11.03.2016 · IWW-Abrufnummer 146589
Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 18.12.2015 – 13 S 128/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
13 S 128/15
4 C 544/14 (55) Amtsgericht St. Wendel
verkündet am 18.12.2015
LANDGERICHT SAARBRÜCKEN
URTEIL
Im Namen des Volkes
xxx
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2015
durch den Präsidenten des Landgerichts ………., den Richter am Landgericht ……… und die Richterin am Landgericht …………..
für R e c h t erkannt:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 30. Juni 2015 – 4 C 544/14 (55) – teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 379,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24. Juli 2014 sowie 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 5. September 2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 60% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 40%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 24. Juni 2014 auf dem Parkplatz des ……. Marktes in ……… ereignet hat.
Das klägerische Fahrzeug stand in einer Parktasche. Als die Zeugin ………. von innen die Fahrertür des klägerischen Fahrzeugs öffnete, kam es zur Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug.
Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, die Zeugin ……… habe sich zuvor vergewissert, dass sich von hinten kein Fahrzeug nähere. Es sei zur Kollision gekommen, als die Erstbeklagte in die links neben dem klägerischen Fahrzeug befindliche Parklücke eingefahren sei.
Mit der Klage hat der Kläger seinen Schaden in behaupteter Höhe von 1.621,14 € Reparaturkosten, 250,00 € Wertminderung und 26,00 € Unkostenpauschale zu 1/2, entsprechend 948,57 € nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen hieraus geltend gemacht.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben behauptet, die Zeugin ……. habe die Tür erst geöffnet, als das Beklagtenfahrzeug bereits gestanden habe.
Das Erstgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zeugin ……. habe den Unfall durch einen Verstoß gegen die beim Öffnen der Tür gebotene Sorgfalt verursacht. Auf Seiten der Beklagten sei ein Verkehrsverstoß nicht nachweisbar. Auch die Betriebsgefahr sei auf Beklagtenseite nicht in Ansatz zu bringen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er rügt, die Erstbeklagte habe den Unfall mitverursacht, weil sie in die freie Parktasche eingefahren sei, obwohl mit dem Öffnen der Tür zu rechnen gewesen sei.
Die Beklagten verteidigen die angegriffene Entscheidung.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung hat in der Sache einen Teilerfolg.
1. Das Erstgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil der Unfallschaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden ist, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der unfallbeteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Das ist zutreffend und wird mit der Berufung nicht angegriffen.
2. Im Rahmen der danach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Haftungsabwägung hat das Erstgericht mit Recht zu Lasten des Klägers einen Verstoß der Zeugin ……….. gegen die beim Türöffnen gebotene Sorgfalt festgestellt.
a) Zutreffend und von der Berufung unangegriffen hat das Erstgericht angenommen, auf dem Parkplatz gelte die StVO. Die StVO regelt und lenkt den Verkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Öffentlich ist ein Verkehrsraum, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 – 4 StR 401/11, NZV 2012, 394; Kammerurteil vom 7. Mai 2010 – 13 S 14/10). Eröffnet der Betreiber eines Einkaufsmarktes – wie hier – einen da-zugehörigen Parkplatz für die Allgemeinheit, so sind diese Voraussetzungen jedenfalls zu den Öffnungszeiten des Einkaufsmarktes unabhängig davon erfüllt, ob die Geltung der StVO durch eine vorhandene Beschilderung ausdrücklich angeordnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1985 – III ZR 53/84, VersR 1985, 835; BGH, Urteil vom 9. März 1961 – 4 StR 6/61, BGHSt 16, 7, 10; Kammerurteil vom 21. November 2014 – 13 S 132/14).
b) Wie das Erstgericht in der Sache ebenfalls zutreffend erkannt hat, findet § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Denn diese Vorschrift, die ein Höchstmaß an Sorgfalt von dem Aussteigenden verlangt, schützt den fließenden Verkehr (vgl. OLG Frankfurt OLGR 2009, 850 ff.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 14 Rn. 5; Kammer, Urteile vom 22. Februar 2013 – 13 S 202/12, NZV 2013, 594 und vom 23. Januar 2008 – 13 S 165/08; in der Sache auch OLG Karlsruhe VersR 2012, 875). Allerdings trifft den Aussteigenden auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird (vgl. Kammerurteil vom 23. Januar 2009 aaO; Hinweisbeschluss der Kammer vom 3. November 2014 – 13 S 140/14). Dabei können auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe, die im fließenden Verkehr gelten, jedenfalls sinngemäß herangezogen werden, sofern sich in einem bestimmten Verkehrsverhalten die besondere Gefährlichkeit gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern niederschlagen kann. Aus diesem Grund hat auch der Ein- und Aussteigende auf öffentlichen Parkplätzen – anders als auf privaten Parkflächen, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist – besondere Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen (vgl. Hinweisbeschluss der Kammer vom 26. Oktober 2015 – 13 S 143/15).
