02.11.2017 · IWW-Abrufnummer 197441
Landgericht Trier: Beschluss vom 14.09.2017 – 1 Qs 46/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In der Bußgeldsache
xxx
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Trier am 14. September 2017 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 8. August 2017 (36 OWi 8141 Js 12602/17) aufgehoben und das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, angewiesen, der Verteidigerin folgende Daten auf einem von ihr bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen:
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Durch Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 27. März 2017 wurde gegen die Betroffene unter dem Az. ... eine Geldbuße in Höhe von 480,00 € sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h verhängt. Die Geschwindigkeitsmessung wurde mit der Messanlage ESO 3.0 - Nr. 5609 durchgeführt.
Gegen den ihr am 30. März 2017 zugestellten Bescheid legte die Betroffene über ihre Verteidigerin am 3. April 2017 Einspruch ein.
Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Wittlich und Terminsbestimmung zur Hauptverhandlung beantragte die Verteidigerin für die Betroffene mit Schreiben vom 25. Juli 2017 die Herausgabe folgender Daten bzw. Unterlagen:
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die genannten Unterlagen würden benötigt, um mögliche Messfehler oder Unregelmäßigkeiten auffinden zu können. Aus der Analyse der Messreihe könne sich ergeben, dass andere Messungen fehlerhaft seien oder technisch nicht nachvollzogen werden könnten, was auch Rückschlüsse auf die tatgegenständliche Messung zulasse, gerade auch im Hinblick auf das Erfordernis des standardisierten Messverfahrens.
Insbesondere folgende Aspekte könnten nur mithilfe der angeforderten Unterlagen überprüft werden:
Soweit von Seiten der Verwaltungsbehörde vorgetragen werde, Wartungsunterlagen würden zu diesem Gerät nicht geführt, sei dies nicht überzeugend. Es sei fernliegend, dass sämtliche Belege und Unterlagen zu Reparaturen oder Wartungen sofort nach Erhalt entsorgt würden. Für den Fall, dass tatsächlich keine Wartungsunterlagen mehr vorhanden seien, seien immerhin die Eichscheine herauszugeben, aus denen gewisse Rückschlüsse zur Zuverlässigkeit des Messgeräts gezogen werden könnten.
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Die zuständige Bußgeldrichterin beim Amtsgericht Wittlich lehnte die Herausgabe der angeforderten Unterlagen durch Beschluss vom 8. August 2017 ab. Zur Begründung nahm sie Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 16. März 2017.
In diesem Beschluss hatte der seinerzeit zuständige Bußgeldrichter einen vor Erlass des Bußgeldbescheids gestellten Antrag der Betroffenen vom 16. Februar 2017 auf gerichtliche Entscheidung dahingehend, der Verwaltungsbehörde aufzugeben die o. a. Daten und Unterlagen herauszugeben, - entgegen der Praxis vieler Amtsgerichte des Bezirks - als unbegründet verworfen, nachdem bereits zuvor ein Antrag der Betroffenen auf Herausgabe der Daten und Unterlagen vom Polizeipräsidium Rheinpfalz abgelehnt worden war.
In dem Beschluss ist u.a. ausgeführt, das Akteneinsichtsrecht der Betroffenen sei bereits durch Vorlage der digitalisierten Falldatei der konkreten Messung sowie des Eichscheins des Messgerätes vom 30. November 2016 ausreichend und vollständig gewährt. Die Herausgabe der digitalisierten Messdatei der kompletten Messreihe und sämtlicher Eichscheine sei kein Beweismittel für den vorgeworfenen Verkehrsverstoß. Die Betroffene habe auch nicht ausreichend tatsachenfundiert vorgetragen, warum sie die gesamte Messreihe benötige.
Darüber hinaus existiere für das konkrete Messgerät keine sog. “Geräte-/Lebensakte”, sodass diese auch nicht herausgegeben werden könne.
Auch eine Verpflichtung zur Führung einer Lebensakte bestehe nicht. Eine Statistikdatei sei ebenfalls nicht vorhanden.
Gegen den Beschluss vom 8. August 2017 hat die Betroffene über ihre Verteidigerin am 11. August 2017 Beschwerde eingelegt. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Bußgeldrichterin beim Amtsgericht Wittlich hat die Akte - ohne Durchführung des Abhilfeverfahrens - über die Staatsanwaltschaft Trier der Kammer zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
Die Staatsanwaltschaft Trier hat unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 8. August 2017 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Beschwerdeausschluss in § 305 S. 1 StPO ist vorliegend nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde.
