Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 11.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214703

    Amtsgericht Bonn: Urteil vom 12.11.2019 – 114 C 125/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Bonn


    Tenor:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 801,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 28.01.2019 zu zahlen.

    Die Kosten der Säumnis im Termin vom 16.07.2019 trägt der Kläger. Die sonstigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    1

    Tatbestand:

    2

    Mit der Klage macht der Kläger  weitere Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.09.2018 geltend, für welchen die Beklagte als zuständiger Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners unstreitig dem Grunde nach voll einstandspflichtig ist. Die Parteien streiten um die Höhe der fiktiv abrechenbaren Reparaturkosten.

    3

    Der Kläger beauftragte außergerichtlich den Sachverständigen W mit der Schadensbegutachtung. Dieser errechnete unfallbedingte Reparaturkosten von 3.155,56 € netto (Anlage K 1, Bl. 6 ff der Akte). Der Gutachter setzte die Stundenverrechnungssätze einer N Fachwerkstatt an (Bl. 7, Bl. 18 der Akte). Mit Regulierungsschreiben vom 27.12.2018 rechnete die Beklagte auf die Position Reparaturkosten einen Betrag von 2.354,55 € ab (Anlage K 3, Bl. 39 ff der Akte) und verwies den Kläger auf andere Reparaturwerkstätten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 3 verwiesen.

    4

    Der Kläger legt ein Serviceheft vor (Anlage K 2, Bl. 31 ff der Akte), aus dem sich ergibt, dass alle Eintragungen von einer N Werkstatt stammen. Es sind folgende Wartungen verzeichnet:

    5

    23.12.2019 bei Kilometerstand 20.621

    6

    28.02.2011 bei Kilometerstand 35.691

    7

    29.07.2011 bei Kilometerstand 36.989

    8

    18.12.2012 bei Kilometerstand 48.312

    9

    06.03.2014 bei Kilometerstand 59.702

    10

    21.04.2015 bei Kilometerstand 72.413

    11

    01.04.2016 bei Kilometerstand 100.248

    12

    06.03.2017 bei Kilometerstand 124.553

    13

    Zusätzlich legt der Kläger eine Rechnung der Fa. N vom 08.03.2018 über einen „Service nach Anzeige“ (Service A mit Plus Pakte) vor (Bl. 129 der Akte). Der Kläger meint, schon wegen der regelmäßigen Wartung in einer Fachwerkstatt müsse er sich nicht auf andere und geringere Stundenverrechnungssätze verweisen lassen.

    14

    Nachdem der Kläger zum Termin am 16.07.2019 nicht erschienen war, ist die Klage mit Versäumnisurteil vom 16.07.2019 abgewiesen worden. Das Versäumnisurteil ist dem Kläger am 22.07.2019 zugestellt worden. Mit Fax vom gleichen Tag hat der Kläger hiergegen Einspruch eingelegt.

    15

    Der Kläger beantragt,

    16

    das Versäumnisurteil aufzuheben,

    17

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 801,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit dem 28.01.2019 zu zahlen.

    18

    Die Beklagte beantragt,

    19

    das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

    20

    Die Beklagte meint, der Kläger müsse sich auf die aufgezeigte Referenzwerkstatt verweisen lassen, da aufgrund mehrfachen Verstreichens der Wartungsintervalle von einer regelmäßigen Wartung in einer markengebundenen Fachwerkstatt nicht die Rede sein könne. Die Beklagte trägt sodann umfangreich streitig zu den Referenzwerkstätten vor.

    21

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze verwiesen.

    22

    Entscheidungsgründe:

    23

    Der  Einspruch ist zulässig weil fristgerecht. Die zulässige Klage ist begründet.

    24

    1.

    25

    Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 801,01 € gemäß §§ 7,17 StVG, 115 VVG. Es ist unstreitig, dass die Beklagte für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall der Höhe nach zu 100% haftet. Dem Kläger steht der Höhe nach ein weiterer Betrag in Höhe von 801,01 € als Differenz ersatzfähigen 3.155,56 € und der Zahlung von 2.354,55 €. Dem Kläger stehen fiktiv geltend gemachte Nettoreparaturkosten in Höhe von 3.155,56 € gemäß dem außergerichtlichen Gutachten des Sachverständigen W zu. Die Kürzung der Beklagten hinsichtlich der Stundenverrechnungssätze ist nicht begründet. Es kann dahinstehen, ob die sonstigen Voraussetzungen eines Verweises auf Alternativwerkstätten vorliegen, weil der Verweis auf einer alternative Reparaturmöglichkeit dem Kläger nicht zumutbar ist.