c) Wie das Erstgericht zu Recht und von der Berufung unangegriffen festgestellt hat, hat die Zeugin …….. gegen diese Pflicht verstoßen. Unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte sie den rückwärtigen Verkehr notfalls über den gesamten Vorgang des Türöffnens hinweg beobachten müssen. Dass sie diesen Anforderungen nicht genügt hat, ergibt sich schon daraus, dass sie das Beklagtenfahrzeug vorkollisionär nicht wahrgenommen hat.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Feststellung des Erstgerichts, ein Sorgfaltsverstoß der Erstbeklagten lasse sich nicht nachweisen.
a) Allerdings hat auch der Einparkende nach § 1 Abs. 2 StVO auf den neben seiner Parklücke befindlichen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Dabei sind an die Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz in eine rechtwinklig zur Durchfahrtrichtung angeordnete Parklücke ein-parken will, keine geringeren Sorgfaltsanforderungen zu stellen als an den Fahrer oder Mitfahrer eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2009, 3038). Insbesondere wenn der Einfahrende konkreten Anlass dafür hat, mit einem Türöffnen des bereits eingeparkten Fahrzeugs zu rechnen, muss er danach noch vorsichtiger als ohnehin schon geboten in die daneben liegende Parktasche einfahren (vgl. Hinweisbeschluss der Kammer vom 3. November 2014 – 13 S 140/14).
b) Danach durfte die Erstbeklagte hier zwar nur mit gesteigerter Vorsicht in die Parklücke einfahren. Da die Zeugin ……… in dem klägerischen Fahrzeug saß, musste die Erstbeklagte nämlich damit rechnen, dass diese die Tür öffnen würde. Zu Recht hat das Erstgericht jedoch nicht feststellen können, dass die Erstbeklagte gegen diese Pflicht verstoßen hat. Ausgehend von den unangegriffenen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen verbleibt hier die Möglichkeit, dass das Beklagtenfahrzeug mit dem Außenspiegel bereits an der Türhinterkante des klägerischen Fahrzeugs vorbeigefahren war, als es zur Kollision kam. Unter diesen Umständen kann aber nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Erstbeklagte angemessen langsam in die Parklücke eingefahren ist und die Tür erst geöffnet wurde, als die Erstbeklagte eine Kollision nicht mehr durch ein Ab-bremsen oder ein Warnzeichen hätte verhindern können. Dies fällt in die Beweislast des Klägers.
4. Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt zu einer Haftungsverteilung von 80% zu 20% zulasten des Klägers. Denn der Verstoß der Zeugin …….. gegen die besonderen Pflichten beim Türöffnen wiegt schwer (Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteil vom 29. Mai 2009 – 13 S 181/08 – und Hinweisbeschluss vom 3. November 2014 – 140/14). Allerdings tritt die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs unter den gegebenen Umständen nicht hinter diesen Versto ß zurück. Dass es beim Einfahren in eine Parklücke zu einer Kollision mit einer sich öffnenden Tür kommt, gehört zu den typischen, mit dem Betrieb des einfahrenden Fahrzeugs verbundenen Gefahren auf einem Parkplatz. Ein Zurücktreten dieser Betriebsgefahr kommt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu Parkplatzunfällen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verschulden des Unfallgegners durch besondere Umstände erschwert ist (Kammer, Urteile vom 27. Mai 2011 – 13 S 25/11, Schaden-Praxis 2012, 66; vom 19. Oktober 2012 – 13 S 122/12, RuS 2013, 199; vom 7. Juni 2013 – 13 S 31/13, NJW-RR 2013, 1249 und vom 18. Juli 2014 – 13 S 75/14, NZV 2014, 572). Solche besonderen Umstände sind hier indes nicht nachgewiesen.
5. Der Kläger kann danach anteiligen Ersatz des ihm entstandenen Sachschadens, dessen unfallbedingte Verursachung durch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen belegt ist, in Höhe von 1.621,14 € Reparaturkosten und einer Wertminderung von 250,- € zzgl. einer Unkostenpauschale von 25,- € (Kammer, st. Rspr.; vgl. zuletzt Urteil vom 3. Juli 2015 – 13 S 26/15), mithin 1.896,14 € zu 20 %, entsprechend 379,23 € nebst gesetzlichen Zinsen (§§ 288, 280 BGB) und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (§§ 2, 13 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VVRVG) hieraus von 58,50 € (1,3-Geschäftsgebühr) + 11,70 € (Pauschale) + 13,34 € (USt.) = 83,54 € ersetzt verlangen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §3 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).