31.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144137
Amtsgericht Königs Wusterhausen: Beschluss vom 17.03.2015 – 2.4 OWi 282/14
Zum Akteneinsichtsrecht des Verteidigers in einen (vollständigen) Messfilm.
2.4 OWi 282/14
Amtsgericht Königs Wusterhausen
Beschluss
In der Bußgeldsache/Antrag auf gerichtliche Entscheidung
xxx
wegen
Geschwindigkeitsüberschreitung
hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen durch den Richter am Amtsgericht am 17.03.2015
beschlossen:
Der Verwaltungsbehörde wird aufgegeben, dem Verteidiger eine Kopie des vollständigen Messfilms/der Messdatei der maßgeblichen Messung vom 06.06.2014 auf einem vom Verteidiger zu übergebenden geeignetem Medium zur Verfügung zu stellen.
Die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Landeskasse zur Last.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe:
Gegen den Betroffenen und Antragsteller (im folgenden Antragsteller) wurde wegen einer zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung am 06.06.2014 in der Ortslage Schönefeld mit Datum vom 09.10.2014 ein Bußgeldbescheid erlassen.
Bereits mit Schreiben vom 02.10.2014 beantragte der Verteidiger nach erfolgter Akteneinsicht ihm u. a. den vollständigen Messfilm und die Bedienungsanleitung des zum Einsatz gekommenen Gerätes zur Verfügung zu stellen.
Nach Zusendung der Bedienungsanleitung lehnte die weitere Beteiligte mit Schreiben vom 06.10.2014 die Zusendung des Messfilms ohne „entsprechenden Gerichtsbeschluss" ab, verwies jedoch den Verteidiger auf die Möglichkeit der Einsicht in den Diensträumen der Verwaltungsbehörde.
Der Verteidiger wiederholte mit Schreiben vom 08.01.2014 sein Begehren nach dem Messfilm bzw. der Datei und kündigte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung für den Fall weiterer Ablehnung an.
Hiermit korrespondiert sein Einspruch gegen den am 10.10.2014 zugestellten Bußgeldbescheid.
Der Antrag ist gemäß § 62 OWiG zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.
Die Frage, ob die Nichtherausgabe kompletter Messreihen die Verteidigung unzulässig beschränkt, ist in der Vergangenheit von diversen Gerichten, teilweise konträr, entscheiden worden. Mittlerweile geht die Mehrheit davon aus, dass insoweit Akteneinsichtsrecht besteht (so z. B. AG Cottbus, Beschluss vom 14.09.2012 zu 83 OWi 1122/12 m. w. N.; AG Stuttgart, Beschluss vom 29. Dezember 2011 zu 16 OWi 3433/11).
Gleichwohl sind zwei Punkte zu beachten, nämlich die Zumutbarkeit und schließlich auch die Validität.
Bis zu einem bestimmten Umkreis wird der Verteidigung zumutbar sein, den Messfilm bzw. das entsprechende Medium in den Räumen der Verwaltungsbehörde einzusehen. Da die Entfernung der Kanzlei des Verteidigers zur weiteren Beteiligten je nach Streckenwahl rund 30 Kilometer beträgt, wäre das wohl zumutbar, allerdings bleibt die Frage, ob der Verteidiger von der Akteneinsicht in den Räumen der Verwaltungsbehörde ohne ggf. Sachverständigenbeteiligung, Kopiermöglichkeiten ... „etwas hat". Auch dem überdurchschnittlich versierten Rechtsanwalt (oder sogar Fachanwalt) wird nicht abzuverlangen sein, dass er einem Sachverständigen gleich ganze Messreihen auswertet. Seine Feststellungen würden im Rahmen der Hauptverhandlung gleichwohl nur Verteidigervorbringen bleiben und das Gericht könnte trotzdem nicht auf eine Beweiserhebung durch Gutachten verzichten.
Beachtlich ist aber, dass eben nur Einsichtsrecht in die allgemeine Messdatei besteht, wobei für das Übertragungsmedium bitte der Verteidiger zu Sorgen hat.
In diesem Zusammenhang scheint die Entscheidung des AG Schleiden, (Beschluss vom 23. Oktober 2012 zu 13 OWi 140/12 (b) ) beachtlich, wonach z. B. der Verteidiger keinen Anspruch darauf hat, die Messreihe in einem allgemein lesbaren Format zu erhalten. Kurz: Einsichtsrecht besteht, daraus tatsächlich Nutzen zu ziehen, ist Sache des Verteidigers.
Das vereinzelt vorgebrachte Datenschutzargument steht dem nicht entgegen. Der Verteidiger wird bei Einsicht in die gesamte Messreihe zwangsläufig auch die anderen Fahrzeuge sehen, welche die Messung ausgelöst haben. Ob hierbei tatsächlich Erkenntnisse gewonnen werden, deren Missbrauch gegenüber den anderen Fahrzeugführern zu befürchten ist, darf bezweifelt werden. Mindestvoraussetzung dürfte sein, dass der Einsicht nehmende spontan ein Fahrzeug erkennt.