Entsprechend dem Zweck der Bestimmung, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten, gilt dieser Ausschluss nur für Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StGB, 59. Aufl., § 305 Rn 1 mwN; OLG Saarbrücken, Beschluss v. 21.05.2015 - 1 Ws 80/15, BeckRS 2015, 11166).
Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betroffenen durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann (KK-StPO/Zabeck, StPO, 7. Aufl., § 305 Rn. 12). Die Aufzählung in § 305 S. 2 StPO ist insoweit nicht abschließend (Zabeck aaO).
Ob die Nichtherausgabe von Messdaten, Lebensakte und ähnlichem nach Verurteilung des Betroffenen in einem Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann, ist derzeit sehr umstritten. So hat das OLG Bamberg mit Beschluss vom 04.04.2016 (3 Ss OWi 1444/15, BeckRS 2016, 06531) ausgeführt, dass die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Einsichtnahme in die digitale Messdatei und deren Überlassung einschließlich etwaiger sogenannter Rohmessdaten dann nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstößt, wenn sich der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung davon überzeugt hat, dass die Voraussetzungen eines sogenannten standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingehalten wurden (FD-StrVR 2016, 377672). Der Betroffene hat damit keine Möglichkeit, mit der Rechtsbeschwerde die Nichtherausgabe der Lebensakte zu rügen.
Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz zu dieser Frage ist nicht bekannt. Zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitigenden rechtswidrigen Zustands ist der Betroffenen daher die Überprüfung im Wege des Beschwerdeverfahrens zu ermöglichen, zumal es sich bei dem Antrag auf Herausgabe der Messdaten etc. nicht um einen - nicht der Beschwerde zugänglichen - Beweisantrag handelt, sondern um einen Antrag auf Akteneinsicht. Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht insoweit nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem späteren Urteil (vgl. OLG Brandenburg Beschluss v. 20.9.1995, Az. 2 Ws 174/95, BeckRS 9998, 94876, mwN). Ihre Rechtmäßigkeit wird nämlich weder bei der Urteilsfällung überprüft, noch wäre eine zuvor getroffene Entscheidung gegebenenfalls rückwirkend korrigierbar (OLG Brandenburg aaO).
Gegen die Statthaftigkeit der Beschwerde ergeben sich vorliegend auch keine Bedenken im Hinblick auf § 147 Abs. 4 S. 2 StPO, da sich der Antrag nicht auf die Modalität der Akteneinsicht bezieht, sondern deren Substanz betrifft (OLG Brandenburg aaO).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels des Messgeräts ESO 3.0 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, bei dem durch die PTB im Wege antizipierten Sachverständigengutachtens die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde.
Der Betroffene muss daher, wenn er die Richtigkeit der Messung angreifen will, im jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte darlegen, die für eine Unrichtigkeit der Messung sprechen. Eine pauschale Behauptung, mit der die Richtigkeit der Messung angezweifelt wird, genügt nicht.
Ein solcher dezidierter Vortrag ist dem Betroffenen jedoch nur dann möglich, wenn er - bzw. sein Verteidiger - auch Zugang zu den entsprechenden Messunterlagen hat. Die Verwaltungsbehörde hat dem Betroffenen daher bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides Zugang zu Informationen zu gewähren, die für seine Verteidigung von Bedeutung sein können. Dies folgt aus dem Recht auf Akteneinsicht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO) in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG).
Der Grundsatz der Verfahrensfairness und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit erfordern nämlich, dass sowohl die Verfolgungsbehörde wie auch die Verteidigung in gleicher Weise Teilnahme-, Informations- und Äußerungsrechte wahrnehmen kann. An der dadurch garantierten “Parität des Wissens” fehlt es jedoch, wenn die Bußgeldbehörde, nicht aber der Betroffene Zugang zu den für die Beurteilung des Messwerts relevanten Unterlagen hat (Praxishinweis zu OLG Celle, Beschluss vom 26. 3. 2013 - 322 SsBs 377/12, NJW-Spezial 2013, 522; vgl. auch EGMR Entscheidung vom 04.05.2010, Az. 11603/06 Rn 53 bei juris).
