03.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208070
Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 06.11.2018 – 14 U 61/18
1. Gegen den PKW-Fahrer spricht der Beweis des ersten Anscheins, den Unfall verschuldet zu haben, wenn die Kollision eines Fahrradfahrers mit der geöffneten Fahrertür im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgte (§ 14 Abs. 1 StVO).
2. Ein die Alleinhaftung des PKW-Fahrers ausschließendes Mitverschulden des Radfahrers kann in einem zu geringen seitlichen Abstand des Fahrradfahrers zum geparkten PKW liegen, der - je nach den örtlichen Verhältnissen - mindestens 50 cm betragen sollte.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für eine ein Mitverschulden begründende Unterschreitung des Seitenabstandes eines Fahrradfahrers zu einem geparkten PKW obliegt dem PKW-Fahrer.
Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 06.11.2018
Az.: 14 U 61/18
Tenor:
- Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. März 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 14. Oktober 2014 auf der Straße "A. H. B." in L., zwischen dem vormaligen Kläger R. R. und der Beklagten zu 1, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.043,63 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21. Oktober 2015 zu zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. - Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
- Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.972,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt als Alleinerbin und Rechtsnachfolger des am 29. Juli 2018 verstorbenen vormaligen Klägers R. R. (im Folgenden: Erblasser) aufgrund eines Verkehrsunfalls Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten zu 100 % für materielle und immaterielle Schäden.
Der am ... 1933 geborene Erblasser fuhr am 14. Oktober 2014 gegen 16.30 Uhr mit seinem Fahrrad die Straße "A. H. B." in L. von der H.straße kommend in Richtung "E.".
Die Beklagte zu 1 hatte ihren Pkw Ford in der insgesamt 5,1 Meter breiten Straße "A. H. B." in Höhe der Hausnummer ... ordnungsgemäß in einer auf dem - aus Sicht des Erblassers am rechten Fahrbahnrand gelegenen - Seitenstreifen vorgesehenen Parkfläche unter teilweiser Benutzung des Gehweges geparkt und wollte aussteigen. Als die Beklagte zu 1 ihre Fahrertür öffnete, kam es zu einer Berührung zwischen Fahrrad und Fahrertür, wodurch der Erblasser stürzte und sich verletzte. Er erlitt unfallbedingt ein Schädelhirntrauma mit schmalem subduralem Hämatom rechts, mit nicht dislozierter Impressionsfraktur rechts sowie eine diskrete bifrontale schmale Subarachnoidalblutung und wurde deswegen stationär vom 14. bis 22. Oktober 2014 stationär behandelt, befand sich anschließend bis zum 12. November 2014 in Kurzzeitpflege und vom 13. November bis 11. Dezember 2014 in einer stationären neurologischen Rehabilitationsmaßnahme.
Die Parteien streiten u. a. darüber, in welchem Umfang die Beklagte zu 1 die Fahrertür geöffnet hat und mit welchem Seitenabstand zum Beklagtenfahrzeug der Erblasser fuhr.
Der Erblasser hat als vormaliger Kläger in erster Instanz behauptet, die Beklagte zu 1 sei durch ihre außerhalb des Pkw befindliche Mutter abgelenkt gewesen und habe plötzlich und ohne Beachtung des rückwärtigen Verkehrs ihre Fahrertür geöffnet und dadurch den Unfall allein verursacht. Es habe sich durch die unfallbedingt erlittenen Verletzungen auch ein Zwerchfellhochstand rechts bei Phrenikusparese entwickelt, wodurch er unter Atemnot gelitten habe und auf unabsehbare Zeit ärztlicher Behandlung bedurft hätte. Er hat Feststellung der Alleinhaftung der Beklagten begehrt, wobei er den Feststellungswert des bisherigen immateriellen Schadens mit 50.000 € und des materiellen Schadens mit 10.560 € für rückständigen Haushaltsführungsschaden und zusätzlichen krankheitsbedingten Aufwand sowie mit weiteren 52.800 € für die zukünftige Jahresrente bemessen hat und darüber hinaus das Interesse an der Feststellung der zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden mit ¼ der geschätzten gegenwärtigen Schäden mit 15.000 € benannt hat (insgesamt 128.360 €). Er hat gemeint, ihm sei für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit nach einem Gegenstandswert von 128.360 € eine 1,5-fache Geschäftsgebühr nebst Post- und Dokumentenpauschale sowie Umsatzsteuer, mithin 3.024,39 € zu erstatten.
