Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 28.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193566

    Amtsgericht Esslingen: Beschluss vom 02.05.2016 – 3 OWi 829/15

    Dem Verteidiger ist Akteneinsicht in die Messdateien im Original-Dateiformat und die Kalibrierungsfotos zu gewähren. Der Betroffene bzw. sein Verteidiger hat der Bußgeldbehörde hierfür geeignete Speichermedien zur Verfügung zu stellen, die sodann bespielt dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen sind.


    Aktenzeichen: 3 OWi 829/15

    Amtsgericht Esslingen

    Beschluss

    In dem Bußgeldverfahren gegen
    Verteidiger:
    Rechtsanwalt Matthias Nau, Alleenstrasse 81, 73230 Kirchheim, Gz.: 396/15 MA 10 MA/16.12.2015

    wegen Ordnungswidrigkeit

    hat das Amtsgericht Esslingen durch den Richter am Amtsgericht Schlotz-Pissarek am 02.05.2016 beschlossen:
    Der Stadt Esslingen wird aufgegeben,

    digitale Kopien der den im vorliegenden Verfahren streitigen Rotlichtverstoß betreffenden Messdateien im Original-Dateiformat sowie
    digitale Kopien der Kalibrierfotos (Anfangstest und Schlusstest) der Messreihe, innerhalb der der streitige Verstoß stattgefunden haben soll,
    an die Olaf Neidel Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG, Dergenthinerstraße 18 a, 19348 Perleberg auf einem vom Betroffenen/Verteidiger zur Verfügung gestellten Datenträ­ger zu übersenden.

    2.    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird im Übrigen als unbegründet zurückgewie-
    sen.

    Allerdings besteht kein Anspruch darauf, die Kalibrierfotos der dieses Verfahren betreffenden

    Gründe:

    Am 07.12.2015 hat die Bußgeldbehörde Stadt Esslingen gegen den Betroffenen einen Bußgeld­bescheid wegen eines Rotlichtverstoßes erlassen, welcher dem Betroffenen bzw. seinem Ver­teidiger am 10.12.2015 zugestellt wurde. Bereits mit Schreiben vom 27.11.2015 hatte ein vom Verteidiger beauftragter Gutachter zur Überprüfung der Messung die Übersendung der „Beweisfo­tos der Messung beim Betroffenenfahrzeug mit lesbarer Dateneinblendung, möglichst im Origi­naldateiformat" sowie der „Kalibrierfotos" verlangt. Die Bußgeldbehörde hat dies mit der Begrün­dung abgelehnt, dass das Beweisfoto im Originaldateiformat und die Kalibrierfotos nur an gericht­lich beauftragte Gutachter ausgehändigt würden. Mit Schreiben vom 16.12.2015 an die Bußgeld­behörde hat der Betroffene Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

    Der Antrag ist zulässig und weitestgehend begründet.

    Der Verteidiger des Betroffenen hat grundsätzlich gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 147 StPO ein Recht auf Akteneinsicht, welches alle Schriftstücke sowie Bild-, Video- und Tonaufnahmen umfasst, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein können. Hin­sichtlich amtlich verwahrter Beweisstücke besteht (nur) ein Besichtigungsrecht. Ist dem Verteidi­ger (oder einem von ihm beauftragten Sachverständigen) die Akteneinsicht in Beweisstücke am Sitz der Bußgeldbehörde nicht zumutbar, besteht ein Anspruch auf Übersendung von amtlich her­gestellten Kopien auf Kosten des Betroffenen. Bei digitalen Daten ist ein Übertragungsmedium vom Betroffenen bzw. seinem Verteidiger zur Verfügung zu stellen.

    Grundsätzlich besteht somit ein Besichtigungsrecht hinsichtlich der Messdatei und auch der Kali­brierfotos, damit geprüft werden kann, ob die Messung ordnungsgemäß war.

    Vorliegend hat der vom Verteidiger beauftragte Sachverständige die Übersendung der Dateien/Fotos verlangt. Es liegt auf der Hand, dass ihm angesichts der großen Entfernung zwi­schen Perleberg und Esslingen eine Einsicht in die Dateien/Fotos vor Ort nicht zugemutet wer­den kann. Es besteht daher ein Anspruch auf Fertigung von Kopien und deren Übersendung. Die Bußgeldbehörde hat ihre Weigerung, die geforderten Dateien/Fotos zu übersenden, nicht sach­lich begründet. Geht man davon aus, dass es zur Öffnung der Dateien/Fotos keines weiteren Schlüssels bedarf, der von der Bußgeldbehörde zur Verfügung gestellt werden müsste, besteht aus Sicht des Gerichts kein sachlicher Grund, weshalb die Dateien/Fotos nicht übersandt werden könnten.

    Allerdings besteht kein Anspruch darauf, die Kalibrierfotos der dieses Verfahren betreffenden Messung im Original zu versenden, wie vom Verteidiger in seinem Antrag auf gerichtliche Ent­scheidung verlangt. Insoweit ist der Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 S. 1 OWiG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO. Die Entscheidung ist unanfechtbar.