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  • 09.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123311

    Amtsgericht Lüdinghausen: Urteil vom 18.06.2012 – 19 OWi-89 Js 506/12-65/12

    Die Rüge des Verteidigers, beim Verfahren ES3.0 des Herstellers eso sei aufgrund mehrerer Datenkopiervorgänge die Authentizität der auf dem in die Hauptverhandlung eingeführten Messfotodaten nicht gewährleistet führt weder zu weiteren Beweiserhebungen noch einer Unverwertbarkeit des Messfotos, wenn keine Hinweise auf Veränderungen an den Dateien festgestellt werden können.


    19 OWi-89 Js 506/12-65/12
    Rechtskräftig seit dem 28. September 2012
    Amtsgericht Lüdinghausen
    IM NAMEN DES VOLKES
    Urteil
    In dem Bußgeldverfahren
    gegen
    wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
    hat der Richter für Bußgeldsachen aufgrund der Hauptverhandlung vom 18.06.2012,
    an der teilgenommen haben:
    Richter
    als Richter
    Rechtsanwalt …… aus ….
    als Verteidiger des Betroffenen ….
    für Recht erkannt:
    Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
    zu einer Geldbuße von 170 EUR verurteilt.
    Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
    Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
    Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 41 II, 49 StVO, 24, 25 StVG, 2 BKatV).
    Tatbestandsnummer: 141 723
    G r ü n d e :
    Der Betroffene ist geschieden und Vater eines Kindes. Von Beruf ist er geschäftsführender Gesellschafter der X GmbH. Zu seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen hat er auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts angegeben, dass diese gesichert seien und zwar so, dass es weder zu einer Herabsetzung des im Bußgeldbescheid verhängten Bußgeldes, noch zu einer Ratenzahlung allein auf Grund der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen kommen muss.
    Ausweislich des Verkehrszentralregisterauszuges ist der Betroffene
    wie folgt vorbelastet:
    Am 12.08.2010 (Rechtskraft: 28.08.2010) setzte der Kreis Warendorf gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h bei zulässigen 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 70 Euro fest.
    Am 18.03.2011 (Rechtskraft: 06.04.2011) setzte die Stadt Hamm gegen den Betroffenen wegen eines innerhalb geschlossener Ortschaften begangenen Geschwindigkeitsverstoßes (zulässige Geschwindigkeit 50 km/h; festgestellte Geschwindigkeit: 77 km/h) eine Geldbuße von 110 Euro fest.
    Am 15.04.2011 (Rechtskraft: 05.05.2011) setzte die Stadt Hagen gegen den Betroffenen wegen einer außerhalb geschlossener Ortschaften begangener Geschwindigkeitsüberschreitung um 34 km/h (zulässig: 100 km/h; festgestellte Geschwindigkeit 134 km/h) eine Geldbuße von 131 Euro fest.
    Am 16.10.2011 befuhr der Betroffene gegen 16:20 Uhr in Ascheberg außerorts die ihm bekannte B 58 i m Bereich „Neue Mühle“ in Richtung Ascheberg. Er war hier der Führer eines PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX. Zu dieser Zeit befand sich dort eine Geschwindigkeitsmessanlage. Im Bereich vor dieser Stelle ist wegen der sich dort befindenden Wohnbebauung die Geschwindigkeit auf 70 km/h reduziert und zwar von den außerorts üblichen 100 km/h Höchstgeschwindigkeit. 175 m vor der Messstelle befinden sich beidseitig Zeichen 274 durch die eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h angeordnet wird.
    Ein weiteres nur an der rechten Seite befindendes Zeichen 274 mit der Geschwindigkeitsangabe „70“ findet sich 100 m nach der Messstelle. Weitere 150 m weiter wird die Geschwindigkeitsbeschränkung wieder aufgehoben.
    Die Messanlage selbst war eine solche des Typs ES 3.0 des Herstellers eso. Dieses eichfähige Messsystem zur Geschwindigkeitsmessung war zur Tatzeit gültig geeicht und wurde von dem Zeugen H am Tattage nach den Herstellervorschriften in der Bedienungsanleitung des Messsystems aufgebaut. Der Betroffene wurde von der Geschwindigkeitsmessanlage mit einer Geschwindigkeit von 108 km/h gemessen und bei der Überschreitung der Geschwindigkeit fotografiert. Nach Abzug des erforderlichen Sicherheitsabschlages von 4 km/h ergab sich insoweit eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 104 km/h und somit eine Überschreitung von 34 km/h. Der Betroffene hätte die aufgestellten Schilder erkennen können und seine Geschwindigkeit hierauf einrichten müssen.