Vorliegend hat das Polizeipräsidium Rheinpfalz den Public Key, die einzelne Falldatei, Bild mit Schlüsselsymbolen und entschlüsselte/konvertierte Bilder auf CD zur Verfügung gestellt, eine Herausgabe weiterer Unterlagen jedoch verweigert. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz verweist hierzu in seinem Schreiben vom 1. Februar 2017 darauf, dass für das gegenständliche Messgerät keine Lebensakte geführt werde und dies auch nicht vorgeschrieben sei.
Aus § 31 MessEG ergebe sich lediglich die Pflicht, Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät bis zur jeweils nächsten Eichung aufzubewahren, nicht jedoch dauerhaft vorzuhalten. Darüber hinaus seien die in § 31 MessEG genannten Nachweise für die Eichbehörden bestimmt und keine geeigneten Beweismittel, um tatsachenbegründete Zweifel an der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit des geeichten Messgerätes wecken zu können.
Ferner verweist das Polizeipräsidium Rheinpfalz darauf, dass eine Statistikdatei bei dem konkreten Archiv leider nicht vorhanden sei.
Zutreffend ist, dass die Verwaltungsbehörde nicht verpflichtet ist, eine sog. Lebensakte für das hier zum Einsatz gekommene Messgerät zu führen.
Gibt es keine “Lebensakte”, kann sie selbstverständlich auch nicht eingesehen werden. Die Verwaltungsbehörde hat jedoch Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät aufzubewahren (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. September 2016, Az. (2 Z) 53 Ss-OWi 343/16 (163/16)). Dies folgt aus § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG: Wer ein Messgerät verwendet, hat sicherzustellen, dass Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommene Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Ablauf der nach § 41 Nummer 6 bestimmten Eichfrist, längstens für fünf Jahre, aufbewahrt werden.
Werden dem Betroffenen solche Unterlagen nicht zugänglich gemacht, hat er keine Möglichkeit, konkrete i Anhaltspunkte für eine der Gültigkeit der Eichung entgegenstehende Reparatur oder einen sonstigen Eingriff in das Messgerät aufzufinden (Brandenburgisches Oberlandesgericht aaO; vgl. auch FD-StrafR 2012, 332318).
Die Betroffene hat vorliegend über ihre Verteidigerin ausreichend detaillierten und tatsachenfundierten Vortrag dazu gehalten, warum es zur effektiven Verteidigung erforderlich ist, Einsicht in die komplette Messreihe zu nehmen und nicht lediglich in die konkrete Falldatei. Darüber hinaus kann nicht verlangt werden, dass bereits vor Einsicht in die Messserie konkrete Mängel vorgetragen werden, da sich bestimmte Fehlerquellen erst aus einem Vergleich der eigenen Falldatei mit den anderen im Messzeitraum durchgeführten Messungen ergeben können. Zudem können ggf. erst anhand der weiteren Falldaten der Messreihe Fehler aufgedeckt werden, die allen Messungen der Messserie anhaften, aber aus der konkreten Messung beim Betroffenen nicht ersichtlich sind. Ferner besteht die Möglichkeit, durch Aufzeigen mehrerer Fehlerquellen bei anderen Messungen die aus dem standardisierten Verfahren folgende Vermutung korrekter Messungen der gesamten Messserie zu erschüttern (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 16.12.2014, Az. 2 Ws 96/14).
Der Verteidigerin sind daher die digitalen Falldatensätze inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten der gesamten Messserie auf einem von ihr bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen.
Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Zwar sind bei Zurverfügungstellung der gesamten Messreihe auch die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer betroffen. Dieser Eingriff ist jedoch hinzunehmen. Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist insoweit höherrangig, zumal es sich um einen relativ geringfügigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter handelt. Mit der Zurverfügungstellung der gesamten Messserie werden zwar Foto und Kennzeichen übermittelt, nicht aber die Fahrer- oder Halteranschrift. Zudem besteht bei der Übermittlung an den Verteidiger als Organ der Rechtspflege grundsätzlich auch keine Gefahr der Weitergabe der Daten an Dritte (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.01.2017, Az. 1 Ws 348/16).
Darüber hinaus hat die Betroffene Anspruch auf Zurverfügungstellung der Wartungs- und Instandsetzungsnachweise des Messgeräts seit der letzten Eichung.
