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  • 11.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123738

    Amtsgericht München: Urteil vom 25.05.2012 – 283 C 2822/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht München

    Az. 283 C 2822/12

    In Namen des Volkes

    In dem Rechtsstreit XXX

    wegen Schmerzensgeld

    erlässt das Amtsgericht München durch XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2012 folgendes

    Endurteil

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 1.860,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte wegen einer in einem Geschäftslokal der Beklagten erlittenen Verletzung geltend.

    Die Beklagte betreibt eine Supermarktkette. Die Klägerin befand sich am 1.12.2010 in der Supermarktfiliale der Beklagten in der XXX um Einkäufe zu erledigen. Als sie aus einer auf einem Flur des Geschäfts stehenden Flaschenpyramide eine in ca. 1 Meter Höhe stehende Henkelflasche Rum entnahm, schnitt sie sich in den Mittelfinger der rechten Hand. Der Henkel oder der Flaschenhals war, was die Klägerin vorher nicht bemerkt hatte, zerbrochen. Ein Mitarbeiter der Beklagten versorgte die Wunde vor Ort; einen Arzt suchte die Klägerin nicht auf. Mit Schreiben vom 2.01.2012 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, deren Ausgleich die Beklagte ablehnte.

    Die Klägerin macht geltend, sie sei Marcumar-Patientin, deshalb habe die Wunde die ganze Nacht geblutet und 2 bis 3 Wochen zur Heilung gebraucht. Sie habe unter starken Schmerzen gelitten und keine Hausarbeiten erledigen können, weshalb sie eine Haushaltshilfe habe beschäftigen müssen, für die Kosten in Höhe von 860,00 € angefallen seien. Als Schmerzensgeld sei ein Betrag von mindestens 1.000,00 € anzusetzen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte habe wegen der unterlassenen Beseitigung der zerbrochenen Flasche ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Angestellten hätten entweder den Schaden an der Flasche fahrlässig beim Aufstellen der Pyramide nicht bemerkt oder die erforderliche Kontrolle der Pyramide unterlassen.

    Die Klägerin beantragt:
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, das jedoch mindestens 1.000,00 € beträgt.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 860,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.01.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 € zu bezahlen.

    Die Beklagte beantragt:
    Klageabweisung.

    Die Beklagte trägt vor, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei nicht erkennbar, ein Schmerzensgeld für Bagatellverletzungen nicht geschuldet. Selbst wenn die von der Klägerin behauptete verzögerte Wundheilung so stattgefunden habe, liege hier aufgrund des von der Klägerin unterlassenen Arztbesuchs überwiegendes Mitverschulden der Klägerin vor, das eine Schadensersatzpflicht der Beklagten ausschließe.

    Im Übrigen wird zur Ergänzung des Parteivorbringens Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2012.

    Entscheidungsgründe

    I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte.

    Zwar oblag der Beklagten gegenüber der Klägerin wegen der Eröffnung des Verkehrs im Geschäftslokal eine Verkehrssicherungspflicht, also die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar sind, um eine Schädigung der Klägerin möglichst zu verhindern (Palandt, BGB, § 823 Rn. 46 m.w.N.).

    Dabei musste die Beklagte allerdings nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, es genügten diejenigen Vorkehrungen, die nach dem konkreten Umständen zur Beseitigung einer Gefahr erforderlich und zumutbar waren. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Die Zumutbarkeit schließt auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit ein (vgl. Palandt, BGB, § 823 Rn. 51 m.w.N.).

    Haftungsbegründend wird eine Gefahrenquelle jedoch erst, sobald sich aus der zu verantwortenden Situation vorausschauend für einen sachkundig Urteilenden die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden können (Palandt, BGB, § 823 Rn. 46 m.w.N.).

    Dies ist hier nicht der Fall. Denn auch nach dem Vortrag der Klägerin konnte sie beim Herausnehmen der Flasche eine Beschädigung an dieser nicht erkennen. Dies muss auch für die Beklagte gelten, die nicht damit rechnen musste, dass sich eine unbemerkt zerbrochene Flasche in der Pyramide befinde und damit keinen Anhalt für das Bestehen einer nahe liegenden Gefahr im Bereich der Flaschenpyramide hatte. Denn im Regelfall zerbrechen Flaschen vollständig.

    Die besondere Aufstellung der Flaschen hat im konkreten Fall keine Rolle für den Schadenseintritt gespielt, der auch bei einer Positionierung im Regal ebenso hätte eintreten können.

    Eine Gefährdungshaftung des Geschäftsinhabers oder ein Einstehenmüssen für jeglichen Schaden, den eine Kunde in einem Geschäftslokal erleidet, ist vom Gesetz nicht vorgesehen.

    II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
    III: Der Beschluss über den Streitwert ergibt sich aus § 3 ZPO, § 63 Abs. 2 GKG.