    Der Betroffene hat seine Fahrereigenschaft eingeräumt. Es sei die letzte Fahrt mit seinem Porsche Cabrio in der Sommersaison auf der ihm bekannten Strecke gewesen.
    Die durch das Messgerät angezeigte Geschwindigkeit konnte ebenfalls durch Inaugenscheinnahme des Messfotos (Bl. 1 der Akte) und urkundsbeweisliche Verlesung der in das Messfoto „eingespielten“ Zahlen und Daten im Datenfeld des Messfotos festgestellt werden. Hier ließ sich eine Geschwindigkeit von 108 km/h ablesen. Die ordnungsgemäße Beschilderung, wie sie oben in den tatsächlichen Feststellungen genannt ist (wiederholte Beschilderung mit Zeichen 274 „70 km/h“) wurde von dem genannten Zeugen bestätigt. Er bestätigte sowohl den ordnungsgemäßen Aufbau des Messgerätes entsprechend der Bedienungsanleitung als auch die Kontrolle der Ordnungsgemäßheit der Beschilderung vor und nach dem Messeinsatz. Insoweit wurde ergänzend das Messprotokoll vom Tattage verlesen, aus dem sich ergab, dass keinerlei Besonderheiten bei der Messung zu verzeichnen waren. Der Zeuge erklärte, dass das Messgerät zur Tatzeit gültig geeicht gewesen sei. Bestätigt werden konnte dies durch Verlesung des sich bei der Akte der befindenden Eichscheins, der eine ordnungsgemäße Eichung vom 28.07.2011 gültig bis zum Ende des Folgejahres auswies.
    Anhaltspunkte für etwaige Messfehler oder Fehlbedienungen sind dem Gericht nicht bekannt geworden und wurden auch nicht geltend gemacht, so dass es nach den oben genannten Feststellungen von einer ordnungsgemäßen und verwertbaren Messung ausgehen konnte. Bei der mobilen Geschwindigkeitsmessanlage ES3.0 handelt es sich um einen sog. Einseitensensor des Herstellers eso. Die Grundausstattung des ES3.0 besteht aus einem Sensorkopf auf Stativ, einer Rechnereinheit mit Messkarte, einem berührungsempfindlichen Bildschirm, einer digitalen Fotoeinrichtung des Typs FE3.0 sowie entsprechendem Zubehör. Zur Verbesserung der Ausleuchtung des Fotobereichs, insbesondere bei Dunkelheit, wird eine Blitzeinheit BE1.1 verwendet. Mit dem System können Geschwindigkeitsmessungen mit Frontfotodokumentation zur Fahreridentifikation entweder gleichzeitig in beide Fahrtrichtungen (zu- und abfließend) oder für mehrere Spuren durchgeführt werden. Die Einzelmesswerte, die gleich oder größer als ein vorgewählter Geschwindigkeitsgrenzwert (im vorliegenden Falle:83 km/h) sind, bleiben im Rechner gespeichert und können per Speichermedium (USB2.0 Stick) auf einen anderen Rechner übertragen werden. Die Speicherung auf dem Speichermedium erfolgt automatisch bei Messende. Den Kern der Anlage bildet der Sensorkopf mit 5 optischen Helligkeitssensoren. Drei der fünf Sensoren überbrücken die Straße rechtwinklig zum Fahrbahnrichtungsverlauf, der vierte und fünfte dagegen schräg versetzt. Die Sensorebene mit allen fünf Sensoren ist in der Regel parallel zur Fahrbahn ausgerichtet, wobei die Blickrichtung des Sensors über die Straße je nach Einsatzbedingung auch abweichen kann. Das Messprinzip beruht bei dem ES3.0 auf einer„Weg – Zeitmessung“. Die Geschwindigkeit v eines Fahrzeuges ergibt sich dabei aus der Messbasis und der Zeit t, in der das zu messende Fahrzeug die Messbasis durchfährt. Bei der Durchfahrt wird in jedem der 5 Sensoren ein Helligkeitsprofil des gemessenen Fahrzeugs erfasst, digitalisiert und gespeichert. Aus den abgetasteten Helligkeitsprofilen der drei parallelen Sensoren wird der zeitliche Versatz ermittelt, um dann die Geschwindigkeit zu errechnen. Der Einseitensensor ES3.0 arbeitet vollautomatisch, nachdem er nach den Herstellerangaben entsprechend der Bedienungsanleitung aufgebaut wird).
    Nach alledem geht das Gericht unter Bezugnahme auf AG Lüdinghausen NZV 2009, 205 davon aus, dass es sich bei dem Einseitensensor ES3.0 um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne von BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081 handelt. Unter diesem Begriff ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1998, 321).
