30.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199281
Oberlandesgericht Saarbrücken: Beschluss vom 09.11.2017 – Ss RS 39/2017 (60/17 OWi)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Ss RS 39/2017 (60/17 OWi)
22 OWi 252/16 AG Saarbrücken 65 Js (OWi) 1329/16 StA Saarbrücken
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT
BESCHLUSS
In der Bußgeldsache
gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken
am 9. November 2017
gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG
durch den Richter am Oberlandesgericht Wiesen als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 23. Juni 2017 wird kostenpflichtig als unbegründet
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h eine Geldbuße in Höhe von 80,-- Euro festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem er — unausgeführt die Verletzung materiellen Rechts und unter mehreren, näher dargelegten Gesichtspunkten die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
II.
Der statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete, mithin zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 3 Satz 1 und 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO) ist unbegründet, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.
1. Wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG) ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall bereits gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ausgeschlossen, da lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100,-- € verhängt worden ist.
2. Zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten.
a) Dieser Zulassungsgrund kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig, d.h. durch Aufstellen abstrakt-genereller Regelungen von praktischer Bedeutung sind (vgl. Göhler/Seitz/ Bauer, OWiG, 17. Aufl., § 80 Rn. 3 m.w.N.). Er ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht gegeben, wenn die sich stellenden Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt sind oder die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht entscheidend von den konkreten Gestaltungen des Einzelfalls abhängt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Juni 2017 - Ss RS 27/2017 (44/17 OWi) - m.w.N. und vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -). Selbst eine falsche Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt für sich allein die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts noch nicht, weil die Vorschrift nicht der Einzelfallgerechtigkeit dient (vgl. vorgenannte Senatsbeschlüsse). Daneben muss die Nachprüfung im Sinne eines Sich-Aufdrängens geboten sein, die Zulassung zur Überprüfung der Anwendung des Rechts also nicht etwa nur nahe liegen, vertretbar, sinnvoll oder wünschenswert sein (vgl. vorgenannte Senatsbeschlüsse m. w. N.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80 Rn. 15; KK-OWiG/Senge, 4. Aufl., § 80 Rn. 39).
b) Gemessen hieran werden im vorliegenden Fall auf die Sachrüge hin keine Rechtsfragen aufgeworfen, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheinen lassen. Insbesondere ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung — auch derjenigen des Senats — hinreichend geklärt, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem vorliegend verwendeten Geschwindigkeitsmessgerät ESO S 3.0 um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. OLG Koblenz NZV 2003, 495 f.; OLG Dresden, Beschluss vom 26. Oktober 2015 — OLG 21 Ss 651/15, juris; OLG Hamm VRR 2013, 123; Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 2016 - Ss RS 14/2016 (21/16 OWi) - und vom 10. Juli 2017 - Ss RS 14/2017 (49/17 OWi) -; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 3 StVO Rn. 61; jeweils m. w. N.) mit den sich — was höchst- und obergerichtlich ebenfalls geklärt ist — hieraus ergebenden weniger strengen Anforderungen an die Darstellung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277; vorgenannte Senatsbeschlüsse; König, a. a. 0., § 3 StVO Rn. 56b).
3. Auch unter dem Gesichtspunkt der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.
a) Das gilt zunächst hinsichtlich der gerügten Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch, dass das Amtsgericht den von der Verteidigerin in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, „der Verteidigung die ESO-Falldatensätze der gesamten tatgegenständlichen
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Messreihe zur Verfügung zu stellen bzw. durch die Polizeibehörde zur Verfügung stellen zu lassen" und die Hauptverhandlung bis dahin auszusetzen, abgelehnt hat.