Die Beklagten haben in erster Instanz behauptet, die Beklagte zu 1 habe vor dem Öffnen der Tür in den Rück- und Seitenspiegel geschaut und nachdem niemand zu erkennen gewesen sei, ihre Tür langsam und vorsichtig einen kleinen Spalt geöffnet, um nochmals Rückschau nehmen zu können. Zur Kollision sei es gekommen, da der Erblasser mit zu geringem Seitenabstand von nicht einmal 30 cm zu ihrem Fahrzeug gefahren sei, weswegen der Erblasser den Unfall mindestens zu 50 % mitverursacht habe.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines technischen Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. (schriftliches Gutachten vom 8. Mai 2017, Ergänzungsgutachten vom 18. August 2017 und Anhörung im Termin am 14. Februar 2018) und sowohl den Erblasser als auch die Beklagte zu 1 informatorisch angehört. Mit dem angefochtenen Urteil hat es festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auf Basis einer Haftungsquote von 80 % zum Ersatz materieller und immaterieller unfallbedingter Schäden verpflichtet seien, und die Klage hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen. Das Landgericht begründet dies damit, dass nach dem technischen Gutachten die Verletzung des Seitenabstandes bewiesen sei, da das Schadensbild an der Fahrertür des Beklagtenfahrzeugs nur dadurch zu erklären sei, dass die Tür bei Kollision lediglich in einem Winkel von 10 Grad, entsprechend einem Seitenabstand von 20 bis 25 cm, geöffnet gewesen sei. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien nicht erstattungsfähig, da der Erblasser den voraussichtlichen Schaden, der für die Bestimmung des Gegenstandswerts maßgeblich sei, nicht schlüssig dargelegt habe.
Mit seiner Berufung verfolgt - zunächst der Erblasser und nach dessen Versterben - die Klägerin, die den Rechtsstreit aufgenommen hat, das ursprüngliche Klagebegehren, soweit es abgewiesen wurde, weiter. Soweit das Landgericht ein Mitverschulden des Erblassers wegen eines zu geringen Seitenabstandes angenommen habe, habe es die Anforderungen des § 286 ZPO verkannt, da ein Öffnungswinkel der Tür von nur 10 Grad, welcher einem Seitenabstand von 20 bis 25 cm entspreche, nicht sicher feststehe, vielmehr auch ein Öffnungswinkel von 20 Grad, welcher einem Seitenabstand von 44 cm entspreche, bis zu 30 Grad, welcher einem Seitabstand von etwa 60 cm entspreche, nicht auszuschließen sei. Das Landgericht habe im Übrigen seinen Beweisantrag auf Einholung eines biomechanischen Gutachtens zu der Behauptung, dass sich die hauptsächlich auf der rechten Körperseite des Erblassers eingetretenen Verletzungen bei einem Türöffnungswinkel von 10 Grad und dem daraus resultierenden vom Sachverständigen M. angenommenen Unfallverlauf nicht vereinbaren ließen, übergangen. Auch seien die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig, da die Anforderungen des Landgerichts an den Sachvortrag zur voraussichtlichen Schadenshöhe überzogen seien.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 26. März 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, Az. 12 O 258/15,
1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr allen gegenwärtigen und zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden des vormaligen Klägers R. R. aus dem Verkehrsunfall vom 14. Oktober 2014 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihr vorgerichtliche Kosten in Höhe von 3.024,39 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und meinen, dass dieses hinsichtlich der Beweisaufnahme und der Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler erkennen lasse. Die Klägerin habe den außergerichtlichen Gegenstandswert zur Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht schlüssig dargelegt.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteivertreter Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat hinsichtlich der begehrten Feststellung der Alleinhaftung der Beklagten als Gesamtschuldner Erfolg, hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nur teilweise Erfolg.