Soweit sie Einsicht in Wartungs- und Instandsetzungsnachweise seit der ersten Inbetriebnahme beantragt, besteht indes kein Anspruch. Die Verwaltungsbehörde ist nämlich nicht verpflichtet, sämtliche seit der ersten Inbetriebnahme angefallenen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten durch Nachweise zu dokumentieren und zu belegen. Eine Aufbewahrungspflicht für Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät ergibt sich, wie bereits dargelegt, aus § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG lediglich für zwischen den jeweiligen Eichungen durchgeführte Wartungen, Reparaturen und sonstigen Eingriffen. Hierdurch sollen Eichämter anlässlich der Vorstellung des Messgerätes zur Eichung einen Überblick über zuvor erfolgte Reparatur- und Wartungsmaßnahmen erhalten. Die Betroffene hat auch Anspruch auf Übermittlung des aktuellen Eichscheins sowie der früheren Eichscheine seit der ersten Inbetriebnahme, da sich aus der Häufigkeit der Eichungen, insbesondere vor Ablauf der Eichfrist, möglicherweise Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Messgeräts ergeben können.
Die Betroffene hat ebenfalls Anspruch auf Zurverfügungstellung des sog. “Public Key” des Messgerätes. Durch einen Vergleich des von dem Messgerät genutzten Public Key mit dem in der Messdatei abgespeicherten Public Key lässt sich überprüfen, ob die Messdatei tatsächlich von dem Messgerät hergestellt und nicht manipuliert wurde. Der Public Key liegt dem Amtsgericht nach dem Schreiben des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 1. Februar 2017 sowie dem Abgabevermerk vom 26. April 2017 bereits auf CD vor und unterliegt damit dem umfassenden Akteneinsichtsrecht der Betroffenen.
Auch die Statistikdatei zur Messserie ist der Betroffenen bzw. ihrer Verteidigerin zur Verfügung zu stellen. Soweit das Polizeipräsidium Rheinpfalz im Schreiben vom 1. Februar 2017 vorträgt, eine Statistikdatei sei bei diesem Archiv leider nicht vorhanden, fehlt es bereits an einer Begründung hierzu. Die Verteidigerin hat detailliert unter Bezugnahme auf das sachverständige Schreiben der GFU vom 4. Mai 2017 sowie der gültigen Gebrauchsanweisung des Messgeräts vorgetragen, dass bei Messungen mit der Geschwindigkeitsmessanlage Typ ESO 3.0 nach Abschluss eines jeden Messeinsatzes eine Statistikdatei erzeugt wird. Diese liefert Rückschlüsse zur Qualität der Ausrichtung des Sensors und einhergehend zur Annullierungsrate des konkreten Messeinsatzes. Gleichzeitig werden alle Messungen des Messeinsatzes in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen erfasst und die gültigen Messungen angezeigt. Der wesentliche Bestandteil besteht darin festzustellen, ob tatsächlich alle Messfotos zur Auswertung vorgelegen haben oder zwischenzeitig einzelne Messfotos gelöscht wurden. Nur wenn alle Messdateien der kompletten Messserie zur Auswertung vorliegen, kann die Messbeständigkeit des Messgerätes bzw. der Messanlage und damit die Gültigkeit der Eichung nachgewiesen werden. Bereits hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Statistikdatei einhergehend mit der kompletten Messserie überprüft werden muss, damit eine klare Aussage zu Messbeständigkeit oder zu Defekten eines Messgerätes bzw. einer Messanlage getroffen werden kann.
Sollte die Statistikdatei tatsächlich nicht (mehr) vorhanden sein, wird sich die Verwaltungsbehörde hierzu erklären müssen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 Abs. 1 StPO analog, 46 Abs. 1 OWiG.
xxx
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Trier am 14. September 2017 beschlossen:
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 8. August 2017 (36 OWi 8141 Js 12602/17) aufgehoben und das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, angewiesen, der Verteidigerin folgende Daten auf einem von ihr bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen:
- Digitale Falldatensätze inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten der gesamten Messserie,
- Statistikdatei zur Messserie.