aa) Durch die bloße Nichtüberlassung sich nicht bei der Akte befindender Messunterlagen und Messdaten, die auch nicht Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs von vornherein nicht beeinträchtigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 — 2 RBs 63/15, juris Rn. 26; OLG Bamberg DAR 2016, 337 ff. — juris Rn. 33; StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 5; Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2016 - Ss BS 6/2016 (4/16 OWi) juris, vom 30. Januar 2017 - Ss RS 1/2017 (2/17 OWi) -, vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) -; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 4, 6). Denn durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs soll garantiert werden, dass einer Entscheidung nur Tatsachen zugrunde gelegt werden, zu denen der Betroffene Stellung nehmen konnte; einen Anspruch auf Aktenerweiterung vermittelt Art. 103 Abs. 1 GG dagegen nicht (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 5; Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) -; Cierniak ZfS 2012, 664, 670; Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 4). Durch die Nichtüberlassung digitaler Messdateien und sonstiger Unterlagen, die das Gericht seiner Überzeugungsbildung gerade nicht zugrunde gelegt hat, wird ein Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör daher nicht begründet (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 5; Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) - ). Der gegenteiligen, nicht näher begründeten und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. NJW 1983, 1043) sowie des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1981, 2267) nicht in Einklang stehenden (so zutreffend OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 6) Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (Beschl. v. 16.06.2016 — 1 Ss (OWi) 96/16, juris Rn. 4 f.) kann deshalb nicht beigetreten werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) -), ohne dass aufgrund der Abweichung von der vorgenannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Gelle die Sache dem Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG i. V. mit §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG vorgelegt werden müsste (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 8 ff.). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass eine solche Vorlegung durch den Einzelrichter schon unzulässig wäre und nur durch den Senat in Dreierbesetzung erfolgen könnte (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80a Rn. 5 m. w. N.), die nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG hierfür erforderlichen Voraussetzungen aber selbst dann nicht vorlägen, wenn die Rechtsbeschwerde (nur) wegen Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen wäre (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80a Rn. 6; KK-OWiG/Senge, a. a. 0., § 80a Rn. 8).
bb) Entgegen der Auffassung der Verteidigerin wäre die Rechtsbeschwerde selbst dann nicht unter dem Gesichtspunkt der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen, wenn durch die Verfahrensweise des Amtsgerichts die Verteidigung unzulässig beschränkt und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden wäre.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist dieser Zulassungsgrund auf die Fälle der Versagung rechtlichen Gehörs beschränkt.
Die Vorschrift ist nicht erweiternd dahin auszulegen, dass sie alle Verfassungsverstöße erfasst, die einer Bußgeldentscheidung und dem zu ihr führenden Verfahren anhaften können (vgl. BayObLG NZV 1996, 44, 45; OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.10.2011 — Ss (OWiZ) 140/11; Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - KK-OWiG/Senge, a. a. 0., § 80 Rn. 40; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 80 Rn. 8; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 6; a. A.: Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80 Rn. 16e; OLG Rostock, Beschl. v. 13.07.2016 — 21 Ss OWi 103/16 (Z) im Falle eines offenkundigen redaktionellen Versehens bei der Abfassung der Urteilsformel). Denn der Gesetzgeber hat die Vorschrift ersichtlich in Kenntnis möglicher anderer Verfassungsverstöße auf die Versagung des rechtlichen Gehörs beschränkt (KKOWiG/Senge, a. a. 0.; Rebmann/Roth/Herrmann, a. a. 0.). Dementsprechend kann auch im Falle eines Verstoßes gegen das — aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK folgende (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 — 2 RBs 63/15, juris Rn. 17; Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - Ss BS 6/2016 (4/16 OWi) juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Einl. Rn. 19) Recht auf ein faires Verfahren die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG gestützt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2017 Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -; Cierniak/ Niehaus, a. a. 0.).
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, soweit die Verteidigerin eine eigene Gehörsverletzung darin erblickt, dass das Amtsgericht den Antrag auf Herausgabe der Messreihe und auf Aussetzung des Verfahrens als Beweisantrag fehlverstanden und gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt habe. Die Ablehnung des Antrags auf Herausgabe der Falldatensätze der gesamten Messreihe, mit dem — wenn auch nicht ausdrücklich, aber konkludent — auch der Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung abgelehnt wurde, belegt, dass das Amtsgericht den Antrag der Verteidigerin zur Kenntnis genommen, erwogen und beschieden hat. Dass die Ablehnung auf eine nicht zu treffende Vorschrift gestützt wurde, begründet für sich allein keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
c) Ebenso wenig ist die Rechtsbeschwerde wegen Versagung rechtlichen Gehörs deshalb zuzulassen, weil — wie die Verteidigerin meint — das Amtsgericht bei der Ablehnung des Antrags auf Herausgabe der Falldatensätze der gesamten Messreihe und auf Aussetzung der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Messserie stehenden Vortrag der Verteidigerin übergangen habe.
Da — wie ausgeführt — durch die Nichtüberlassung digitaler Messdateien und sonstiger Unterlagen, die das Gericht seiner Überzeugungsbildung gerade nicht zugrunde gelegt hat, ein Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör von vornherein nicht begründet wird, kann ein Gehörsverstoß erst Recht nicht darin liegen, dass das Gericht in der Begründung der Ablehnung eines dahingehenden Antrags nicht auf alle von der Verteidigung zur Begründung des Antrags vorgegangenen Argumente eingegangen ist.