1. Hinsichtlich der begehrten Feststellung der Alleinhaftung der Beklagten als Gesamtschuldner ist die Berufung begründet. Die Klägerin hat als Alleinerbin und Rechtsnachfolgerin des vormaligen Klägers R. R. (Erblasser) einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG, 426, 1922 Abs. 1 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach zu 100 % hinsichtlich aller dem Erblasser aus dem Verkehrsunfall vom 14. Oktober 2014 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
a) Gegen die Beklagte spricht der Beweis des ersten Anscheins, den Unfall verschuldet zu haben, weil die Kollision mit dem Fahrrad des Erblassers im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgte. Gemäß § 14 Abs. 1 StVO hatte sich die Beklagte zu 1 dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Zu den anderen Verkehrsteilnehmern im Sinne der Vorschrift gehört jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt, auch wenn dies verkehrswidrig sein sollte (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 231/17 - juris). Dazu gehörte der Erblasser. Die Beklagte zu 1 hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung vor der Kammer eingeräumt, ihn nicht gesehen zu haben ("Ich habe niemanden gesehen", Seite 2 des Protokolls vom 14. Februar 2018, Bl. 163 d. A.), obwohl der Erblasser als Fahrradfahrer auf der geraden Straße sichtbar war. Zwar darf der Fahrzeugführer die Tür vorsichtig einen Spalt nach links öffnen, um sich Sicht nach rückwärts zu verschaffen, jedoch erst nach Ausschöpfung der Beobachtungsmöglichkeiten vom Innern des Pkw aus (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 14 StVO Rn. 4 m. w. N.). Ob das hier so gewesen ist, ist schon nach den Erklärungen der Beklagten zu 1 zweifelhaft: sie will die Tür einerseits nur "etwa einen Spalt geöffnet" haben (Protokoll a. a. O.), weiß aber andererseits - was in Anbetracht des raschen Geschehensablaufs (so auch die Beklagte zu 1 a. a. O.: "das ging auch sehr schnell") gut nachvollziehbar ist - nicht, wie weit sie die Tür geöffnet hat ("kann ich nicht mehr sagen", Bl. 163 d. A.).
Demnach haften die Beklagten aus Betriebsgefahr des Pkw zuzüglich des erheblichen Verschuldens wegen eines Verstoßes gegen die höchsten Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr gemäß § 14 Abs. 1 StVO. Nach ständiger Rechtsprechung führt dies gegenüber einem nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer - Fahrradfahrer oder Fußgänger - regelmäßig zu einer Alleinhaftung des Pkw-Fahrers, -Halters und -Versicherers, wenn diesem nicht ein Verschulden nachgewiesen wird, weil auf Seiten des nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmers keine Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist.
b) Eine Mithaftung der Klägerin käme demnach nur dann in Betracht, wenn dem Erblasser ein Verschulden (§§ 9 StVG, 254 BGB) am Zustandekommen des Verkehrsunfalls nachzuweisen ist (§ 286 ZPO), wobei die Beklagten insoweit die Darlegungs- und Beweislast tragen.
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, hier insbesondere anhand der Angaben des Sachverständigen M., haben die Beklagten den Nachweis eines Verschuldens des Erblassers nicht geführt, § 286 ZPO.Insoweit kommt lediglich ein zu geringer seitlicher Sicherheitsabstand des Erblassers zum unstreitig - ordnungsgemäß geparkten - Beklagtenfahrzeug in Betracht (§ 6 StVO i. V. m. § 1 Abs. 2 StVO), für den es allerdings keinen objektiven Wert gibt, sondern der sich nach den jeweiligen Umständen richtet (Heß, a. a. O., § 6 StVO Rn. 6 m. w. N.).
(1) Einerseits müssen Fahrzeugführer bei der Straßenbenutzung möglichst weit rechts fahren (§ 2 Abs. 2 StVO). Jedoch ist ein Sicherheitsabstand nach rechts je nach den örtlichen Verhältnissen und der eingehaltenen Geschwindigkeit erforderlich. Auch zu geparkten Fahrzeugen ist ein situationsabhängiger Seitenabstand einzuhalten, der in der Regel etwa einen Meter beträgt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Mai 2005 - I-1 U 158/03 -, Rn. 70, juris). Bei beengten Verhältnissen kann der Abstand auch geringer ausfallen (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 14 StVO Rn. 45).
Im Allgemeinen darf der fließende Verkehr zwar darauf vertrauen, dass Wagentüren nicht plötzlich weit geöffnet werden (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 14 StVO Rn. 8 m. w. N.). Der Erblasser musste aber im Übrigen mit einem spaltweisen Türöffnen rechnen und einen entsprechenden Seitenabstand einhalten, sofern das Fahrzeug nicht erkennbar leer ist (BGH DAR 81, 148).
Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein hat, ist eine Frage des Einzelfalles. Dabei kommt es auf die Verkehrslage, Geschwindigkeit und die bauliche Situation, insbesondere die Breite der Straße, sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an. Auf einer breiteren Straße ist ein größerer Abstand zu erwarten, wobei bei großen Fahrzeugen, wie Lastkraftwagen, die unter Umständen einen Luftsog verursachen, auch ein größerer Abstand erforderlich sein kann. Der Seitenabstand soll in der Regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen einer Fahrzeugtür noch möglich ist (BGH, Urteil vom 16. September 1986 - VI ZR 151/85 -, Rn. 21, 24, juris). 34 Zentimeter reichen hierfür nicht aus (BGH, Urteil vom 3. Juli 1956 - VI ZR 59/55 -, juris). 50 Zentimeter haben schon genügen können (KG Berlin, Beschluss vom 30. Juli 2009 - 12 U 175/08 -, juris, m. w. N.).Vorliegend war die vom Erblasser mit dem Fahrrad befahrene Straße jedenfalls nicht schmal und auch nicht aufgrund der konkreten Verkehrssituation beengt. Vielmehr standen dem Erblasser von der Fahrbahnmitte bis zum Kantstein grundsätzlich 2,55 Meter bei einer 5,1 Meter breiten Straße zur Verfügung, jedoch reduziert um den Raum, den das parkende Beklagtenfahrzeug, welches insgesamt 1,709 Meter breit ist und nach den nach dem Unfall von der Polizei aufgenommenen Lichtbildern allenfalls geschätzt ca. 80 Zentimeter (vgl. Lichtbild Nr. 14, Seite 19 des Gutachtens M. vom 8. Mai 2017) der Straße nutzte, so dass zur (nichtmarkierten) Straßenmitte noch ca. 1,75 Meter für den Erblasser verblieben. Dazu kommt, dass das Beklagtenfahrzeug gut erkennbar war, insbesondere auch nicht in einer Reihe von geparkten Fahrzeugen stand, sondern sich vor und hinter diesem kein weiteres Fahrzeug befand.
Demnach wäre jedenfalls ein Seitenabstand von lediglich 20 Zentimetern (10 Grad Öffnungswinkel) grundsätzlich zu gering (so auch Senat, Urteil vom 7. Juni 2017 - 14 U 157/16 -, Rn. 24, juris). Gleiches würde bei einem seitlichen Abstand von lediglich 44 Zentimetern (20 Grad Öffnungswinkel) gelten. Bei einem Seitenabstand von mehr als 60 Zentimetern (entsprechend einem Öffnungswinkel von größer 30 Grad) wäre ein Mitverschulden des Erblassers jedenfalls zu verneinen.
(2) Der Sicherheitsabstand im Moment des Unfalls ist hier nicht festgestellt; er könnte sich im Rückschluss aus dem Öffnungswinkel der Tür im Moment der Kollision ergeben. Im Rahmen des von den Beklagten zu beweisenden Verschuldens des Erblassers obläge es also ihnen, den für den Verschuldensnachweis erforderlichen möglichst geringen Öffnungswinkel zu beweisen. Dazu hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 18. August 2017 ausgeführt (Seite 4), es sei "eine exakte Festlegung des Öffnungswinkels der Tür im Augenblick des Erstkontakts mit dem Fahrrad des Klägers nicht möglich". Weiter hat er in der Anhörung vor der Kammer erklärt (Protokoll vom 14. Februar 2018, Bl. 167 d. A.), "den genauen Sturzverlauf kann ich aber nicht feststellen, dazu hätte es zumindest der Feststellung der Endstellung des Fahrrades bedurft, um ggf. Rückschlüsse daraus ziehen zu können". Der Sachverständige hat dazu noch ergänzt (a. a. O., Bl. 165 d. A.), "aufgrund der vorgefundenen Spurenlage ist es nicht möglich, den Öffnungswinkel exakt zu berechnen. Zwischen 10 und 30 Grad Öffnungswinkel könnten möglich sein". Zwar hat der Sachverständige angegeben, den Unfallverlauf aufgrund der vorgefundenen Spurenlage bei einem Öffnungswinkel von etwa 30 Grad, welche zu einem Seitenabstand des Rades zum Unfallzeitpunkt von etwa 60 Zentimeter geführt hätte, für nicht darstellbar zu halten, und weiter angegeben, den Unfallverlauf bei einem Öffnungswinkel von etwa 20 Grad, welcher zu einem Seitenabstand des Rades zum Sturzzeitpunkt von etwa 44 Zentimeter geführt hätte, für eher unwahrscheinlich zu halten. Dass der Sachverständige M. im Folgenden einen geringeren Öffnungswinkel für "wahrscheinlich" oder "am plausibelsten" hält, ist für den Verschuldenseinwand bedeutungslos; diese Erwägungen ersetzen keinen Nachweis im Sinne von § 286 ZPO. Denn auch dann, wenn der Sachverständige ein Szenario technisch für unwahrscheinlich hält, ist dies technisch nicht ausgeschlossen. Lediglich einen Öffnungswinkel von 30 Grad hielt der Sachverständige nicht für darstellbar. Daraus folgt aber, dass aufgrund der bestehenden Unsicherheiten ein Öffnungswinkel von z. B. 29 Grad oder 25 Grad zumindest möglich ist. Das wird im Übrigen auch daraus deutlich, dass der Sachverständige selbst bei einem Öffnungswinkel von 10 Grad den Sturzverlauf für "verwunderlich" und "erstaunlich" hält (a. a. O., Bl. 166 d. A.), mithin erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf den eigentlichen Unfallverlauf bestehen. Im Rahmen des Verschuldensnachweises können diese Zweifel und Unsicherheiten aber nicht zum Nachteil des Erblassers/der Klägerin berücksichtigt werden.
