31.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142286
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 12.05.2014 – 2 O 9/14
Die Gewähr für die Wahrnehmung der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen kann im Hinblick auf die nach § 48 Abs. 4 Nr. 2a, § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV zu treffende Prognose auch dann fehlen, wenn der Betroffene zweimal wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Die Straftaten müssen nicht im öffentlichen Raum begangen worden sein.
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn ...
Kläger und Beschwerdeführer,
Proz.-Bev.: Rechtsanwalt ...
gegen
den Kreis Rendsburg-Eckernförde - Der Landrat -, Fahrerlaubnisbehörde, Kaiserstraße 8, 24768 Rendsburg,
Beklagter und Beschwerdegegner,
Streitgegenstand: Personenbeförderungsrecht hier: Prozesskostenhilfe
hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 12. Mai 2014
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 3. Kammer -vom 25.03.2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. März 2014, mit dem sein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung für Taxen und Mietwagen und für die Fahrerlaubnisklassen D1, D1E, D und DE gerichteten Klage abgelehnt worden ist, kann keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht mit der Begründung abgelehnt, dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Senat teilt die vorgenommene Einschätzung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach Ansicht der Beschwerde hätte das Verwaltungsgericht nicht ohne Einholung eines psychiatrischen Sachverständigen davon ausgehen dürfen, dass der Kläger seine Taten nicht psychisch aufgearbeitet habe; er habe die Straftaten nur auf Anraten eines älteren Taxifahrerkollegen geleugnet. Zudem habe der Kläger die Sexualstraftaten in der Wohnung und nicht im Straßenverkehr begangen, so dass aus ihnen nicht auf sein Verhalten im Straßenverkehr geschlossen werden könne.
Die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung darf nur erteilt werden, wenn der Betroffene die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird (§ 48 Abs. 2 Nr. 2a, § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV). Ob beim Kläger diese Voraussetzungen vorliegen, ist durch Würdigung seiner Gesamtpersönlichkeit anhand aller bekannten verwertbaren Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verkehrsrechtlicher und nichtverkehrsrechtlicher Art sowie sonstiger Vorkommnisse zu beurteilen. Bei Verfehlungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Personenbeförderung stehen, kommt es darauf an, ob sie Charaktereigenschaften offenbaren, die sich auch bei der gewerblichen Beförderung zum Schaden der Fahrgäste auswirken können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1986 - 7 B 19.86 -, NJW 1986, S. 2779, [...] Rn. 3; VGH Mannheim, Beschluss vom 17. April 1989 - 10 S 750/89 -, [...] Rn. 4; OVG Münster, Beschluss vom 25. August 1998 - 19 A 3812/98 - [...] Rn. 10, OVG Berlin, Beschluss vom 15. April 2009 - 1 S 172.08 - [...] Rn. 6).
Nach diesem Maßstab ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Klägers in Würdigung seiner Gesamtpersönlichkeit zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nicht mehr erfüllt. Der Kläger ist zweimal - 1999 und 2006 - rechtskräftig wegen sexuellen bzw. schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bereits diese beiden Verurteilungen und die darauf beruhende Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Klägers rechtfertigen die Prognose, dass er nicht mehr die Gewähr dafür bietet, der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht zu werden.
Die Gewähr für die Wahrnehmung der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen fehlt im Hinblick auf die nach § 48 Abs. 2 Nr. 2a, § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV zu treffende Prognose bereits dann, wenn Tatsachen vorliegen, welche die ernsthafte Befürchtung rechtfertigen, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung die besonderen Sorgfaltspflichten, die ihm bei der Beförderung ihm anvertrauter Personen obliegen, künftig missachten werde. Nicht erforderlich ist, dass die Verfehlungen bei oder während der Personenbeförderung begangen worden sind (ebenso OVG Berlin, Beschluss vom 15. April 2009 a.a.O.). Diese Gewähr kann auch dann fehlen, wenn die Verletzung von Vorschriften zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung im Raum steht. Die Gefahr der erneuten Begehung solcher Straftaten beeinträchtigt das Sicherheitsinteresse der Fahrgäste, die sich dem Kläger bei einer Fahrt anvertrauen und sich einer etwaigen Gefährdung nicht ohne weiteres entziehen können. Ein gesteigertes Gefährdungspotential ergibt sich hier daraus, dass die vom Kläger begangenen Straftaten gegen Minderjährige gerichtet waren, die auch und gerade bei der Fahrgastbeförderung eines erhöhten Schutzes bedürfen. Unerheblich ist außerdem, dass die vom Kläger begangenen Straftaten - bislang - nicht in der Öffentlichkeit, sondern in seiner Wohnung begangen wurden.
Einen weiteren Aufklärungsbedarf - etwa durch Anordnung einer Begutachtung nach § 11 Abs. 3 Nr. 8 FeV - hat das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund zutreffend mit Verweis auf die Ausführungen im rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts Kiel vom 19. Juli 2006 verneint. Dass es daneben auch darauf verweist, dass der Kläger die 2006 abgeurteilten Straftaten gegenüber dem Beklagten geleugnet habe - hierzu soll ihm ausweislich der nicht näher verifizierten Beschwerdebegründung ein Taxifahrer geraten haben -, und hieraus auf eine fehlende Aufarbeitung der Straftaten schließt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Weshalb es hierfür der Einholung eines psychiatrischen Gutachtens bedurft hätte, erschließt sich dem Beschwerdegericht nicht; dies gilt unabhängig davon, dass die fehlende Aufarbeitung nur ein zusätzliches Argument des Verwaltungsgerichts für die Entbehrlichkeit der Anordnung einer Begutachtung darstellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie auf § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.