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  • 05.04.2012 · IWW-Abrufnummer 120975

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 09.02.2012 – III-3 AR 6/11

    Die Vorschrift des § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG erfasst gerade die Fälle der sog. Halterhaftung im Straßenverkehr, in denen der Betroffene allein deswegen für Verkehrsverstöße haftet, weil er Halter des Fahrzeugs ist, mit dem der Verstoß begangen wurde. Danach ist eine Vollstreckung nur dann unzulässig, wenn der Betroffene den Einwand des fehlenden eigenen Verschuldens gegenüber der Bewilligungsbehörde geltend macht. Er hat es also in der Hand, ob die Vollstreckung in Deutschland zulässig ist oder nicht.


    OLG Düsseldorf,
    Beschl. v. 9.2.2012

    III-3 AR 6/11)

    In pp.

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
    Der Bescheid des Centraal Justitiell Incassobureau (Ministerie van Justitie), Leeuwarden (Niederlande), vom 8. No¬vember 2010 (CJIB-Nr. xxxx yyyy xxxx yyyy) wird für vollstreckbar erklärt.
    Die in dem vorgenannten Bescheid festgesetzte Geldsanktion von 140,00 wird in eine Geldbuße in Höhe von 140,00 € umgewandelt.
    Gründe:
    1. Mit dem in der Beschlussformel näher bezeichneten Bescheid ist gegen die Betroffene wegen einer am 28. August 2010 in Amsterdam mit einem Kraftfahrzeug (amtliches Kennzeichen YY – XX 000), dessen Halterin die Betroffene ist, begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldsanktion in Höhe von 140,00 Euro festgesetzt worden.
    Das Bundesamt für Justiz beantragt, den Bescheid für vollstreckbar zu erklären und die Geldsanktion umzuwandeln.
    Mit Beschluss vom 26. September 2011 hat das Amtsgericht die Anträge zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich das Bundesamt für Justiz mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom heutigen Tage die Rechtsbeschwerde gemäß § 87k Abs. 1 Nr. 1 IRG zugelassen.
    2. Über die durch den Einzelrichter zugelassene Rechtsbeschwerde entscheidet nach § 87l Abs. 3 Nr. 2 IRG der Senat in der Besetzung mit drei Richtern.
    Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Auf Antrag des Bundesamtes für Justiz war der o.a. Bescheid des Centraal Justitieel Incassobureau (Ministerie van Justitie), Leeuwarden (Niederlande), vom 8. November 2010 für vollstreckbar zu erklären und die darin festgesetzte Geldsanktion von 140,00 Euro in eine Geldbuße in Höhe von 140,00 Euro umzuwandeln.
    Die Voraussetzungen des § 87b IRG für die Vollstreckung der Geldsanktion in der Bundesrepublik Deutschland liegen vor. Die vom Amtsgericht angeführte Erwägung, die Verhängung und Vollstreckung einer Geldbuße wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung sei nach deutschem Recht nur gegen den Fahrer und nicht gegen den Halter des Fahrzeugs möglich, steht der Vollstreckung nicht entgegen. Zwar ist richtig, dass die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen mit dem in Deutschland mit Verfassungsrang ausgestatteten Schuldprinzip vereinbar sein muss (vgl. hierzu BVerfGE 123, 267 – insbes. Rdnr. 364). Indes hat der Gesetzgeber gerade nicht festgelegt, dass die Vollstreckung von Entscheidungen, die dem Schuldprinzip zuwiderlaufen – wie etwa die Haftung des Halters eines Fahrzeugs für Verkehrsverstöße ohne Nachweis eines eigenen Verschuldens – von vornherein ausgeschlossen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat vielmehr in § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG bestimmt, dass die Vollstreckung einer Geldsanktion nur dann unzulässig ist, wenn die betroffene Person in dem ausländischen Verfahren keine Gelegenheit hatte einzuwenden, für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich zu sein, und sie dies gegenüber der Bewilligungsbehörde geltend macht. Diese Vorschrift erfasst gerade die Fälle der sog. Halterhaftung im Straßenverkehr, in denen der Betroffene allein deswegen für Verkehrsverstöße haftet, weil er Halter des Fahrzeugs ist, mit dem der Verstoß begangen wurde (vgl. BT-Drs. 17/1288 Seite 27f.).
    Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist eine Vollstreckung nur dann unzulässig, wenn der Betroffene den Einwand des fehlenden eigenen Verschuldens gegenüber der Bewilligungsbehörde, also dem Bundesamt für Justiz, geltend macht. § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG weicht damit von § 87b Abs. 3 Nr. 1 bis 8 IRG ab; diese Vorschriften enthalten Tatbestände, die von Amts wegen ohne Geltendmachung durch den Betroffenen zu berücksichtigen sind. Im Fall des § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG muss der Betroffene selbst handeln, damit sein Einwand berücksichtigt wird. Er hat es also in der Hand, ob die Vollstreckung in Deutschland zulässig ist oder nicht (vgl. Johnson in Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Auflage Stand 2011, § 87b IRG Rdnr. 19).
    Vorliegend hat die Betroffene den Einwand des fehlenden Verschuldens nicht geltend gemacht. Das Bundesamt für Justiz hat der Betroffenen mit Schreiben vom 27. Juni 2011 Gelegenheit gegeben, zu der Vollstreckung der in den Niederlanden verhängten Geldsanktion innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Die Betroffene hat hierauf keine Äußerung abgegeben, insbesondere hat sie nicht den Einwand des fehlenden Verschuldens erhoben. Nach § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG ist deshalb die Vollstreckung zulässig.
    Gemäß § 87i Abs. 3 Satz 2 IRG war die Geldsanktion von 140,00 Euro in eine Geldbuße in gleicher Höhe umzuwandeln. Diese Geldbuße entspricht der in den Niederlanden verhängten Rechtsfolge.