18.01.2012 · IWW-Abrufnummer 120040
Landgericht Ellwangen: Beschluss vom 14.10.2011 – 1 Qs 82/11
Auf Grund der Verweisung des § 46 Abs. 1 OWiG gelten die Vorschriften über die notwendige Verteidigung nach §§ 140, 141 OWiG auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren. Das gilt insbesondere auch für § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO.
Beschl. v. 14.10.2011 – 1 Qs 82/11
In dem Bußgeldverfahren gegen pp.
wegen Verstoßes gegen die StVO
wird auf die Beschwerde des Betroffenen der Beschluss des Amtsgerichts Ellwangen vom 23. August 2011
aufgehoben.
Dem Betroffenen wird gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO Rechtsanwalt X. als notwendiger Verteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit entstandene notwendige Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen ist von der Zentralen Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe am 14. März 2011 ein Bußgeldbescheid erlassen worden, in dem gegen ihn wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 54 km/h eine Geldbuße in Höhe von 240,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt wurden. Hiergegen hat er rechtzeitig Einspruch eingelegt, weshalb das zuständige Amtsgericht Ellwangen Termin zur Hauptverhandlung am 14. November 2011 anberaumt hat.
Mit Schriftsatz vom 22. August 2011 hat der Wahlverteidiger des Betroffenen beantragt, ihn als Pflichtverteidiger im Verfahren beizuordnen, nachdem der Betroffene seit 06. Juni 2011 auf Grund Haftbefehls des Amtsgerichts Arnstadt vom 26. Mai 2011 für die Staatsanwaltschaft Erfurt in Untersuchungshaft sitzt.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen.
II.
Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde ist zumindest nunmehr begründet.
Da sich der Betroffene inzwischen seit mehr als 3 Monaten auf Grund eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Erfurt in Untersuchungshaft befindet, ist ihm gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Auf Grund der Verweisung des § 46 Abs. 1 OWiG gelten die Vorschriften über die notwendige Verteidigung nach §§ 140, 141 StPO auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren (hM; vgl. u. a. Löwe/Rosenberg StPO 26. Aufl. § 140 Rdnr. 42; KK-OWiG 3. Aufl. 2006, § 71 Rdnr. 17; Göhler, Vorb. § 67 Rdnr. 14). Die Sondervorschrift des § 60 OWiG ist nach ihrem Wortlaut und nach ihrer systematischen Einordnung im Gesetz nur für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde anwendbar. Dass sich diesbezüglich für das gerichtliche Bußgeldverfahren Einschränkungen ergeben sollten, lässt sich aus dem Wortlaut des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht herleiten. Die insbesondere mit Kontakt- und Kommunikationseinschränkungen verbundene Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeit eines auf Grund einer richterlichen Anordnung in einer Anstalt einsitzenden Betroffenen, der mit § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO begegnet werden soll, treffen auch für das Bußgeldverfahren zu, das im Einzelfall ebenfalls einschneidende Folgen für einen Betroffenen haben kann, die nicht weniger bedeutsam sein können als in einem Strafverfahren von geringerer Bedeutung (vgl. hierzu auch OLG Köln, NZV 19999, 96; BayObLG, NJW 1979, 771).
Der Beiordnung steht auch nicht entgegen, dass der Betroffene die Untersuchungshaft in einer anderen Sache erleidet, da er dadurch in gleicher Weise in der Vorbereitung seiner Verteidigung behindert wird. Dies ist auch für Strafverfahren in verschiedenen Sachen anerkannt (vgl. u. a. Löwe/Rosenberg aaO Rdnr. 32; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2011, 19 mit Anmerkung Deutscher, jurisPR-StrafR 24/2010 Anm. 1).
Nachdem Rechtsanwalt X. bereits als Wahlverteidiger für den Betroffenen tätig war, wird er gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. mit § 309 Abs. 2 StPO als Verteidiger bestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.