    Die ansonsten in Bußgeldverfahren mit dem ES0 ES 3.0-Messgerät anzutreffende Rüge einer nicht ordnungsgemäßen Dokumentation der Fotolinie wurde in dem hiesigen Verfahren nicht erhoben. Das Gericht konnte jedoch hiervon unabhängig die ordnungsgemäße Dokumentation der Fotolinie feststellen. Diese ist in ausreichendem Maße durch ein „Lübecker Hütchen“ auf dem entsprechenden Lichtbild dokumentiert. Insoweit wird auf das Lichtbild der Fotolinie Blatt 68 d. A. (oberes Lichtbild) gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen.
    Der Verteidiger hat der Verwertung des Messfotos widersprochen. Wegen des Aussehens des Messfotos wird auf Blatt 1 d.A. unten gemäß bereits genannter Vorschrift Bezug genommen. Hier ist das Fahrzeug des Betroffenen von hinten fotografisch festgehalten.
    Zudem widersprach der Verteidiger der Verwertung des Fahrerfotos, wegen dessen Aussehens ebenfalls auf Blatt 1 d. A., jedoch oben links, Bezug genommen wird. Dieses Fahrerfoto ist von einer WLAN – Kamera aufgenommen worden. Zunächst ist hierzu zu bemerken, dass das Fahrerfoto für die Verurteilung nicht notwendig war, da der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat. Im übrigen sind beide Fotos verwertbar.
    Der Verteidiger hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt um folgende Fragen zu klären:
    1.
    Enthält die im Rahmen der streitgegenständlichen Messung erstellte Datei persönliche Daten wie Bilder, etc.?
    2.
    Sind die Daten wirkungsvoll gegen den Zugriff Unbefugter gesichert?
    3.
    Können die Messdateien in die Hände Unbefugter gelangen?
    4.
    Ist die bei der Messung erstellte Datei gegen beabsichtigte und unbeabsichtigte Veränderungen geschützt?
    5.
    Kann daraus resultierend zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass die in der Messdatei gespeicherten Daten nicht an den der Messstelle erhobenen Daten entsprechend?
    Der Verteidiger machte hierbei geltend, die Authentizität der Daten, die den Bilddateien zu Grunde lägen seien nicht in ausreichendem Maße sichergestellt. Der Verteidiger hat hierzu im wesentlichen ausgeführt:
    „Im Umgang mit digitalen Daten bzw. Dateien und im Speziellen mit digitalen Fotos und Messdaten gibt es kein eindeutig bestimmbares Original. Eine Kopie einer Datei ist genauso gut oder schlecht wie die Datei, die kopiert wurde. Beide Exemplare der Dateien unterscheiden sich nicht. Es ist nach dem Kopiervorgang kein „ Original“ mehr festzustellen. Beim Umgang mit digitalen Daten ist es daher unumgänglich durch technische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Daten den tatsächlichen bei der streitgegenständlichen Messung erhobenen Daten entsprechen. Schlüsselkomponenten solcher technischer Maßnahmen sind der Nachweis der Integrität der Taten und der Authentizität der Datenquelle.
    Sowohl während der Speicherung auf dem Kamerachip als auch auf dem PC, insbesondere jedoch durch den tatsächlich erfolgenden Datentransfer per mobilen Datenträger besteht die Möglichkeit, dass die Daten manipuliert werden.
    Die einzige Sicherung gegen Manipulation ist die Verwendung einer sogenannten Signatur.
    Die hier eingesetzte Signatur entspricht aber nicht nur nicht dem aktuellen Stand der Technik, sondern ist technisch völlig unbrauchbar, vgl. Julian Backes in „Burhoff Neidel Grün – Messungen im Straßenverkehr 2. Auflage, Rd.Nr.: 607 ff – Integrität, Authentizität und Datenschutz bei digitalen Messdaten“.
    Für einen wirksamen Schutz ist es erforderlich, dass im Rahmen der Signatur deren Aussteller gespeichert wird.
    Dies erfolgt im vorliegenden Messverfahren nicht.
    Daher beweist die hier eingesetzte Signatur gerade nicht, wie erforderlich, dass die Daten nicht manipuliert wurden. Dadurch kann zwischen einer gefälschten und einer nicht gefälschten Datei nicht unterschieden werden.
    Da die Echtheit der Daten nicht sichergestellt werden kann, kann auch keine Aussage über die technische Korrektheit der Messung getroffen werden.“
    Diesen Beweisantrag hat das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückgewiesen, da die beantragte Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen zur Wahrheitserforschung nicht erforderlich war.