Ferner hat das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, der Verteidigerin folgende Unterlagen zur Verfügung zu stellen: - Wartungs- und Instandsetzungsnachweise des Messgeräts seit der letzten Eichung,
- Eichnachweise seit der ersten Inbetriebnahme.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Durch Bußgeldbescheid des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 27. März 2017 wurde gegen die Betroffene unter dem Az. ... eine Geldbuße in Höhe von 480,00 € sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 53 km/h verhängt. Die Geschwindigkeitsmessung wurde mit der Messanlage ESO 3.0 - Nr. 5609 durchgeführt.
Gegen den ihr am 30. März 2017 zugestellten Bescheid legte die Betroffene über ihre Verteidigerin am 3. April 2017 Einspruch ein.
Nach Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Wittlich und Terminsbestimmung zur Hauptverhandlung beantragte die Verteidigerin für die Betroffene mit Schreiben vom 25. Juli 2017 die Herausgabe folgender Daten bzw. Unterlagen:
- Digitale Falldatensätze inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten der gesamten Messserie
- Public Key des Messgeräts
- Statistikdatei zur Messung
- Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise des Messgeräts seit der ersten Inbetriebnahme
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die genannten Unterlagen würden benötigt, um mögliche Messfehler oder Unregelmäßigkeiten auffinden zu können. Aus der Analyse der Messreihe könne sich ergeben, dass andere Messungen fehlerhaft seien oder technisch nicht nachvollzogen werden könnten, was auch Rückschlüsse auf die tatgegenständliche Messung zulasse, gerade auch im Hinblick auf das Erfordernis des standardisierten Messverfahrens.
Insbesondere folgende Aspekte könnten nur mithilfe der angeforderten Unterlagen überprüft werden:
- das Vorliegen atypischer Fotopositionen,
- Divergenz zwischen der Anzahl der erfassten Messungen und der der generierten Falldatensätze,
- Annullierungsrate des Geräts,
- Bewegungen des Messgeräts während der Messung.
Soweit von Seiten der Verwaltungsbehörde vorgetragen werde, Wartungsunterlagen würden zu diesem Gerät nicht geführt, sei dies nicht überzeugend. Es sei fernliegend, dass sämtliche Belege und Unterlagen zu Reparaturen oder Wartungen sofort nach Erhalt entsorgt würden. Für den Fall, dass tatsächlich keine Wartungsunterlagen mehr vorhanden seien, seien immerhin die Eichscheine herauszugeben, aus denen gewisse Rückschlüsse zur Zuverlässigkeit des Messgeräts gezogen werden könnten.
Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
Die zuständige Bußgeldrichterin beim Amtsgericht Wittlich lehnte die Herausgabe der angeforderten Unterlagen durch Beschluss vom 8. August 2017 ab. Zur Begründung nahm sie Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 16. März 2017.
In diesem Beschluss hatte der seinerzeit zuständige Bußgeldrichter einen vor Erlass des Bußgeldbescheids gestellten Antrag der Betroffenen vom 16. Februar 2017 auf gerichtliche Entscheidung dahingehend, der Verwaltungsbehörde aufzugeben die o. a. Daten und Unterlagen herauszugeben, - entgegen der Praxis vieler Amtsgerichte des Bezirks - als unbegründet verworfen, nachdem bereits zuvor ein Antrag der Betroffenen auf Herausgabe der Daten und Unterlagen vom Polizeipräsidium Rheinpfalz abgelehnt worden war.
In dem Beschluss ist u.a. ausgeführt, das Akteneinsichtsrecht der Betroffenen sei bereits durch Vorlage der digitalisierten Falldatei der konkreten Messung sowie des Eichscheins des Messgerätes vom 30. November 2016 ausreichend und vollständig gewährt. Die Herausgabe der digitalisierten Messdatei der kompletten Messreihe und sämtlicher Eichscheine sei kein Beweismittel für den vorgeworfenen Verkehrsverstoß. Die Betroffene habe auch nicht ausreichend tatsachenfundiert vorgetragen, warum sie die gesamte Messreihe benötige.
Darüber hinaus existiere für das konkrete Messgerät keine sog. “Geräte-/Lebensakte”, sodass diese auch nicht herausgegeben werden könne.
Auch eine Verpflichtung zur Führung einer Lebensakte bestehe nicht. Eine Statistikdatei sei ebenfalls nicht vorhanden.