Nach alledem ist ein Mitverschulden des Erblassers hier zu verneinen, da nicht nachgewiesen ist, dass der Kläger mit einem zu geringen Seitenabstand (unter 50 cm) an dem Pkw vorbeifuhr. Ebenso ist ungeklärt geblieben, wie weit konkret die Tür des Beklagtenfahrzeugs in den Verkehrsraum im Moment der Kollision hineinragte.(3) Weiter ist zu berücksichtigen, dass für den Erblasser das Öffnen der Tür durch die Beklagte zu 1 plötzlich und unvorhersehbar kam. Es ist nicht dargelegt und auch im Übrigen nicht erkennbar, dass für den Erblasser absehbar war, dass die Beklagte zu 1 die Fahrertür ihres Pkw öffnen werden würde. Vielmehr ergibt sich aus den kollisionsbedingten Schäden an der Fahrertür des Beklagtenfahrzeugs, dass die Kollision zwischen Tür und Lenker oder Bremshebel des Fahrrades des Erblassers stattgefunden hat, wobei es zu einem streifenden Kontakt gekommen ist, wie sich aus der Länge des tiefen Kratzers in der Tür ergibt (Lichtbilder Nr. 6 und 7 auf Seite 15 des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. M. vom 8. Mai 2017). Daraus folgt wiederum, dass die Beklagte zu 1 die Tür erst in dem Moment geöffnet haben kann, als der Erblasser den Pkw der Beklagten zu 1 mit seinem Fahrrad schon erreicht hatte. Denn anderenfalls wäre es zu einem Anstoß des Fahrrades von hinten gegen die Tür und damit zu einem anderen Schadensbild gekommen.
c) Die Beklagten haften daher mangels (Mit-)Verschuldens des Erblassers aus Betriebsgefahr und Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 StVO alleine.
d) Auf die Frage der Notwendigkeit der Einholung eines biomechanischen Gutachtens eines Sachverständigen zum genauen Sturzverlauf kommt es damit nicht mehr an.
2. Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Berufung hingegen nur zum Teil begründet.
Anders als das Landgericht meint, hat die Klägerin zum vorgerichtlichen Gegenstandswert, der der Beauftragung zugrunde lag, zwar zum Schmerzensgeld hinreichend substantiiert im Einzelnen vorgetragen, gleichwohl sind ihre Vorstellungen insoweit übersetzt.
a) Soweit die Klägerin ein Schmerzensgeld des Erblassers in einer Größenordnung von 62.500 € (für die Feststellung 80 % = 50.000 €) begehrt, ist dies trotz der unstreitig erlittenen Verletzungen, nämlich einem insoweit ausgeheilten Schädelhirntrauma mit schmalem subduralem Hämatom rechts, mit nicht dislozierter Impressionsfraktur rechts sowie einer diskreten bifrontalen schmalen Subarachnoidalblutung überzogen, zumal der Erblasser lediglich acht Tage in stationärer Krankenhausbehandlung und danach für vier Wochen zur Reha war. Aber auch unter Berücksichtigung des behaupteten Zwerchfellhochstands rechts bei Phrenikusparese als Traumafolge ist das geforderte Schmerzensgeld überhöht. Vielmehr ist unter Berücksichtigung von Vergleichsrechtsprechung (vgl. u. a. LG Duisburg, Urteil vom 20. Februar 2007 - 6 O 434/05 -; LG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2009 - 2b O 213/06 -; LG Bonn, Urteil vom 2. Dezember 2016 - 1 O 154/15 -; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 1. Juni 2017 - 4 U 122/16 -, jeweils zitiert nach juris) - die Behauptung der Klägerin zu den Verletzungen und Verletzungsfolgen des Erblassers als wahr bzw. bewiesen unterstellt - nur ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von maximal 15.000 € angemessen, so dass für den Gegenstandswert 12.000 € (80 % von 15.000 €) zu berücksichtigen sind.
Hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens behauptet die Klägerin einen unfallbedingten dauerhaften Mehraufwand des Erblassers von 23 Wochenstunden, ohne dies jedoch im Einzelnen zu belegen, und schätzt diesen auf 1.000 € monatlich. Hinzukommen soll ein unfallbedingter Mehraufwand von 100 € monatlich für Fahrtkosten zur Ärzten und Therapien, nicht erstattete Eigenanteile. Dies ist unsubstantiiert. Anders als die Klägerin meint, hat das Landgericht insoweit auch nicht die Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Gegenstandswertes für außergerichtliche Rechtsanwaltskosten überspannt. Auch wenn der voraussichtliche Schaden im Rahmen eines Feststellungsantrages grundsätzlich nicht der Höhe nach im Einzelnen dargelegt werden muss, kommt es bei der Berechnung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten allein auf den dem Erblasser bzw. der Klägerin tatsächlich zustehenden Schaden an, da nur dieser für die Bestimmung des Gegenstandwertes entscheidend ist.
Demnach musste die Klägerin für die Bemessung des Gegenstandswertes für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu ihrem Schaden bzw. dem des Erblassers - soweit dieser angefallen ist - substantiiert im Einzelnen vortragen und auch - soweit zukünftige Schäden im Raum stehen - zu deren Schadenswahrscheinlichkeit im Einzelnen vortragen. Hieran fehlt es zumindest hinsichtlich des Haushaltsführungsschadens nahezu vollständig, da die Klägerin nichts dazu vorträgt, ob und in welchem Umfang der Erblasser vor dem Unfall näher bezeichnete Haushaltstätigkeiten ausgeführt hat und inwieweit ihm diese aufgrund unfallbedingter Beeinträchtigungen nicht mehr möglich gewesen sind und auch eine Kompensation durch Umorganisation im Haushalt nicht möglich war. Gleiches gilt für den behaupteten verletzungsbedingten Mehraufwand von 100,00 i€ monatlich für Fahrtkosten und Eigenanteile. Auch hier wäre es der Klägerin ohne weiteres möglich gewesen, den Schaden, soweit dieser bereits entstanden ist, zu konkretisieren. Demzufolge fehlt es an einer Schätzungsgrundlage für eine Rente gem. § 843 ZPO ebenso, wie an einer Grundlage für einen zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden.
b) Entgegen dem Landgericht ist der Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten danach aber nicht vollständig unbegründet, sondern der Anspruch nach einem Gegenstandswert in Höhe von bis 16.000,00 € zu berechnen (Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,00 € zzgl. einem Erinnerungswert für weitere materielle Schäden in Höhe von 1.500,00 €).
Mit dem Landgericht geht der Senat von einer nur durchschnittlich umfangreichen und schwierigen Sache aus, so dass lediglich eine 1,3-fache Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG, mithin 845,00 € zzgl. Nebenkostenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 € sowie einer Dokumentpauschale gemäß Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 12,00 €, mithin 877,00 € netto, zzgl. USt. gemäß Nr. 7008 VV RVG hierauf, mithin 166,63 €, insgesamt somit 1.043,63 € erstattungsfähig sind, so dass die Berufung insoweit teilweise Erfolg hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; soweit die Klägerin mit der Berufung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ohne Erfolg bleibt, hat dies keine Mehrkosten ausgelöst, § 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war gemäß § 3 ZPO mit 10.972,00 € festzusetzen, mithin dem Unterliegen der Klägerin in Höhe von 1/5 in Bezug auf das erstinstanzlich geltend gemachte Begehren, wobei der Streitwert für die erste Instanz mit 54.860,00 € gemäß Senatsbeschluss vom 5. September 2018 festgesetzt worden ist, auf den zur Begründung Bezug genommen wird und an dem der Senat festhält.