29.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121956
Amtsgericht Strausberg: Urteil vom 30.05.2012 – 14 OWi 282 Js-OWi 3933/11 (113/11)
Gegenüber einem selbstständigen Fliesenleger kann von der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots abzusehen sein.
AG Strausberg
Urt. v. 30.05.2012
14 OWi 282 Js-OWi 3933/11 (113/11)
Der Betroffene wird wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das 0,5 ‰-Gesetz zu einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro verurteilt.
Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Der Betroffene ist geschieden und hat keine Unterhaltspflichten. Er lebt zusammen mit seiner vollberufstätigen Lebensgefährtin und deren minderjährigen Tochter.
Der Betroffene ist im Verkehrszentralregister nicht eingetragen.
Mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle des Landes Brandenburg vom 01.12.2010 (Aktenzeichen: ) wurde gegen den Betroffenen wegen Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr gemäß § 24 a Abs. 1 StVG eine Geldbuße von 500,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dem Betroffenen wird in dem Bußgeldbescheid zur Last gelegt, am 20.11.2010 um 1.10 Uhr in H. die Straße mit einem LKW, amtliches Kennzeichen: , befahren und dabei eine Atemalkoholkonzentration von 0,40 mg/l aufgewiesen zu haben.
Der Betroffene hat gegen diesen Bußgeldbescheid fristgemäß Einspruch eingelegt und den Einspruch mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.04.2011 auf die Rechtsfolgen beschränkt.
Ziel der Rechtsfolgenbeschränkung ist das Absehen von einem Fahrverbot.
Der Betroffene trägt vor, ein Fahrverbot von einem Monat würde in existenzgefährdender Weise in seine berufliche Tätigkeit als selbstständiger Fliesenleger eingreifen. Er bestreite seine Existenzgrundlage aus den Einkünften eines 1-Mann-Unternehmens als Fliesenleger. Seine Arbeitsorte seien im gesamten Bundesgebiet verstreut. Er könne seine Tätigkeit nur ausüben, wenn er seine Arbeitsorte mit seinem Transportfahrzeug erreiche, da zu seiner Arbeit auch zwingend der Transport der benötigten Baumaterialien gehöre. Aufgrund der schlechten Konjunkturlage im Winter 2010/2011 sei er gegenwärtig auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Aus dieser Situation könne er nur heraus finden, wenn er ständig und durchgehend bereit sei, Aufträge im gesamten Bundesgebiet anzunehmen. Aus diesem Grund dürfe er es sich nicht erlauben, einen Monat lang wegen des fehlenden Führerscheins keine Aufträge mehr entgegenzunehmen. Gegenwärtig sei es ihm aufgrund der geringen Einkünfte auch nicht möglich, einen Fahrer zu beschäftigen.
Diese Einlassung war dem Betroffenen letztlich nicht zu widerlegen.
Der Betroffene ist seit 1998 durchgehend als selbstständiger Fliesenlegermeister tätig. Aufgrund des heftigen Wintereinbruchs Ende 2010 war er gezwungen, ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt zu beantragen. Auf seinen Antrag hin hat er ab Januar 2011 den Regelsatz erhalten. Seine selbstständige Tätigkeit wurde vom Haupt- auf Nebenerwerb herabgestuft. Der Regelsatz wurde dem Betroffenen ab Juli 2011 weiter bewilligt, nachdem festgestellt worden war, dass er durch seine selbstständige Tätigkeit im 1. Halbjahr 2011 so wenig dazuverdient hatte, dass die gewährten Leistungen im vollen Umfang bestehen bleiben konnten. Wegen der Inanspruchnahme der Hilfe zum Lebensunterhalt wäre der Betroffene verpflichtet gewesen, eine adäquate versicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen und damit sein selbstständiges Unternehmen auch als Nebenerwerb aufzugeben. Eine adäquate Tätigkeit konnte ihm jedoch aufgrund seiner Qualifikation als Handwerksmeister nicht angeboten werden. Ziel der Arbeitsvermittlung ist es daher nach wie vor, das selbstständige Unternehmen des Betroffenen soweit zu festigen, dass es wieder als Haupterwerb geführt werden und die Inanspruchnahme von Hilfe zum Lebensunterhalt gestrichen werden kann. Dem Betroffenen ist es in letzter Zeit gelungen, zunächst durchaus erfolgversprechende Aufträge zu gewinnen. So hat er im November 2011 einen Auftrag mit einer Rechnungssumme von mehr als 8.000 Euro abgeschlossen. Diese Summe blieb jedoch der Auftraggeber bis jetzt schuldig.
Nach der Beweisaufnahme ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein einmonatiges Fahrverbot die Existenz des Betroffenen in nachhaltiger Weise beeinträchtigt. Der Betroffene kann offensichtlich in eine adäquate versicherungspflichtige Tätigkeit nicht vermittelt werden. Sofern er nicht auf Dauer nur darauf angewiesen sein will, Hilfe zum Lebensunterhalt zu beziehen, muss sein gegenwärtiges Ziel sein, sein selbstständiges Unternehmen so zu stabilisieren, dass es wieder als Haupterwerb dienen kann. Bei dem nach wie vor schwierigen Markt für selbstständige Unternehmen ist der Betroffene nach Überzeugung des Gerichts darauf angewiesen, ständig präsent zu sein, um jeden möglichen Auftrag anzunehmen und auszuführen. Dieser Präsenz würde auch ein lediglich einmonatiges Fahrverbot in erheblicher Weise entgegenstehen. Es ist nicht auszuschließen, dass ein Ablehnen von Aufträgen über einen solchen Zeitraum bereits dazu führt, die weiteren Marktchancen des Betroffenen auf zukünftige Aufträge nachhaltig zu zerstören.
In dieser Situation kommt für den Betroffenen ein Urlaub nicht in Betracht. Die Inanspruchnahme eines Fahrers scheitert an den wirtschaftlichen Möglichkeiten. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist ausgeschlossen, da der Betroffene angewiesen ist, auch Arbeits- und Baumaterial zu transportieren. Schließlich ist nach Überzeugung des Gerichts auch die Dispositionsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG für den Betroffenen nicht hilfreich. Zwar ist es zutreffend, dass der Betroffene bei einem strengen Wintereinbruch seine Arbeit witterungsbedingt einstellen muss. Problematisch ist jedoch die Vorhersehbarkeit einer solchen Situation. Der Betroffene kann nicht darauf verwiesen werden, das Fahrverbot so zu legen, dass es in den kalendarischen Winter fällt. Sofern der Winter, wie der gegenwärtige, mild bleibt, muss der Betroffene am Arbeitsmarkt präsent sein, um auch in diesem Zeitraum durchaus mögliche Aufträge entgegenzunehmen.
Das Gericht ist daher insgesamt davon ausgegangen, dass eine Existenzgefährdung des Betroffenen durch ein Fahrverbot nicht auszuschließen ist und hat von der Verhängung des an sich gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Regelfahrverbots abgesehen.
Um dem Betroffenen jedoch nachhaltig die abstrakte Gefährlichkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen, hat das Gericht die nach der Anlage zu § 1 der BKatV laufende Nummer 241 an sich verwirkte Regelbuße in Höhe von 500,00 Euro verdoppelt und gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro festgesetzt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.
Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er verurteilt wurde.