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  • 29.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121961

    Landgericht Arnsberg: Beschluss vom 24.04.2012 – 2 Qs 24/12

    Bei der gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich des Umfangs des Akteneinsichtsrechts handelt es sich um eine der Urteilsfällung sachlich und zeitlich vorausgehende und mit ihr in einem inneren Zusammenhang stehende Entscheidung des erkennenden Richters, die gem. § 305 StPO unanfechtbar ist.


    2 Qs 24/12 LG Arnsberg

    Landgericht Arnsberg

    Beschluss

    In dem Bußgeldverfahren
    gegen pp.

    Die Beschwerde wird auf Kosten der Betroffenen als unzulässig verworfen.

    Gründe:

    I.

    Am 31.08.2011 erließ die Bußgeldbehörde des Kreises Soest gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften gern. §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG und setzte darin gegen die Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 230,00 € fest. Gleichzeitig wurde gem. § 25 StVG ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

    Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Verteidiger der Betroffenen für diese Einspruch ein und beantragte Akteneinsicht. Nach Rücksendung der Akte beantragte der Verteidiger unter' Berufung auf ein Recht zur Einsichtnahme gern. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 147 Abs. 1 StPO die Vorlage der Originalmessfotos, des Ausbildungs- und Lehrbefähigungsnachweises des Multiplikators PHK Wessel, der Ausbildungs- und Schulungsnachweise des namentlich nicht bekannten Auswertepersonals, der Bedienungsanleitung des verwendeten Messgeräts, der Wartungs-/Reparatur/Eichunterlagen des verwendeten Messgeräts, der Softwareversion des verwendeten Messgeräts zum Stand 27.07.2011 sowie der konkreten Gefährdungslage an der Messörtlichkeit.

    Die Verwaltungsbehörde zog daraufhin den Multiplikatornachweis zur Akte bei und übersandte diesen sowie ein Messfoto per Email an dem Verteidiger der Betroffenen. Die weitergehenden Anträge beschied die Verwaltungsbehörde nicht.

    Mit Schriftsatz vom 16.12.2011 forderte der Verteidiger die Übersendung der ausstehenden Unterlagen und bemängelte die übersandten Unterlagen als nicht ausreichend. Vorsorglich beantragte der Verteidiger gerichtliche Entscheidung hierüber gern. § 62 OWiG.
    In der Folge gab die Verwaltungsbehörde das Bußgeldverfahren über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht Soest ab.

    Mit Beschluss vom 24.02.2012 lehnte das Amtsgericht Soest sämtliche Anträge des Verteidigers der Betroffenen auf Beiziehung der benannten Unterlagen ab. Mit Verfügung vom gleichen Tag bestimmte das Amtsgericht Hauptverhandlungstermin auf den 23.04.2012.

    Mit Schriftsatz vom 16.04.2012 legte der Verteidiger der Betroffenen für diese Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Soest vom 24.02.2012 ein und beantragte, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Übersendung der im Einzelnen bezeichneten Beweismittel.

    Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

    II.

    Die Beschwerde ist gern. § 305 S. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG unzulässig.

    Danach unterliegen die Entscheidungen des erkennenden Gerichts nicht der Beschwerde, die der Urteilsfällung zeitlich und sachlich vorausgehen und mit ihr in einem inneren Zusammenhang stehen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 305 Rn. 4).

    Bei der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts handelt es sich entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht um eine gerichtliche Entscheidung gern. § 62 Abs. 2 S. 1 OWiG. Denn eine solche Entscheidung setzt gern. § 62 Abs. 1 S. 1 OWiG eine Anordnung, Verfügung oder sonstige Maßnahme der Verwaltungsbehörde voraus, die im Bußgeldverfahren mit Rechtswirkung nach außen getroffen wird und den Rechtskreis des Betroffenen oder einer anderen Person berührt (LG Lüneburg, Beschluss vom 19.07.2011, 26 Qs 190111, VRR 2011, 436). Daran fehlt es hier, da die Verwaltungsbehörde die weitergehenden Anträge des Verteidigers nicht beschieden, sondern das Verfahren an das Amtsgericht Soest abgegeben hat.

    Unabhängig davon weist die Kammer darauf hin, dass eine gerichtliche Entscheidung im Sinne des § 62 Abs. 2 S. 1 OWiG gern. § 62 Abs. 2 S. 3 OWiG nicht anfechtbar ist.

    Mit den abgelehnten Anträgen begehrte die Verteidigung nach eigenem Vortrag um-fassende Akteneinsicht gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 147 StPO. Bei der Entscheidung des Amtsgerichts hinsichtlich des Umfangs des Akteneinsichtsrechts handelt es sich um eine der Urteilsfällung sachlich und zeitlich vorausgehende und mit ihr in einem inneren Zusammenhang stehende Entscheidung des erkennenden Richters, die gern. § 305 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG unanfechtbar ist.

    Das grundsätzlich bestehende Recht auf Akteneinsicht durch einen Verteidiger sichert den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, wodurch eine effektive Verteidigung ermöglicht werden soll. Dies wird gesichert durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO, der über § 79 Abs. 3 OWiG auch im Bußgeldverfahren Anwendung findet. Jede im Hauptverfahren getroffene Entscheidung des erkennenden Richters, die dieses Recht des Betroffenen berührt, steht mit der Urteilsfällung in innerem Zusammenhang, da sie Einfluss auf den Inhalt des Urteils haben kann (LG Limburg, Beschluss vom 30.08.2011, 1 Qs 116/11; LG Lüneburg, Beschluss vom 19.07.2011, 26 Qs 190/11, VRR 2011, 436, OLG Hamm NStZ 2005, 226 m. w. N.; LG Arnsberg, Beschluss vom 08.12.2011, 2 Qs 79/11).

    Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde vorliegend nach zulässigem Einspruch und unmittelbar vor der Terminierung, mithin im Hauptverfahren gern. §§ 71 ff. OWiG getroffen.

    Sie kann daher gern. § 305 S. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG nicht mit der Beschwerde, sondern nur mit dem entsprechenden Rechtsmittel nach Urteilserlass, hier - je nach dem Inhalt des Urteils - die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG oder der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gern. § 80 Abs. 1 OWiG, angegriffen werden.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.

    Arnsberg, den 24.04.2012
    Landgericht, 2. Große Strafkammer — Beschwerdekammer