Zurückhaltung bei der Annahme geboten, dass beim Kauf einer gebrauchten Sa­chen auch die Lieferung einer anderen Sache dem Parteiwillen entspreche (zu vgl. BGH, NJW 2006, 2839, 2841). Umstände, welche die Annahme eines solchen Aus­nahmefalls (zu vgl. BT-Drucksache 14/6040, S. 232) nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich und insbesondere von der Beklagten nicht vorgetragen. Zudem ist von einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung einer Nacherfüllung auch im Wege der Ersatzlieferung seitens der Beklagten auszugehen. Im Übrigen ist das Verhalten der Beklagten auch als arglistige Täuschung zu werten, die eine Nachfristsetzung entbehrlich macht.
    II.
    Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
    Die Beklagte erhält Gelegenheit, innerhalb von
    2 Wochen ab Zugang
    dieses Beschlusses zu den vorstehenden Hinweisen Stellung zu nehmen und gege­benenfalls die Berufung zurückzunehmen.