Im Übrigen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG zwar das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (z.B. BVerfGE 11, 218, 220; 83, 24, 35; BVerfG, NVwZ-Beil. 1998, 1, 2; BVerfG NVwZ-RR 2014, 1 ff. — Rn. 19 nach juris; Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - Ss RS 9/2015 (26/15 OWi) -). Dabei ist jedoch im Regelfall davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Gerichte nicht verpflichtet sind, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293, 295 f; 70, 288, 293; 86, 133, 145 f.; BVerfG, Beschl. v. 17.07.2013 — 1 BvR 2540/12, Rn. 9 nach juris; Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - Ss RS 9/2015 (26/15 OWi) -). Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (vgl. BVerfGE 47, 182, 189; 86, 133, 146; BVerfG, Beschl. v. 17.07.2013 — 1 BvR 2540/12, Rn. 9 nach juris; BVerfG NVwZ-RR 2014, 1 ff. — Rn. 19 nach juris; Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - Ss RS 9/2015 (26/15 OWi) -). Ausgehend hiervon brauchte das Amtsgericht auf die von der Verteidigerin vorgetragenen Einzelheiten der Begründung ihres Antrags auf Herausgabe der Falldatensätze der kompletten Messreihe nicht einzugehen, da es auf die dort aufgezeigte Möglichkeit, aus möglichen Fehlern oder der Nichtnachvollziehbarkeit anderer Messungen Rückschlüsse auf die Richtigkeit der hier in Rede stehenden Messung ziehen zu können, ausgehend von dem zutreffenden Rechtsstandpunkt des Amtsgerichts, ohne konkrete Anhaltspunkte für Messfehler sei das Gericht bei der im standardisierten Messverfahren mit dem gültig geeichten und ordnungsgemäß bedienten Geschwindigkeitsmessgerät ESO ES 3.0 durchgeführten Messung nicht gehalten, die Ermittlung der Geschwindigkeit weiter aufzuklären, sowie auf dem Boden der von ihm getroffenen Feststellung, dass sich keine Anhaltspunkte für außerhalb der durch den Toleranzabzug berücksichtigten Grenzen liegende Fehlerquellen ergeben haben, nicht ankam.
d) Schließlich ist die Rechtsbeschwerde auch nicht wegen Versagung rechtlichen Gehörs unter dem von der Verteidigerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlerhaften Ablehnung des von ihr in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht gestellten Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass „die tatgegenständliche Geschwindigkeitsmessung fehlerhaft gewesen ist", zuzulassen.
aa) Zwar gebietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs u.a. auch, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69 145, 148), sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen (vgl. BVerfG NJW 1996, 2785, 2786). Geboten ist die Aufhebung eines Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs indes nur dann, wenn Art. 103 Abs. 1 GG verletzt ist und es nicht zweifelhaft erscheint, dass das Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde, die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs sich mithin aufdrängt (ständige Rspr. des Senats, z.B. Beschlüsse vom 21. April 2017 - Ss RS 13/2017 (26/17 OWi) -, vom 28. Juni 2017 - Ss RS 27/2017 (44/17 OWi) - und vom 27. September 2017 - Ss RS 42/2017 (61/17 OWi) -, jeweils m. w. N.; Göhler/Seitz/ Bauer, a. a. 0., § 80 Rn. 16a). Dabei ist zu beachten, dass Art. 103 Abs. 1 GG die Mindestgarantie des rechtlichen Gehörs enthält, die über die Vorschriften des einfachen Prozessrechts hinausgehen kann; auf der anderen Seite kann die Verletzung verfahrensprozessualer, über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehender Normen nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht geltend gemacht werden (vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rn. 7; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0.). Allerdings stellt nicht jede Ablehnung eines Beweisantrags eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Nur eine (objektiv) willkürliche Ablehnung eines Beweisantrags, also eine solche ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückzuführende Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt das rechtliche Gehör (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Celle VRS 84, 232; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345; st. Rspr. des Senats, z.B. die vorgenannten Beschlüsse, jeweils m. w. N.).
bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, die Geschwindigkeitsmessung sei fehlerhaft gewesen, nicht festgestellt werden.
(1) Das Amtsgericht hat den Beweisantrag gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, weil es nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Messbeamtin, davon überzeugt war, dass die Geschwindigkeitsmessung mit einer gültig geeichten, von der Messbeamtin unter Beachtung der Vorgaben in der Bedienungsanleitung und der PTB-Zulassung aufgebauten und bedienten Geschwindigkeitsmessanlage der Firma ESO, Typ ES 3.0, vorgenommen wurde, und es den Sachverhalt insoweit, da auch keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung oder Störungen im Messbetrieb ersichtlich waren und mit dem Beweisantrag konkrete Messfehler nicht vorgebracht worden sind, als geklärt und die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit daher nicht als erforderlich angesehen hat. Diese Begründung erscheint jedenfalls nicht (objektiv) willkürlich, zumal dann, wenn die behaupteten Fehlerquellen nicht in dem konkret durchgeführten Messvorgang selbst, sondern — wie hier in der dem Beweisantrag als Anlage beigefügten gutachterlichen Feststellung — allgemein oder strukturell in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware des Messgeräts angelegt sein sollen, Zweifel an der Richtigkeit der Messung bei dem Tatrichter erst dann aufkommen müssen, wenn sich Umstände ergeben, die es im konkreten Einzelfall als plausibel erscheinen lassen, dass die Messung trotz der Zulassung des Messgeräts durch die PTB fehlerhaft sein könnte (vgl. OLG Frankfurt DAR 2015, 14; OLG Bamberg DAR 2016, 146; Senatsbeschlüsse vom 27. Juni 2016 - SS Rs 8/2016 (14/16 OWi) -, 21. April 2017 - Ss RS 13/2017 (26/17 OWi) -, 28. Juni 2017 - Ss RS 27/2017 (44/17 OWi) - und vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -). Derartige Umstände für eine fehlerhafte Messung im vorliegenden Fall ergeben sich aus der dem Beweisantrag als Anlage beigefügten gutachterlichen Feststellung nicht. Insbesondere lagen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Messung im vorliegenden Fall durch äußere Einflüsse (Licht- oder Schattenwurf anderer Fahrzeuge oder Objekte) ausgelöst worden sein könnte.
(2) Die Ablehnung des Beweisantrags erweist sich auch nicht allein deshalb als objektiv willkürlich, weil der Verteidigerin die Falldatensätze der gesamten Messreihe nicht — wie von ihr beantragt O— zur Verfügung gestellt worden waren. Denn das Amtsgericht hat — wie ausgeführt — nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erforschung der Wahrheit nicht als erforderlich erachtet, weil es von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme überzeugt war und konkrete Anhaltspunkte für Messfehler weder vorgebracht noch sonst ersichtlich waren. Soweit sich die Verteidigerin insoweit auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 06.05.2015 (Az.: 2 Ss (OWi) 65/15, DAR 2015, 406 f.) beruft, durch den die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein amtsgerichtliches Urteil, nachdem die Verwaltungsbehörde die von ihm beantragte Übersendung der Messdatei ausdrücklich verweigert hatte, wegen Versagung rechtlichen Gehörs unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bezüglich der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung zugelassen und das Urteil des Amtsgericht aus diesem Grund aufgehoben wurde, handelt es sich — wie das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Beschluss selbst ausgeführt hat — um eine „Ausnahmekonstellation", in der es die Ablehnung des Beweisantrags als willkürlich angesehen hat, weshalb die dortigen Ausführungen weder verallgemeinerungsfähig noch auf den vorliegenden Fall übertragbar sind (so bereits Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -). Aus dem von der Verteidigerin für ihre gegenteilige Ansicht herangezogenen Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 01.03.2016 (Az.: 2 OLG 101 Ss Rs 131/15, NStZ-RR 2016, 186 f.) lässt sich im vorliegenden Fall zu Gunsten des Betroffenen schon deshalb nichts herleiten, weil jenes Gericht in der Zurückweisung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Beiziehung der sogenannten „Lebensakte" eines Messgeräts lediglich eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht und des Rechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren (gegen Letzteres: OLG Bamberg, Beschl. v. 04.10.2017 — 3 Ss OWi 1232/17, juris Rn. 15 ff.), nicht aber eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erblickt hat.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.
22 OWi 252/16 AG Saarbrücken 65 Js (OWi) 1329/16 StA Saarbrücken
SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT
BESCHLUSS
In der Bußgeldsache
gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der Bußgeldsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts in Saarbrücken
am 9. November 2017
gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG
durch den Richter am Oberlandesgericht Wiesen als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 23. Juni 2017 wird kostenpflichtig als unbegründet
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h eine Geldbuße in Höhe von 80,-- Euro festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit dem er — unausgeführt die Verletzung materiellen Rechts und unter mehreren, näher dargelegten Gesichtspunkten die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
II.
