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  • 12.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141648

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 27.01.2014 – III-3 RVs 4/14

    1. Der Versicherungsnehmer eines Kraftfahrzeugs ist nicht verpflichtet, die Finanzbehörde über die Beendigung des Haftpflichtversicherungsvertrages zu unterrichten. Der Wegfall der Pflichtversicherung ist kein steuerlich bedeutsamer Sachverhalt i.S.d. § 370 AO.
    2. Das Gestatten des Gebrauchs i.S.d. § 6 Abs. 1 PflichtVG erfordert, dass der Gestattende gegenüber dem Gebrauchenden ein übergeordnete Sachherrschaft an dem Fahrzeug hat; eine Ermöglichung des Gebrauchs reicht nicht aus.


    OLG Düsseldorf

    27.01.2014

    III-3 RVs 4/14

    Tenor:
    Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung- auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
    Gründe
    I.
    Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts W. vom 28. Mai 2013- unter Freisprechung im Übrigen - wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt worden; zudem ist der Fahrzeugschein eingezogen worden. Seine Berufung hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
    II.
    Die zulässige Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
    Die Feststellungen tragen weder den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung noch den wegen eines (vorsätzlichen) Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz.
    1.Soweit der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt worden ist, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen. Denn der Angeklagte hat die Finanzbehörden nicht pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch Steuern verkürzt. Dass der Angeklagte seiner Pflicht zur Zahlung von Kraftfahrzeugsteuer vor dem Jahre 2007 nicht nachgekommen ist, hat das Landgericht nicht festgestellt. Gegenüber den Finanzbehörden war er nicht zur Angabe verpflichtet gewesen, dass er keine Versicherung mehr für das Motorrad unterhalte. Denn dies ist kein steuerlich relevanter Sachverhalt. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen der Kraftfahrsteuer. Steuerschuldner ist die Person, für die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist, § 7 Nr. 1 KraftStG. Grundsätzlich dauert die Steuerpflicht bei einem Fahrzeug, solange dieses zum Verkehr zugelassen ist, § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG. Das Fahrzeug war zunächst auf den Angeklagten zugelassen. Nachdem die Zulassungsbehörde durch eine Anzeige des Versicherers Kenntnis erlangt hatte, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht, setzte sie am 6. Mai 2008 von Amts wegen das Fahrzeug außer Betrieb. Damit endete die Zulassung des Fahrzeuges. Das Kennzeichen des Motorrades wurde aber erst am 20. November 2012 entstempelt, die Eintragung der Abmeldung im Fahrzeugschein sogar noch später vorgenommen. Wie sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 KraftStG ergibt, endet die Steuerpflicht desjenigen, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, erst mit der Eintragung der Außerbetriebsetzung in den Fahrzeugschein und der Entstempelung des Kennzeichens. Dass der Angeklagte den Finanzbehörden keine Mitteilung über die Abmeldung des Fahrzeuges hat zukommen lassen, führte damit nicht zu einer Steuerverkürzung, vielmehr bestand die Steuerpflicht fort.
    Soweit der Angeklagte Steuerrückstände in Höhe von 70 € nicht beglichen hat, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies den Tatbestand des § 370 AO erfüllen könnte. Das schlichte Nichtzahlen einer Steuerschuld fällt nämlich nicht darunter (Hübschman/Hebb/Spitaler, § 370 AO Rn. 65 m. w. N.). Eine Verpflichtung des Angeklagten, die Finanzbehörden an den Erlass von Kraftfahrzeugsteuerbescheiden für die Jahre ab 2008 zu erinnern, bestand ebenfalls nicht. Sämtliche steuerlich relevanten Daten waren der Behörde bekannt. Dass diese möglicherweise aufgrund der Mitteilung des Straßenverkehrsamtes über die Zwangsstillegung keine Steuern erhoben hat, ist dem Angeklagten nicht anzulasten.
    2.Die Feststellungen des angefochtenen Urteils rechtfertigen auch keine Verurteilung wegen eines (vorsätzlichen) Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 PflVG. Der objektive Tatbestand der Vorschrift setzt voraus, dass der Täter den Gebrauch eines Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen oder Plätzen "gestattet", obwohl für das Fahrzeug der nach § 1 PflVG erforderliche Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr besteht. Der Begriff "Gestatten des Gebrauchs" erfordert, dass der Gestattende gegenüber dem Gebrauchenden eine übergeordnete Sachherrschaft an dem Fahrzeug hat, mit der Folge, dass der Fahrer, wenn er das Fahrzeug ohne oder gegen den Willen dieser Person gebraucht, sich ihr gegenüber rechtswidrig verhält (vgl. BGH NJW 1974, 1086; BayObLG VRS 15, 393; OLG Köln, Beschluss vom 18. Juni 2013 - III-1 RVs 111/13 -, [...]; OLG Stuttgart VRS 19, 213; OLG Jena VRS 107, 220 [221]; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., vor § 23 FZV Rn. 16; Lampe, in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, K 180 PflVG § 6 Rn. 12). Dass der Gebrauch nur ermöglicht wird, reicht zur Strafbarkeit nicht aus. Die Sachherrschaft des Gestattenden über das Fahrzeug muss auch noch in dem Zeitpunkt fortbestehen, in dem es im öffentlichen Verkehr gebraucht wird.
    Nach den Urteilsfeststellungen wurde das Motorrad zumindest im Tatzeitraum ab 2007 von der Schwester des Angeklagten gefahren. Dass der Angeklagte nach Wegfall des Haftpflichtversicherungsschutzes in der Lage gewesen ist, Einfluss auf den Gebrauch des Fahrzeuges zu nehmen - insbesondere ob er seiner Schwester den Gebrauch hätte untersagen können -, ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen nicht. Insoweit wird das Landgericht noch weitere Feststellungen zu treffen haben.
    Für den Fall der erneuten Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen§ 6 PflichtVG weist der Senat darauf hin, dass der Urteilsspruch erkennen lassen muss, ob der Verstoß fahrlässig oder vorsätzlich begangen wurde (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 24 m. w. N.).

    RechtsgebieteKraftStG, AO, PflVGVorschriftenKraftStG §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1, 7 Nr. 1, AO § 370 Abs. 1 Nr. 2, PflVG §§ 1, 6 Abs. 1