    Die seitens der Verteidigung behauptete Möglichkeit, dass die ausgewerteten Daten nicht authentisch sind, erschien dem Gericht nämlich als eine Behauptung „ins Blaue“. Es besteht nach der Vernehmung des Zeugen H kein Anlass, an der Authentizität der Bilddaten und der in das Messfoto eingespiegelten und urkundsbeweislich verlesenen Daten zu zweifeln. Eine bloße abstrakte Möglichkeit einer Datenveränderung reicht nicht aus, von einer tatsächlichen Änderung auszugehen. Nach pflichtgemäßem Ermessen bedurfte es daher keiner weiteren Klärung der durch den Beweisantrag aufgeworfenen Beweisfragen.
    Der Zeuge H erklärte, dass er bei der Polizei Coesfeld der einzige Beamte sei, der innerhalb der Polizei mit den Messdaten umgehe. Der Zeuge H konnte jedoch bestätigen, dass die Messdaten und Bilddateien zumindest 4 x kopiert würden bis sie die Bußgeldstelle erreichten. Eine erste Kopie findet statt, wenn die Daten per USB-Stick von dem Messgerät abgenommen würden. Eine zweite Kopie findet statt, durch Kopie der Daten von dem genannten USB-Stick auf den Auswerte-Laptop der Polizei. Eine dritte Kopie findet dann statt durch Übertragung der Daten von dem Auswertesystem auf einen weiteren USB-Stick, der dann dem Kreis Coesfeld zur weiteren Bearbeitung übersandt werde. Dort werde dann wieder eine Datenkopie vorgenommen zur Fertigung der einzelnen Bußgeldvorgänge.
    Das Gericht sieht durchaus in diesen vielen Kopiervorgängen eine Angriffsmöglichkeit, im Rahmen derer Daten verfälscht werden könnten. Es hat jedoch keinen Anlass daran zu denken, dass tatsächlich auch Daten verfälscht worden sind. Durch ein einfaches Kopieren von Lichtbilddateien werden diese in ihrem Inhalte grundsätzlich nicht verändert. Insbesondere findet sicherlich keine Veränderung dahin statt, dass das Fahrzeug des Betroffenen mit einer falschen Datenleiste versehen wird oder in der Datenleiste Änderungen vorgenommen werden, die andere Datenanzeigen verursachen.
    Anlass an willentliche Eingriffe Dritter zu denken mit dem Ziel, Daten bestimmter Betroffener zu manipulieren, gibt es ebenfalls nicht.
    Der Betroffene war dementsprechend wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und folgerichtig wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen, da er die aufgestellten Schilder hätte beachten und seine Geschwindigkeit hierauf hätte einstellen müssen.
    Die Ermächtigungsgrundlage für die Fertigung eines Messfotos ist sowohl in § 163b StPO als auch § 100h StPO zu sehen.
    Die hierfür im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelgeldbuße von 120 Euro war aufgrund der Voreintragungen angemessen auf 170 € zu erhöhen.
    Desweiteren war gegen den Betroffenen ein Regelfahrverbot festzusetzen aufgrund der Verwirklichung des Regelfahrverbot-Tatbestandes des § 4 Abs. 2 BKatV, durch den das Vorliegen einer beharrlichen Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs.1 StVG indiziert wird. Das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes entfiel nicht aufgrund tatbezogener Umstände. Insbesondere konnte ein Augenblicksversagen ausgeschlossen werden.
    Vielmehr war dem Betroffenen der Tatort bekannt. Die Mehrfachbeschilderung müsste den Betroffenen ebenfalls hinreichend warnen und spricht gegen ein momentanes Versagen. Zwar befand sich – wie dargestellt – das Messgerät zwischen der wiederholten „70 – km/h“ - Beschilderung, doch ist die B 58 an der fraglichen Stelle sehr breit ausgebaut und führt allmählich geschwungen an der Messstelle vorbei, so dass mehrere 100 Meter die Beschilderung vor Ort erkennbar ist, so dass sich jeder Fahrzeugführer hierauf einstellen kann und muss.
    Der Betroffene hat berufliche Härten geltend gemacht. Solche konnte das Gericht jedoch nicht feststellen. Der Verteidiger hat für den Betroffenen hierzu wie folgt vorgetragen:
    „Der Betroffene ist geschäftsführender Gesellschafter der X GmbH in L. Die Fa. X GmbH ist tätig im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaues, sowie im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Die Fa. X GmbH hat 10 Festangestellte.
    Der Betroffene selbst ist täglich im Betrieb tätig als Geschäftsführer und dort alleine für den Vertrieb zuständig. Er besucht die Kunden im Umkreis von etwa 200 km und betreibt die Akquise und die Abwicklung von Aufträgen.