Der statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete, mithin zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 3 Satz 1 und 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO) ist unbegründet, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.
1. Wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG) ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall bereits gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ausgeschlossen, da lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als 100,-- € verhängt worden ist.
2. Zur Fortbildung des materiellen Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten.
a) Dieser Zulassungsgrund kommt nur bei Rechtsfragen in Betracht, die entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig, d.h. durch Aufstellen abstrakt-genereller Regelungen von praktischer Bedeutung sind (vgl. Göhler/Seitz/ Bauer, OWiG, 17. Aufl., § 80 Rn. 3 m.w.N.). Er ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht gegeben, wenn die sich stellenden Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Wesentlichen geklärt sind oder die Beurteilung des festgestellten Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht entscheidend von den konkreten Gestaltungen des Einzelfalls abhängt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Juni 2017 - Ss RS 27/2017 (44/17 OWi) - m.w.N. und vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -). Selbst eine falsche Entscheidung im Einzelfall rechtfertigt für sich allein die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts noch nicht, weil die Vorschrift nicht der Einzelfallgerechtigkeit dient (vgl. vorgenannte Senatsbeschlüsse). Daneben muss die Nachprüfung im Sinne eines Sich-Aufdrängens geboten sein, die Zulassung zur Überprüfung der Anwendung des Rechts also nicht etwa nur nahe liegen, vertretbar, sinnvoll oder wünschenswert sein (vgl. vorgenannte Senatsbeschlüsse m. w. N.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80 Rn. 15; KK-OWiG/Senge, 4. Aufl., § 80 Rn. 39).
b) Gemessen hieran werden im vorliegenden Fall auf die Sachrüge hin keine Rechtsfragen aufgeworfen, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts erforderlich erscheinen lassen. Insbesondere ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung — auch derjenigen des Senats — hinreichend geklärt, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem vorliegend verwendeten Geschwindigkeitsmessgerät ESO S 3.0 um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. OLG Koblenz NZV 2003, 495 f.; OLG Dresden, Beschluss vom 26. Oktober 2015 — OLG 21 Ss 651/15, juris; OLG Hamm VRR 2013, 123; Senatsbeschlüsse vom 15. Juli 2016 - Ss RS 14/2016 (21/16 OWi) - und vom 10. Juli 2017 - Ss RS 14/2017 (49/17 OWi) -; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 3 StVO Rn. 61; jeweils m. w. N.) mit den sich — was höchst- und obergerichtlich ebenfalls geklärt ist — hieraus ergebenden weniger strengen Anforderungen an die Darstellung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277; vorgenannte Senatsbeschlüsse; König, a. a. 0., § 3 StVO Rn. 56b).
3. Auch unter dem Gesichtspunkt der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.
a) Das gilt zunächst hinsichtlich der gerügten Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch, dass das Amtsgericht den von der Verteidigerin in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, „der Verteidigung die ESO-Falldatensätze der gesamten tatgegenständlichen
4
Messreihe zur Verfügung zu stellen bzw. durch die Polizeibehörde zur Verfügung stellen zu lassen" und die Hauptverhandlung bis dahin auszusetzen, abgelehnt hat.
aa) Durch die bloße Nichtüberlassung sich nicht bei der Akte befindender Messunterlagen und Messdaten, die auch nicht Gegenstand der Urteilsfindung gewesen sind, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs von vornherein nicht beeinträchtigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 — 2 RBs 63/15, juris Rn. 26; OLG Bamberg DAR 2016, 337 ff. — juris Rn. 33; StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 5; Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2016 - Ss BS 6/2016 (4/16 OWi) juris, vom 30. Januar 2017 - Ss RS 1/2017 (2/17 OWi) -, vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) -; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 4, 6). Denn durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs soll garantiert werden, dass einer Entscheidung nur Tatsachen zugrunde gelegt werden, zu denen der Betroffene Stellung nehmen konnte; einen Anspruch auf Aktenerweiterung vermittelt Art. 103 Abs. 1 GG dagegen nicht (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 5; Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) -; Cierniak ZfS 2012, 664, 670; Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 4). Durch die Nichtüberlassung digitaler Messdateien und sonstiger Unterlagen, die das Gericht seiner Überzeugungsbildung gerade nicht zugrunde gelegt hat, wird ein Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör daher nicht begründet (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 5; Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) - ). Der gegenteiligen, nicht näher begründeten und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. NJW 1983, 1043) sowie des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 1981, 2267) nicht in Einklang stehenden (so zutreffend OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 6) Auffassung des Oberlandesgerichts Celle (Beschl. v. 16.06.2016 — 1 Ss (OWi) 96/16, juris Rn. 4 f.) kann deshalb nicht beigetreten werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - und vom 3. November 2017 - Ss RS 44/2017 (66/17 OWi) -), ohne dass aufgrund der Abweichung von der vorgenannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Gelle die Sache dem Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 Nr. 1 GVG i. V. mit §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG vorgelegt werden müsste (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461 f. — juris Rn. 8 ff.). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass eine solche Vorlegung durch den Einzelrichter schon unzulässig wäre und nur durch den Senat in Dreierbesetzung erfolgen könnte (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80a Rn. 5 m. w. N.), die nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG hierfür erforderlichen Voraussetzungen aber selbst dann nicht vorlägen, wenn die Rechtsbeschwerde (nur) wegen Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen wäre (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80a Rn. 6; KK-OWiG/Senge, a. a. 0., § 80a Rn. 8).
bb) Entgegen der Auffassung der Verteidigerin wäre die Rechtsbeschwerde selbst dann nicht unter dem Gesichtspunkt der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen, wenn durch die Verfahrensweise des Amtsgerichts die Verteidigung unzulässig beschränkt und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden wäre.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG ist dieser Zulassungsgrund auf die Fälle der Versagung rechtlichen Gehörs beschränkt.
Die Vorschrift ist nicht erweiternd dahin auszulegen, dass sie alle Verfassungsverstöße erfasst, die einer Bußgeldentscheidung und dem zu ihr führenden Verfahren anhaften können (vgl. BayObLG NZV 1996, 44, 45; OLG Braunschweig, Beschl. v. 19.10.2011 — Ss (OWiZ) 140/11; Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) - KK-OWiG/Senge, a. a. 0., § 80 Rn. 40; Rebmann/ Roth/Herrmann, OWiG, § 80 Rn. 8; Cierniak/Niehaus, DAR 2014, 2, 6; a. A.: Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 80 Rn. 16e; OLG Rostock, Beschl. v. 13.07.2016 — 21 Ss OWi 103/16 (Z) im Falle eines offenkundigen redaktionellen Versehens bei der Abfassung der Urteilsformel). Denn der Gesetzgeber hat die Vorschrift ersichtlich in Kenntnis möglicher anderer Verfassungsverstöße auf die Versagung des rechtlichen Gehörs beschränkt (KKOWiG/Senge, a. a. 0.; Rebmann/Roth/Herrmann, a. a. 0.). Dementsprechend kann auch im Falle eines Verstoßes gegen das — aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK folgende (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.07.2015 — 2 RBs 63/15, juris Rn. 17; Senatsbeschluss vom 24. Februar 2016 - Ss BS 6/2016 (4/16 OWi) juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Einl. Rn. 19) Recht auf ein faires Verfahren die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht auf § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG gestützt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2017 Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -; Cierniak/ Niehaus, a. a. 0.).
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, soweit die Verteidigerin eine eigene Gehörsverletzung darin erblickt, dass das Amtsgericht den Antrag auf Herausgabe der Messreihe und auf Aussetzung des Verfahrens als Beweisantrag fehlverstanden und gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt habe. Die Ablehnung des Antrags auf Herausgabe der Falldatensätze der gesamten Messreihe, mit dem — wenn auch nicht ausdrücklich, aber konkludent — auch der Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung abgelehnt wurde, belegt, dass das Amtsgericht den Antrag der Verteidigerin zur Kenntnis genommen, erwogen und beschieden hat. Dass die Ablehnung auf eine nicht zu treffende Vorschrift gestützt wurde, begründet für sich allein keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
c) Ebenso wenig ist die Rechtsbeschwerde wegen Versagung rechtlichen Gehörs deshalb zuzulassen, weil — wie die Verteidigerin meint — das Amtsgericht bei der Ablehnung des Antrags auf Herausgabe der Falldatensätze der gesamten Messreihe und auf Aussetzung der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Messserie stehenden Vortrag der Verteidigerin übergangen habe.
Da — wie ausgeführt — durch die Nichtüberlassung digitaler Messdateien und sonstiger Unterlagen, die das Gericht seiner Überzeugungsbildung gerade nicht zugrunde gelegt hat, ein Verstoß gegen den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör von vornherein nicht begründet wird, kann ein Gehörsverstoß erst Recht nicht darin liegen, dass das Gericht in der Begründung der Ablehnung eines dahingehenden Antrags nicht auf alle von der Verteidigung zur Begründung des Antrags vorgegangenen Argumente eingegangen ist.
Im Übrigen verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG zwar das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (z.B. BVerfGE 11, 218, 220; 83, 24, 35; BVerfG, NVwZ-Beil. 1998, 1, 2; BVerfG NVwZ-RR 2014, 1 ff. — Rn. 19 nach juris; Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - Ss RS 9/2015 (26/15 OWi) -). Dabei ist jedoch im Regelfall davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Gerichte nicht verpflichtet sind, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 65, 293, 295 f; 70, 288, 293; 86, 133, 145 f.; BVerfG, Beschl. v. 17.07.2013 — 1 BvR 2540/12, Rn. 9 nach juris; Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - Ss RS 9/2015 (26/15 OWi) -). Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Gericht auf den wesentlichen Kern des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, sofern der Vortrag nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (vgl. BVerfGE 47, 182, 189; 86, 133, 146; BVerfG, Beschl. v. 17.07.2013 — 1 BvR 2540/12, Rn. 9 nach juris; BVerfG NVwZ-RR 2014, 1 ff. — Rn. 19 nach juris; Senatsbeschluss vom 23. Juli 2015 - Ss RS 9/2015 (26/15 OWi) -). Ausgehend hiervon brauchte das Amtsgericht auf die von der Verteidigerin vorgetragenen Einzelheiten der Begründung ihres Antrags auf Herausgabe der Falldatensätze der kompletten Messreihe nicht einzugehen, da es auf die dort aufgezeigte Möglichkeit, aus möglichen Fehlern oder der Nichtnachvollziehbarkeit anderer Messungen Rückschlüsse auf die Richtigkeit der hier in Rede stehenden Messung ziehen zu können, ausgehend von dem zutreffenden Rechtsstandpunkt des Amtsgerichts, ohne konkrete Anhaltspunkte für Messfehler sei das Gericht bei der im standardisierten Messverfahren mit dem gültig geeichten und ordnungsgemäß bedienten Geschwindigkeitsmessgerät ESO ES 3.0 durchgeführten Messung nicht gehalten, die Ermittlung der Geschwindigkeit weiter aufzuklären, sowie auf dem Boden der von ihm getroffenen Feststellung, dass sich keine Anhaltspunkte für außerhalb der durch den Toleranzabzug berücksichtigten Grenzen liegende Fehlerquellen ergeben haben, nicht ankam.
d) Schließlich ist die Rechtsbeschwerde auch nicht wegen Versagung rechtlichen Gehörs unter dem von der Verteidigerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlerhaften Ablehnung des von ihr in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht gestellten Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass „die tatgegenständliche Geschwindigkeitsmessung fehlerhaft gewesen ist", zuzulassen.
aa) Zwar gebietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs u.a. auch, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69 145, 148), sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen (vgl. BVerfG NJW 1996, 2785, 2786). Geboten ist die Aufhebung eines Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs indes nur dann, wenn Art. 103 Abs. 1 GG verletzt ist und es nicht zweifelhaft erscheint, dass das Urteil einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde, die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs sich mithin aufdrängt (ständige Rspr. des Senats, z.B. Beschlüsse vom 21. April 2017 - Ss RS 13/2017 (26/17 OWi) -, vom 28. Juni 2017 - Ss RS 27/2017 (44/17 OWi) - und vom 27. September 2017 - Ss RS 42/2017 (61/17 OWi) -, jeweils m. w. N.; Göhler/Seitz/ Bauer, a. a. 0., § 80 Rn. 16a). Dabei ist zu beachten, dass Art. 103 Abs. 1 GG die Mindestgarantie des rechtlichen Gehörs enthält, die über die Vorschriften des einfachen Prozessrechts hinausgehen kann; auf der anderen Seite kann die Verletzung verfahrensprozessualer, über Art. 103 Abs. 1 GG hinausgehender Normen nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG nicht geltend gemacht werden (vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rn. 7; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0.). Allerdings stellt nicht jede Ablehnung eines Beweisantrags eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Nur eine (objektiv) willkürliche Ablehnung eines Beweisantrags, also eine solche ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückzuführende Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt das rechtliche Gehör (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Celle VRS 84, 232; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345; st. Rspr. des Senats, z.B. die vorgenannten Beschlüsse, jeweils m. w. N.).
bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, die Geschwindigkeitsmessung sei fehlerhaft gewesen, nicht festgestellt werden.
