27.03.2020 · IWW-Abrufnummer 215001
Amtsgericht Dortmund: Urteil vom 15.11.2019 – 729 OWi-267 Js 1718/19-287/19
Ehrenamtliche Tätigkeit als Vorsitzender des Vorstands einer gemeinnützigen Stiftung ist nicht geeignet, ein Absehen vom Fahrverbot begründen zu können.
Dies gilt umso mehr, wenn der Betroffene als Pensionär im öffentlichen Dienst gut abgesichert ist und ihm zudem eine sogenannte Schonfrist nach § 25 Abs.I2a StVG gewährt wird.
Urteil vom 15.11.2019
729 OWi-267 Js 1718/19-287/19
Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Bußgeldverfahren
gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Dortmund
aufgrund der Hauptverhandlung vom 15.11.2019,
an der teilgenommen haben:
für R e c h t erkannt:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer
Geldbuße von 240,00 € verurteilt.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.
Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. I in Verbindung mit Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 StVG.
G r ü n d e:
Der Betroffene .. war Beamter bei der Bundesagentur für Arbeit und ist Pensionär. Nach eigenen Angaben bedarf es für den Fall der Verhängung einer Geldbuße in Höhe des Bußgeldbescheides (240,00 €) keiner Anordnung einer Ratenzahlung.
Als Pensionär befasst sich der Betroffene mit ehrenamtlicher Tätigkeit. Er leitet als Vorsitzender des Vorstandes die „X-Stiftung NRW“, die in A ansässig ist, seinem ehemaligen Arbeitsort.
Am 9. Mai 2019 befuhr der Betroffene mit seinem PKW der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen xxx die Bundesautobahn 45 in Fahrtrichtung Frankfurt/Main in Höhe km 11,700 und überschritt hier um 12.07 Uhr die dort aufgrund von Fahrbahnreparaturarbeiten und nachfolgenden aufgebrachtem Rollsplitt angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 57 km/h. Er wurde durch den Polizeibeamten G der Polizei Dortmund mit dem Messgerät ProVida in gültig geeichtem Zustand und entsprechend der Bedienungsanleitung genutzt in dem ProVida-Messmodus „Synchron-manuell“ mit einer Geschwindigkeit von 145 km/h gemessen. Nach Abzug der nötigen Toleranz von 8 km/h ergab sich eine vor-werfbare Geschwindigkeit von 137 km/h und damit eine Überschreitung um 57 km/h.
Bei der für einen Fahrzeugführer auf einer Bundesautobahn gebotenen Sorgfalt hätte der Betroffene die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung erkennen können und müssen und seine Fahrgeschwindigkeit hierauf einstellen müssen. Die Geschwindigkeitsbeschränkung war nämlich vorgenommen durch beidseitige Zeichen 274 „120 km/h“ einige hundert Meter vor der späteren Messstelle mit dort angeordneten 80 km/h Höchstgeschwindigkeit. Diese Zeichen sind auf dem unters-ten Print des Videos Bl. 43 d.A. zu sehen, soweit es sich um das linksseitig der Fahrbahn angebrachte Geschwindigkeitsbeschränkungsschild handelt (auf dieses Lichtbild wird wegen der dreispurigen Autobahn-Fahrbahn und der Erkennbarkeit des geschwindigkeitsbeschränkenden Schildes auf der linken Seite der Fahrbahn ebenso Bezug genommen gemäß § 267 Abs. I Satz 3 StPO wie auf das weiße Fahrzeug des Betroffenen in der Bildmitte). Etwa 250 Meter weiter befanden sich zur Tatzeit an beiden Fahrbahnseiten Warnschilder mit einem großen aufgedruckten „!“ und einem Zusatzschild, das auf die Aufbringung von Rollsplitt hinwies. Insoweit wird auf das von oben gesehene dritte Lichtbild Bl. 43 d.A. gemäß § 267 Abs. I Satz 3 StPO Bezug genommen, das im linken Bildbereich das sich dort befindliche Ge-fahrenschild zeigt und im mittleren Bereich wiederum das Fahrzeug des Betroffenen. Es handelt sich hierbei wiederum um einen Printausdruck des Videos des Messfahrzeuges. Hier sind ebenso wie im erstgenannten Bild am linken Bereich der Fahrbahn, auf der sich der Betroffene befand, neu aufgebrachte Bereiche auf der Fahrbahn erkennbar, die zur Tatzeit mit Rollsplitt abgestreut waren. Weitere 200 Meter weiter befand sich zur
Tatzeit eine beidseitig angebrachte Geschwindigkeitsbeschränkung „ 80 km/h“ durch Zeichen 274. Auch in diesem Bereich waren auf der Fahrbahn des Betroffe-nen Rollsplittbereiche vorhanden. Wegen des Aussehens der Fahrbahn zu Beginn dieser Beschilderung und der Beschilderung bzw. der Position des Betroffenen auf dem linken Fahrstreifen wird auf das zweite Lichtbild Bl. 43 d.A. Bezug genommen, das im linksseitigen Bereich die „80 km/h“-Beschilderung zeigt und den Betroffenen auf dem linken Fahrstreifen abbildet. Auf dem rechten Fahrstreifen dieses Prints ist im Fernbereich ein LKW erkennbar, der sich auf einem der neu geteerten Bereiche der rechten Fahrspur befindet. Neugeteerte Bereiche im linken Fahrspurbereich des Betroffenen nach der 80 km/h-Beschilderung sind auf diesem Print noch nicht er-kennbar. Etwa 350 Meter weiter wurde dann die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben.
Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass er Fahrzeugführer gewesen sei. Er sei wohl auch zu schnell gefahren. Er habe die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht wahrgenommen. Er kenne die Strecke von regelmäßigen Fahrten. Bislang sei dort keine Geschwindigkeitsbegrenzung vorhanden gewesen. Das Gericht konnte die Geschwindigkeitsbegrenzung feststellen durch Inaugenscheinnahme der oben dargestellten Prints und durch Inaugenscheinnahme des Messvideos, das das ge-samte Durchfahren des mehrere 100 Meter langen Geschwindigkeitsbegrenzungsbereichs durch den Betroffenen abbildete und die entsprechend den oben erfolgten Darstellungen angebrachte Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. schließlich die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung. Anhand der Prints und vor allem anhand des Videos war deutlich sichtbar, dass sich in der fraglichen Zeit an der Tatörtlichkeit Flächen auf der Autobahn befanden, auf denen Rollsplitt aufgebracht war und hinsichtlich derer die Geschwindigkeitsbegrenzung vorgenommen war. Der Polizeibeamte G konnte die geschwindigkeitsbegrenzenden Schilder und die Mes-sung ebenso nachvollziehbar darstellen, wie auch den am Tatort aufgebrachten Rollsplitt. Er erklärte, er habe das ProVida-Fahrzeug der Polizei Dortmund in gültig geeichtem Zustand und entsprechend der Bedienungsanleitung eingesetzt. Er habe eine Messung im Modus „manuell-synchron“ durchgeführt. Der Zeuge hatte Prints mitgebracht, die den Start der Messung und das Ende der Messung darstell-ten, nämlich die beiden unteren Prints Bl. 42 d.A., wobei das unterste Print den Startpunkt der Messung markierte und das mittlere Print den Endpunkt der Mes-sung. Das unterste Print zeigt das Fahrzeug des Betroffenen auf dem linken der drei Fahrstreifen in Richtung Frankfurt nach Passieren der 80 km/h-Beschilderung. Dieses Startbild ist 1 Meter nach Auslösen der Messung gefertigt worden. Dies ergibt sich aus dem urkundsbeweislich verlesenen Datenfeld des Prints. Das weite-re Print zeigt das Fahrzeug des Betroffenen unmittelbar nach Beendigung der Mes-sung mit einem Messstreckenweg von 222 Metern wiederum auf der linken Fahr-spur, wobei im Hintergrund des Fahrzeuges das Schild über die Geschwindigkeits-aufhebung zu sehen ist. Das Messgerät hat für die Strecke von 222 Metern eine Zeitdauer von 5,51 Sekunden abgespeichert, dies ergibt sich aus dem urkundsbeweislich verlesenen Datenfeld des Messprints (mittleres Print Bl. 42 d.A.). Man erkennt anhand der beiden Prints, dass das Fahrzeug des Betroffenen im Laufe der Messung schneller geworden ist (das Fahrzeug des Betroffenen ist am Ende der Messung kleiner abgebildet als am Anfang der Messung), ohne dass dies sich auf das Messergebnis niedergeschlagen hat. Hierdurch ist ein zusätzlicher Toleranzab-zug zu Gunsten des Betroffenen erreicht worden. Im Übrigen konnte anhand einer Weg-Zeit-Berechnung die Strecke von 222 Metern bei 5,51 Sekunden einer tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit von 145 km/h zugeordnet werden, wovon der Toleranzabzug von 8 km/h vorzunehmen war. Die gültige Eichung des Messgerätes konnte das Gericht feststellen durch urkundsbeweisliche Verlesung des Eichscheins über das Messgerät ProVida 2000 Mudular mit der Ident-Nr. 244841. Das Messgerät war in Düsseldorf am 21.09.2018 mit Gültigkeit bis Ende 2019 geeicht worden. Die Angaben des Zeugen G konnte das Gericht überprüfen anhand des Einsatzprotokolls vom Tattage, das ebenso urkundsbeweislich verlesen werden konnte und dass einen ordnungsgemäßen Einsatz des Fahrzeugs entsprechend der Bedienungsanleitung wiedergab.
Dementsprechend hat der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 57 km/h überschritten. Dier hierfür vorgesehen Regelgeldbuße von 240,00 € hielt das Gericht (11.3.8 Bußgeldkatalog) den Umständen nach angemessen für eine Ahndung des Verkehrsverstoßes des Betroffenen. Besonderheiten, die ein Herauf- oder Herabsetzen von der Regelgeldbuße nahegelegt hätten, sind nicht bekannt geworden und auch nicht geltend gemacht worden.
Ferner hat der Betroffene einen Regelfahrverbotstatbestand verwirklicht, so dass ein 1-monatiges Fahrverbot zu verhängen war. Der Verstoß des Betroffenen war grob pflichtwidrig im Sinne des § 25 Abs. I Satz 1 StVG. Als Härten hat der Betroffene geltend gemacht, dass er sich ehrenamtlich bei der besagten gemeinnützigen Stiftung engagiere. Derartige ehrenamtliche Tätigkeit des Betroffenen ist jedoch nicht geeignet, ein Absehen vom Fahrverbot begründen zu können.
Dies gilt umso mehr, als der Betroffene als Pensionär im öffentlichen Dienst gut abgesichert ist und ihm zudem eine sogenannte Schonfrist nach § 25 Abs.II a StVG gewährt werden konnte.
Dem Gericht war dabei klar, dass grundsätzlich nach § 4 Abs. IV Bußgeldkatalogverordnung ein Absehen vom Fahrverbot gegen angemessene Erhöhung der Regelgeldbuße möglich ist. Das Gericht hat hiervon jedoch angesichts der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung im Verhältnis zu der zulässigen Geschwindigkeit keinen Gebrauch gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG.