31.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142281
Landgericht Berlin: Urteil vom 11.04.2014 – 506 Qs 43/14
Zur Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchung im Bußgeldverfahren
Geschäftsnummer 506 Qs 43/14
Bußgeldsache
In pp.
wegen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung
hat die Strafkammer 6 des Landgerichts Berlin am 11. April 2014 als Kammer für Bußgeldsachen beschlossen:
Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des in Berlin vom 6. Februar 2014 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffen n insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe:
Das Bezirksamt Mitte von-Berlin ermittelt gegen den Betroffenen wegen mehrfacher Verstöße gegen die Gewerbeordnung sowie das Berliner Straßengesetz. Der Betroffene soll ohne Reisegewerbekarte auf öffentlichem Straßenland am Potsdamer Platz Berlin-Mitte wiederholt in der Uniform eines Mitgliedes der Grenztruppen der DDR aufgetreten sein und an einem Stand diverse Dienstleistungen angeboten haben (u. a. Anbieten von Postkarten und Mustervisa der DDR, „Erteilung von Visa“ durch Stempelungen mit Hoheitszeichen der DDR auf Schriftstück). Als Entlohnung soll der Betroffene um eine Spende gebeten haben in Höhe von jeweils etwa 2,50 bis 6,00 Euro. Das Bezirksamt sieht darin eine unerlaubte Reisegewerbetätigkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 GewO und eine unerlaubte Sondernutzung des öffentlichen Straßenlandes gem. § 11 Abs. 1 BerlStrG.
Auf Antrag des Bezirksamtes erließ das Amtsgericht Tiergarten am Februar 2014 einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohn- Geschäfts- und Nebenräume des Betroffenen. Auf die Begründung des Beschlusses wird verwiesen. Die Durchsuchung erfolgte am 6. März 2014. Diverse Beweismittel wurden beschlagnahmt.
Mit der Beschwerde macht der Betroffene unter anderem geltend, dass der Beschluss gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot des Grundgesetzes verstieße. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 10. März 2014 verwiesen.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen ist unverhältnismäßig und der Beschluss deshalb rechtswidrig.
Die bisherigen Ermittlungen haben zwar den Verdacht ergeben, dass der Betroffene wiederholt gegen die GewO und das BerlStrG verstoßen haben könnte und deshalb mehrfach den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht hat.
Angesichts der letztendlich geringfügigen Vorwürfe ist die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume des Betroffenen jedoch unverhältnismäßig. Sie steht nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Vorwurfs. Denn eine solche Maßnahme betrifft den gem. Art. 13 GG verfassungsmäßig besonders geschützten Bereich der privaten Lebenssphäre. Der Eingriff hat erhebliches Gewicht und darf nur dann angeordnete werden, wenn er zur Schwere und Bedeutung der Vorwürfe nicht unangemessen ist .
Die Vorwürfe, die dem Betroffene gemacht werden, wiegen nicht besonders schwer. Sie sind eher dem unteren Bereich der Verstöße im Bereich der Ordnungswidrigkeiten zuzurechnen, auch wenn sie angesichts der historischen, städtebaulichen und touristischen Bedeutung des Potsdamer Platzes oder ähnlich prominenter Orte in Berlin gegenüber anderen gleichartigen Verstößen etwas herausgehoben sind. Das in § 145 Abs. 4 GewO-angeordnete Höchstmaß der Geldbuße wird aber angesichts der bisher ermittelte Umstände nicht annähernd ausgeschöpft werden, sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen. Es ist vielmehr eine Buße zu erwarten, die sich eher im unteren Bereich des Rahmens bewegt.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass mildere Mittel nicht auch geeignet wären, den Verdacht der Verstöße gegen die GewO und das BerlStrG zu erhärten. Die Anordnung der Durchsuchung war nicht erforderlich. Denn in der Vergangenheit ist der Betroffene bereits mehrfach bei seinen Tätigkeiten am Potsdamer Platz aufgegriffen worden und seine Materialien wurden beschlagnahmt.. Es-erschließt sich der Beschwerdekammer nicht, dass zur weiteren Sachaufklärung - auch wenn es seitens des Bezirksamtes sicherlich wünschenswert wäre, die Ermittlungsergebnisse zu erweitern und zu untermauern -- die Durchsuchung der Wohnräume als ultima ratio unerlässlich wäre, auch wenn die Erwartung bestand, weitere Beweismittel zu finden. Allein diese Erwartung rechtfertigt angesichts der Schwere des Eingriffs nicht die Maßnahme. Die bisherigen Ermittlungen haben bereits umfangreich Ergebnisse erbracht. So wurde der Betroffene bei seiner Tätigkeit bereits fotografiert und auch Tatmittel sichergestellt und beschlagnahmt.