    26

    Es ist aufgrund der obergerichtlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass es bei Fahrzeugen, die älter als drei Jahre sind, für die Frage der Unzumutbarkeit darauf ankommt, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt oder ggfs. nach einem Unfall repariert worden ist (vgl. BGH NJW 2010, 606 ff.). Die Verweisung ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung „insbesondere“ dann unzumutbar, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (vgl. u.a. BGH NJW 2010, 2727 f., VersR 2010, 1380 f., NJW 2015, 2110 f.). Entgegen der Ansicht der Beklagten setzt die Annahme der Unzumutbarkeit einer Verweisung jedoch nicht zwingend voraus, dass eine lückenlose Wartung gemäß Scheckheft und gelegentliche Wartungsarbeiten ausschließlich in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgt sein müssen. Bereits aus der vom BGH verwendeten Formulierung „insbesondere“ geht hervor, dass es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Der Bundesgerichtshof hat seine Kriterien in der Entscheidung vom 07. Februar 2017 (BGH, Urteil‒ VI ZR 182/16 ‒) dahingehend präzisiert, dass die Nichtvornahme von „Inspektionen über einen Zeitraum von fünf Jahren vor dem Unfall“ zeigen, dass „der Kläger ersichtlich keinen Wert darauf gelegt, dass eine markengebundene Fachwerkstatt sein Fahrzeug regelmäßig wartet, weshalb er damit beispielsweise bei einem Verkauf seines Fahrzeugs nicht werben dürfte“ (BGH, U. v. 07.02.2017). Entscheidend ist demnach eine objektivierte Betrachtung der Frage, ob das Verhalt des Geschädigten zeigt, dass er sein Fahrzeug „regelmäßig“ wartet um damit bei einem Verkauf des Fahrzeugs werben zu können. Auf das strikte Einhalten von Inspektions- und Wartungsverhalten stellt der Bundesgerichtshof hierbei ausdrücklich nicht ab. Die Verwendung des Wortes „regelmäßig“ indiziert andererseits, dass allenfalls in Ausnahmefällen Arbeiten bei sonstigen Werkstätten vorgenommen werden dürfen und andererseits (zeitlich), dass die die Wartungsintervalle nicht völlig außer Acht bleiben können. Andererseits geht es hier nicht um die Frage der Einhaltung für die Herstellergarantie verbindlicher Inspektionsintervalle, sondern schlicht um die Frage, ob das Fahrzeug bei einem Verkauf noch als „scheckheftgepflegt bei dem Markenhersteller“ beworben hätte können. Dies ist bei einer Überschreitung der Inspektionsintervalle um einige Monate noch der Fall. Betrachtet man die vorliegenden Wartungsintervalle bei N

    27

    23.12.2009 bei Kilometerstand 20.621

    28

    28.02.2011 bei Kilometerstand 35.691

    29

    29.07.2011 bei Kilometerstand 36.989

    30

    18.12.2012 bei Kilometerstand 48.312

    31

    06.03.2014 bei Kilometerstand 59.702

    32

    21.04.2015 bei Kilometerstand 72.413

    33

    01.04.2016 bei Kilometerstand 100.248

    34

    06.03.2017 bei Kilometerstand 124.553

    35

    08.03.2018 bei Kilometerstand 149.473

    36

    geht es noch um für diese Betrachtung tolerable Überschreitungen der Wartungs- und Inspektionsintervalle. Zumeist betragen die Überschreitungen einen bis drei Monate. Die längste Überschreitung des Jahreszeitraums zwischen dem 29.07.2011 und dem 18.12.2012 beträgt ca. 4,5 Monate. Allerdings ist davor eine zeitlich vorgezogene Wartung (28.02.2011 ‒ 29.07.2011) vorgenommen worden, was dies zum Teil kompensiert. Selbst wenn man dies außer Acht lässt, kann bei einer einmaligen Überschreitung von Wartungsintervallen um diesen Zeitraum (noch) und weiteren nur geringfügigen Überschreitungen keine Rede davon sein, dass die Verkehrsauffassung das Fahrzeug des Klägers nicht mehr als „bei N scheckheftgepflegt“ einstufen würde. Bei mehrfachen Überschreitungen von mehr als vier Monate oder einer einmaligen Überschreitung von mehr als 6 Monaten wäre dies sicherlich anders. Hier liegt die Sachlage so aber nicht.

    37

    Der Anspruch auf Verzinsung wie tenoriert folgt aus §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB wegen endgültiger Erfüllungsverweigerung der Beklagten.

    38

    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 344, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    39

    Der Streitwert wird auf 801,01 EUR festgesetzt.

    40

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    41

    Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

    42

    1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

    43

    2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

    44

    Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

    45

    Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.

    46

    Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

    47

    Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

    48

    Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

    49

    Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.