Gegen den Beschluss vom 8. August 2017 hat die Betroffene über ihre Verteidigerin am 11. August 2017 Beschwerde eingelegt. Auf die Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Bußgeldrichterin beim Amtsgericht Wittlich hat die Akte - ohne Durchführung des Abhilfeverfahrens - über die Staatsanwaltschaft Trier der Kammer zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
Die Staatsanwaltschaft Trier hat unter Bezugnahme auf den Beschluss des Amtsgerichts Wittlich vom 8. August 2017 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Beschwerdeausschluss in § 305 S. 1 StPO ist vorliegend nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde.
Entsprechend dem Zweck der Bestimmung, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten, gilt dieser Ausschluss nur für Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StGB, 59. Aufl., § 305 Rn 1 mwN; OLG Saarbrücken, Beschluss v. 21.05.2015 - 1 Ws 80/15, BeckRS 2015, 11166).
Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betroffenen durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann (KK-StPO/Zabeck, StPO, 7. Aufl., § 305 Rn. 12). Die Aufzählung in § 305 S. 2 StPO ist insoweit nicht abschließend (Zabeck aaO).
Ob die Nichtherausgabe von Messdaten, Lebensakte und ähnlichem nach Verurteilung des Betroffenen in einem Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann, ist derzeit sehr umstritten. So hat das OLG Bamberg mit Beschluss vom 04.04.2016 (3 Ss OWi 1444/15, BeckRS 2016, 06531) ausgeführt, dass die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Einsichtnahme in die digitale Messdatei und deren Überlassung einschließlich etwaiger sogenannter Rohmessdaten dann nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstößt, wenn sich der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung davon überzeugt hat, dass die Voraussetzungen eines sogenannten standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingehalten wurden (FD-StrVR 2016, 377672). Der Betroffene hat damit keine Möglichkeit, mit der Rechtsbeschwerde die Nichtherausgabe der Lebensakte zu rügen.
Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Koblenz zu dieser Frage ist nicht bekannt. Zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitigenden rechtswidrigen Zustands ist der Betroffenen daher die Überprüfung im Wege des Beschwerdeverfahrens zu ermöglichen, zumal es sich bei dem Antrag auf Herausgabe der Messdaten etc. nicht um einen - nicht der Beschwerde zugänglichen - Beweisantrag handelt, sondern um einen Antrag auf Akteneinsicht. Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht insoweit nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem späteren Urteil (vgl. OLG Brandenburg Beschluss v. 20.9.1995, Az. 2 Ws 174/95, BeckRS 9998, 94876, mwN). Ihre Rechtmäßigkeit wird nämlich weder bei der Urteilsfällung überprüft, noch wäre eine zuvor getroffene Entscheidung gegebenenfalls rückwirkend korrigierbar (OLG Brandenburg aaO).
Gegen die Statthaftigkeit der Beschwerde ergeben sich vorliegend auch keine Bedenken im Hinblick auf § 147 Abs. 4 S. 2 StPO, da sich der Antrag nicht auf die Modalität der Akteneinsicht bezieht, sondern deren Substanz betrifft (OLG Brandenburg aaO).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels des Messgeräts ESO 3.0 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, bei dem durch die PTB im Wege antizipierten Sachverständigengutachtens die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde.
Der Betroffene muss daher, wenn er die Richtigkeit der Messung angreifen will, im jeweiligen Verfahren konkrete Anhaltspunkte darlegen, die für eine Unrichtigkeit der Messung sprechen. Eine pauschale Behauptung, mit der die Richtigkeit der Messung angezweifelt wird, genügt nicht.
Ein solcher dezidierter Vortrag ist dem Betroffenen jedoch nur dann möglich, wenn er - bzw. sein Verteidiger - auch Zugang zu den entsprechenden Messunterlagen hat. Die Verwaltungsbehörde hat dem Betroffenen daher bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides Zugang zu Informationen zu gewähren, die für seine Verteidigung von Bedeutung sein können. Dies folgt aus dem Recht auf Akteneinsicht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO) in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG).
Der Grundsatz der Verfahrensfairness und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit erfordern nämlich, dass sowohl die Verfolgungsbehörde wie auch die Verteidigung in gleicher Weise Teilnahme-, Informations- und Äußerungsrechte wahrnehmen kann. An der dadurch garantierten “Parität des Wissens” fehlt es jedoch, wenn die Bußgeldbehörde, nicht aber der Betroffene Zugang zu den für die Beurteilung des Messwerts relevanten Unterlagen hat (Praxishinweis zu OLG Celle, Beschluss vom 26. 3. 2013 - 322 SsBs 377/12, NJW-Spezial 2013, 522; vgl. auch EGMR Entscheidung vom 04.05.2010, Az. 11603/06 Rn 53 bei juris).