    Dafür erwarten die Kunden eine absolute Flexibilität. Die Kunden werden teilweise auch abends und am Wochenende besucht. Beigefügt ist ein Ausdruck, aus dem sich die Lage der einzelnen Kunden ergibt.
    Da die Kunden teilweise in den Außenbereichen liegen, verkehrt dort auch keine öffentlichen Verkehrsmittel.
    Der Betroffene fährt etwa 60.000 km pro Jahr.
    Wir fügen als Anlage ein Fahrtenbuch bei, aus dem sich über einen Zeitraum von 4 Wochen die berufliche veranlassten Fahrten ergeben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass unter Mandat ist Ascheberg wohnt und öffentliche Verkehrsmittel nach L nicht bzw. nur eingeschränkt fahren, insbesondere frühmorgens, bzw. spät abends.
    Der Betroffene hat in der Vergangenheit maximal für die Dauer von 5 Tagen zusammenhängenden Urlaub genommen. Auf die beigefügte Bestätigung nehmen wird Bezug.“
    Das angegebenen Fahrtenbuch hat der Betroffene jedoch nicht vorgelegt, sondern lediglich eine Tabelle, in der er regelmäßige Fahrten täglich oder alle 2 Tage und unregelmäßige Fahrten, also häufig darlegen wollte. Tatsächlich erschöpft sich diese Liste (Blatt 88 d. A.) lediglich in einer Aufstellung von Geschäftsadressen von Geschäftspartnern, ohne das Fahrtzeiten und Fahrtstrecken sich hieraus entnehmen ließen. Der Betroffene hat zudem einen Einkommenssteuerbescheid vorgelegt, aus dem sich ein zu versteuerndes Einkommen von 31.866,00 Euro ergibt, eine Steuerlast von 6.221,00 Euro und ein Solidaritätszuschlag 342,15 Euro.
    Das Gericht erkennt, dass der Betroffene insoweit zwar nicht als Großverdiener einzustufen ist, jedoch durchaus in der Lage ist, über einen kleinen Kredit und eine ratenweise Rückzahlung einen Fahrer für die Dauer eines Monats zu finanzieren.
    Weiterhin hat der Betroffene den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 der X GmbH, gefertigt durch den Steuerberater A in Drensteinfurt vorgelegt. Hieraus ergibt sich – der Betroffene hat dies persönlich bestätigt - dass der Betroffene nicht nur einen Porsche, mit dem er gemessen wurde fährt, sondern auch noch einen VW-Multivan-Komfortline und einen Audi S 4 Quattro. In dem Punkt sonstige betriebliche Aufwendungen in der Gewinn und Verlust – Rechnung befinden sich zudem Fremdfahrzeugkosten in Höhe von 2298,70 Euro, bei denen es sich nach Auskunft des Betroffenen um Mietwagenkosten handelt. Der Jahresüberschuss des Betriebes des Betroffenen beläuft sich im Jahre 2011 auf 6.628,95 Euro.
    Angesichts der führenden Funktion des Betroffenen geht das Gericht davon aus, dass der Betroffene durchaus für sich selbst freie Wahl hat, ob er Urlaub in seinem Betrieb nimmt oder nicht und ob dieser Urlaub nur einige Tage dauert oder einen ganzen Monat. Hieraus kann er keine berufliche Härte konstruieren, zudem zeigen auch die dargestellten wirtschaftlichen Daten des Unternehmens, dass das Unternehmen durchaus für den Betroffenen einen Fahrer für die Dauer eines Monats zur Verfügung stellen könnte. Der Betroffene selbst kann als geschäftsführender Gesellschafter jederzeit hierüber disponieren. Im Übrigen zeigen die dargestellten Voreintragungen, dass der Betroffene unbedingt der Einwirkung eines Fahrverbotes bedarf, so dass selbst bei Vorliegen etwaiger beruflicher Härten ein Absehen vom Fahrverbot nicht vertretbar wäre.
    Das Gericht war sich insoweit auch darüber bewusst, dass gemäß § 4 Abs. 4 BKatV ein Absehen vom Fahrverbot unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße möglich ist. Angesichts der Voreintragungssituation erschien dies dem Gericht nicht vertretbar.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO, 46 OWiG.
    Ausgefertigt
    Justizbeschäftigte
    als Urkundsbeamter der
    Geschäftsstelle des Amtsgerichts
    Hinweis:
    Das OLG Hamm hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen durch Beschluss vom 27.9.2012 – III 4 RBs 255/12 ohne nähere inhaltliche Begründung gem. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.