(1) Das Amtsgericht hat den Beweisantrag gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt, weil es nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Messbeamtin, davon überzeugt war, dass die Geschwindigkeitsmessung mit einer gültig geeichten, von der Messbeamtin unter Beachtung der Vorgaben in der Bedienungsanleitung und der PTB-Zulassung aufgebauten und bedienten Geschwindigkeitsmessanlage der Firma ESO, Typ ES 3.0, vorgenommen wurde, und es den Sachverhalt insoweit, da auch keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung oder Störungen im Messbetrieb ersichtlich waren und mit dem Beweisantrag konkrete Messfehler nicht vorgebracht worden sind, als geklärt und die beantragte Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit daher nicht als erforderlich angesehen hat. Diese Begründung erscheint jedenfalls nicht (objektiv) willkürlich, zumal dann, wenn die behaupteten Fehlerquellen nicht in dem konkret durchgeführten Messvorgang selbst, sondern — wie hier in der dem Beweisantrag als Anlage beigefügten gutachterlichen Feststellung — allgemein oder strukturell in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware des Messgeräts angelegt sein sollen, Zweifel an der Richtigkeit der Messung bei dem Tatrichter erst dann aufkommen müssen, wenn sich Umstände ergeben, die es im konkreten Einzelfall als plausibel erscheinen lassen, dass die Messung trotz der Zulassung des Messgeräts durch die PTB fehlerhaft sein könnte (vgl. OLG Frankfurt DAR 2015, 14; OLG Bamberg DAR 2016, 146; Senatsbeschlüsse vom 27. Juni 2016 - SS Rs 8/2016 (14/16 OWi) -, 21. April 2017 - Ss RS 13/2017 (26/17 OWi) -, 28. Juni 2017 - Ss RS 27/2017 (44/17 OWi) - und vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -). Derartige Umstände für eine fehlerhafte Messung im vorliegenden Fall ergeben sich aus der dem Beweisantrag als Anlage beigefügten gutachterlichen Feststellung nicht. Insbesondere lagen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Messung im vorliegenden Fall durch äußere Einflüsse (Licht- oder Schattenwurf anderer Fahrzeuge oder Objekte) ausgelöst worden sein könnte.
(2) Die Ablehnung des Beweisantrags erweist sich auch nicht allein deshalb als objektiv willkürlich, weil der Verteidigerin die Falldatensätze der gesamten Messreihe nicht — wie von ihr beantragt O— zur Verfügung gestellt worden waren. Denn das Amtsgericht hat — wie ausgeführt — nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erforschung der Wahrheit nicht als erforderlich erachtet, weil es von der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme überzeugt war und konkrete Anhaltspunkte für Messfehler weder vorgebracht noch sonst ersichtlich waren. Soweit sich die Verteidigerin insoweit auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 06.05.2015 (Az.: 2 Ss (OWi) 65/15, DAR 2015, 406 f.) beruft, durch den die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein amtsgerichtliches Urteil, nachdem die Verwaltungsbehörde die von ihm beantragte Übersendung der Messdatei ausdrücklich verweigert hatte, wegen Versagung rechtlichen Gehörs unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens bezüglich der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung zugelassen und das Urteil des Amtsgericht aus diesem Grund aufgehoben wurde, handelt es sich — wie das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Beschluss selbst ausgeführt hat — um eine „Ausnahmekonstellation", in der es die Ablehnung des Beweisantrags als willkürlich angesehen hat, weshalb die dortigen Ausführungen weder verallgemeinerungsfähig noch auf den vorliegenden Fall übertragbar sind (so bereits Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2017 - Ss RS 17/2017 (30/17 OWi) -). Aus dem von der Verteidigerin für ihre gegenteilige Ansicht herangezogenen Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 01.03.2016 (Az.: 2 OLG 101 Ss Rs 131/15, NStZ-RR 2016, 186 f.) lässt sich im vorliegenden Fall zu Gunsten des Betroffenen schon deshalb nichts herleiten, weil jenes Gericht in der Zurückweisung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Beiziehung der sogenannten „Lebensakte" eines Messgeräts lediglich eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht und des Rechts des Betroffenen auf ein faires Verfahren (gegen Letzteres: OLG Bamberg, Beschl. v. 04.10.2017 — 3 Ss OWi 1232/17, juris Rn. 15 ff.), nicht aber eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erblickt hat.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 S. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.