Vorliegend hat das Polizeipräsidium Rheinpfalz den Public Key, die einzelne Falldatei, Bild mit Schlüsselsymbolen und entschlüsselte/konvertierte Bilder auf CD zur Verfügung gestellt, eine Herausgabe weiterer Unterlagen jedoch verweigert. Das Polizeipräsidium Rheinpfalz verweist hierzu in seinem Schreiben vom 1. Februar 2017 darauf, dass für das gegenständliche Messgerät keine Lebensakte geführt werde und dies auch nicht vorgeschrieben sei.
Aus § 31 MessEG ergebe sich lediglich die Pflicht, Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät bis zur jeweils nächsten Eichung aufzubewahren, nicht jedoch dauerhaft vorzuhalten. Darüber hinaus seien die in § 31 MessEG genannten Nachweise für die Eichbehörden bestimmt und keine geeigneten Beweismittel, um tatsachenbegründete Zweifel an der Messrichtigkeit und Messbeständigkeit des geeichten Messgerätes wecken zu können.
Ferner verweist das Polizeipräsidium Rheinpfalz darauf, dass eine Statistikdatei bei dem konkreten Archiv leider nicht vorhanden sei.
Zutreffend ist, dass die Verwaltungsbehörde nicht verpflichtet ist, eine sog. Lebensakte für das hier zum Einsatz gekommene Messgerät zu führen.
Gibt es keine “Lebensakte”, kann sie selbstverständlich auch nicht eingesehen werden. Die Verwaltungsbehörde hat jedoch Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät aufzubewahren (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. September 2016, Az. (2 Z) 53 Ss-OWi 343/16 (163/16)). Dies folgt aus § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG: Wer ein Messgerät verwendet, hat sicherzustellen, dass Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen oder sonstige Eingriffe am Messgerät, einschließlich solcher durch elektronisch vorgenommene Maßnahmen, für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Ablauf der nach § 41 Nummer 6 bestimmten Eichfrist, längstens für fünf Jahre, aufbewahrt werden.
Werden dem Betroffenen solche Unterlagen nicht zugänglich gemacht, hat er keine Möglichkeit, konkrete i Anhaltspunkte für eine der Gültigkeit der Eichung entgegenstehende Reparatur oder einen sonstigen Eingriff in das Messgerät aufzufinden (Brandenburgisches Oberlandesgericht aaO; vgl. auch FD-StrafR 2012, 332318).
Die Betroffene hat vorliegend über ihre Verteidigerin ausreichend detaillierten und tatsachenfundierten Vortrag dazu gehalten, warum es zur effektiven Verteidigung erforderlich ist, Einsicht in die komplette Messreihe zu nehmen und nicht lediglich in die konkrete Falldatei. Darüber hinaus kann nicht verlangt werden, dass bereits vor Einsicht in die Messserie konkrete Mängel vorgetragen werden, da sich bestimmte Fehlerquellen erst aus einem Vergleich der eigenen Falldatei mit den anderen im Messzeitraum durchgeführten Messungen ergeben können. Zudem können ggf. erst anhand der weiteren Falldaten der Messreihe Fehler aufgedeckt werden, die allen Messungen der Messserie anhaften, aber aus der konkreten Messung beim Betroffenen nicht ersichtlich sind. Ferner besteht die Möglichkeit, durch Aufzeigen mehrerer Fehlerquellen bei anderen Messungen die aus dem standardisierten Verfahren folgende Vermutung korrekter Messungen der gesamten Messserie zu erschüttern (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 16.12.2014, Az. 2 Ws 96/14).
Der Verteidigerin sind daher die digitalen Falldatensätze inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten der gesamten Messserie auf einem von ihr bereitgestellten Speichermedium zur Verfügung zu stellen.
Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Zwar sind bei Zurverfügungstellung der gesamten Messreihe auch die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer betroffen. Dieser Eingriff ist jedoch hinzunehmen. Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist insoweit höherrangig, zumal es sich um einen relativ geringfügigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Dritter handelt. Mit der Zurverfügungstellung der gesamten Messserie werden zwar Foto und Kennzeichen übermittelt, nicht aber die Fahrer- oder Halteranschrift. Zudem besteht bei der Übermittlung an den Verteidiger als Organ der Rechtspflege grundsätzlich auch keine Gefahr der Weitergabe der Daten an Dritte (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.01.2017, Az. 1 Ws 348/16).
