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  • 05.04.2012 · IWW-Abrufnummer 120971

    Amtsgericht Bamberg: Beschluss vom 02.03.2012 – 14 OWi 2311 Js 13450/11

    Soweit der Verteidiger die Vorlage konkreter Beweismittel wie den Eichschein, die Lebensakte des Messgeräts, Schulungsnachweise des Messbeamten und die Bedienungsanleitung des Messgeräts beantragt, sind diese Unterlagen dem Verteidiger zugänglich zu machen. Dies gilt auch, wenn diese Gegenstände noch nicht Teil der Gerichtsakte sind, sondern sich in behördlicher Hand befinden. Der Verteidiger darf nicht darauf verwiesen werden, die Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung der technischen Messgeräte nach vorheriger Absprache beim Polizeipräsidium München einzusehen bzw. diese gegen Bezahlung beim Hersteller dieser Geräte anzufordern.


    14 OWi 2311 Js 13450/11
    In dem Bußgeldverfahren
    gegen
    Verteidiger :
    Rechtsanwalt Dr. jur. Martin Howald, Hansering 11, 06108 Halle
    wegen Owi StVO
    erlässt das Amtsgericht — Bamberg — Abteilung für Bußgeldsachen am 2. März 2012 ohne mündliche Verhandlung folgenden
    Beschluss
    1. Soweit der Verteidiger die Vorlage konkreter Beweismittel wie den Eichschein, die Lebensakte des Messgeräts, Schulungsnachweise des Messbeamten und die Bedienungsanleitung des Messgeräts beantragt, sind diese Unterlagen dem Verteidiger zugänglich zu machen.
    2. Dies gilt auch, wenn diese Gegenstände noch nicht Teil der Gerichtsakte sind, sondern sich in behördlicher Hand befinden.
    3. Der Verteidiger darf nicht darauf verwiesen werden, die Bedienungs- bzw. Gebrauchsanweisung der technischen Messgeräte nach vorheriger Absprache beim Polizeipräsidium München einzusehen bzw. diese gegen Bezahlung beim Hersteller dieser Geräte anzufordern.
    4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
    Gründe:
    Gegen den Betroffenen wurde durch Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts vom 28.10.2011 wegen einer ordnungswidrigen Abstandsunterschreitung eine Geldbuße von 75,- € verhängt (BI.1).
    Mit Schriftsatz vom 01.11.2011 beantragte der Verteidiger für den Fall, dass das Verfahren gegen den Betroffenen nicht eingestellt werden sollte, ihm den Eichschein, die Lebensakte, die Bedienungsanleitung des zum Einsatz gekommenen Messgerätes, die Berechtigung der Messbeamten (Messgerätebediener und Messauswerter) sowie die zu Beginn und Ende des Messeinsatzes gefertigten Registrierfotos zur Verfügung zu stellen und den Verlauf der Mess- und Fotolinien darzustellen (81.25.26).
    Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt teilte dem Verteidiger mit Schreiben vom 15.11.2011 mit, dass Eichscheine, Lebensakten sowie Lehrgangsbescheinigungen der Messbeamten generell nicht Bestandteile der Ermittlungsakte wären und nur auf gerichtliche Anforderung vorgelegt würden.
    Bedienungs-/ Gebrauchsanweisungen technischer Messgeräte unterlägen nicht der Akteneinsicht. Er könne die Unterlagen im Original ausschließlich beim Polizeipräsidium München nach vorheriger Terminsabsprache einsehen, ersatzweise könne er die Bedienungs¬/Gebrauchsanweisung beim Hersteller des Messgerätes gegen Bezahlung anfordern (BI. 27).
    II.
    Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bamberg ergibt sich aus § 62 Abs. 2, § 68 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG).
    Der Antrag ist auch begründet.
    Der Betroffene stellte mit Schreiben vom 15 11.2011 Antrag gerichtliche Entscheidung, welcher nach § 62 OWiG zulässig ist.
    Der Verteidiger hat nach dem im Bußgeldverfahren über § 46 Abs.1 OWiG sinngemäß anzuwendenden § 147 StPO das Recht auf Akteneinsicht und Einsicht in die sichergestellten Beweisstücke. Die Akteneinsicht muss ausreichend und in zumutbarer Weise gewährt werden. Ansonsten wird das Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
    Um die Erfolgsaussichten eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid überprüfen zu können, ist es notwendig, dass der Verteidiger die Bedienung und Aufstellung des Messgerätes nachvollziehen und überprüfen kann. Die hierfür erforderlichen Unterlagen sind ihm zur Verfügung zu stellen.
    Es gibt keine Gründe, die gegen ein solches Recht sprechen.
    Es handelt sich um keine i.S.v. § 96 StPO gesperrten Unterlagen. Auch überwiegend schutzwürdige Interessen Dritter stehen nicht entgegen.
    Allein die Tatsache, dass die gewünschten Unterlagen nicht Bestandteil der Akte sind, reicht nicht aus, um dem Verteidiger die Einsicht darin zu verwehren.
    Auch in die Akten anderer Behörden ist Einsicht zu gewähren, selbst wenn diese nur zur vertraulichen Behandlung übersandt worden wären (vgl. BGH 42, 71).
    Die vom Verteidiger angeforderten Unterlagen befinden sich in behördlicher Hand und können von dort ohne großen Aufwand beigezogen und an den Verteidiger übermittelt werden, zumal mithilfe der heutigen technischen Kommunikationsmöglichkeiten.
    Besonders angesichts der relativ unbedeutenden Bußgeldverfahren ist es unzumutbar, den Verteidiger darauf zu verweisen, ggf. mehrere hundert Kilometer zu fahren, um Einsicht in eine Bedienungsanleitung zu nehmen, zumal diese der Bußgeldbehörde bereits vorliegen dürfte. Gleiches gilt von dem Verweis auf den Hersteller.
    Auch urheberrechtliche Bestimmungen stehen dem nicht entgegen. Die Bedienungsanleitung für ein Messgerät beschreibt lediglich vorgegebene technische Zusammenhänge auf einer handwerklich definierbaren Weise und ist somit keine eigene geistige Schöpfung ihres Autors (vgl. LG Ellwangen, Entscheidung vom 14.12 2009, 1 Qs 166/09).
    Damit war dem Antrag stattzugeben.
    III.
    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG
    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 62 Abs.2 OWiG).