Darüber hinaus hat die Betroffene Anspruch auf Zurverfügungstellung der Wartungs- und Instandsetzungsnachweise des Messgeräts seit der letzten Eichung.
Soweit sie Einsicht in Wartungs- und Instandsetzungsnachweise seit der ersten Inbetriebnahme beantragt, besteht indes kein Anspruch. Die Verwaltungsbehörde ist nämlich nicht verpflichtet, sämtliche seit der ersten Inbetriebnahme angefallenen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten durch Nachweise zu dokumentieren und zu belegen. Eine Aufbewahrungspflicht für Nachweise über erfolgte Wartungen, Reparaturen und sonstige Eingriffe am Messgerät ergibt sich, wie bereits dargelegt, aus § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG lediglich für zwischen den jeweiligen Eichungen durchgeführte Wartungen, Reparaturen und sonstigen Eingriffen. Hierdurch sollen Eichämter anlässlich der Vorstellung des Messgerätes zur Eichung einen Überblick über zuvor erfolgte Reparatur- und Wartungsmaßnahmen erhalten. Die Betroffene hat auch Anspruch auf Übermittlung des aktuellen Eichscheins sowie der früheren Eichscheine seit der ersten Inbetriebnahme, da sich aus der Häufigkeit der Eichungen, insbesondere vor Ablauf der Eichfrist, möglicherweise Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Messgeräts ergeben können.
Die Betroffene hat ebenfalls Anspruch auf Zurverfügungstellung des sog. “Public Key” des Messgerätes. Durch einen Vergleich des von dem Messgerät genutzten Public Key mit dem in der Messdatei abgespeicherten Public Key lässt sich überprüfen, ob die Messdatei tatsächlich von dem Messgerät hergestellt und nicht manipuliert wurde. Der Public Key liegt dem Amtsgericht nach dem Schreiben des Polizeipräsidiums Rheinpfalz vom 1. Februar 2017 sowie dem Abgabevermerk vom 26. April 2017 bereits auf CD vor und unterliegt damit dem umfassenden Akteneinsichtsrecht der Betroffenen.
Auch die Statistikdatei zur Messserie ist der Betroffenen bzw. ihrer Verteidigerin zur Verfügung zu stellen. Soweit das Polizeipräsidium Rheinpfalz im Schreiben vom 1. Februar 2017 vorträgt, eine Statistikdatei sei bei diesem Archiv leider nicht vorhanden, fehlt es bereits an einer Begründung hierzu. Die Verteidigerin hat detailliert unter Bezugnahme auf das sachverständige Schreiben der GFU vom 4. Mai 2017 sowie der gültigen Gebrauchsanweisung des Messgeräts vorgetragen, dass bei Messungen mit der Geschwindigkeitsmessanlage Typ ESO 3.0 nach Abschluss eines jeden Messeinsatzes eine Statistikdatei erzeugt wird. Diese liefert Rückschlüsse zur Qualität der Ausrichtung des Sensors und einhergehend zur Annullierungsrate des konkreten Messeinsatzes. Gleichzeitig werden alle Messungen des Messeinsatzes in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen erfasst und die gültigen Messungen angezeigt. Der wesentliche Bestandteil besteht darin festzustellen, ob tatsächlich alle Messfotos zur Auswertung vorgelegen haben oder zwischenzeitig einzelne Messfotos gelöscht wurden. Nur wenn alle Messdateien der kompletten Messserie zur Auswertung vorliegen, kann die Messbeständigkeit des Messgerätes bzw. der Messanlage und damit die Gültigkeit der Eichung nachgewiesen werden. Bereits hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Statistikdatei einhergehend mit der kompletten Messserie überprüft werden muss, damit eine klare Aussage zu Messbeständigkeit oder zu Defekten eines Messgerätes bzw. einer Messanlage getroffen werden kann.
Sollte die Statistikdatei tatsächlich nicht (mehr) vorhanden sein, wird sich die Verwaltungsbehörde hierzu erklären müssen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 Abs. 1 StPO analog, 46 Abs. 1 OWiG.