05.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215474
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 07.03.2019 – 4 RBs 392/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen.
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung ‒ auch über die Kosten des Rechtsmittels ‒ an das Amtsgericht Coesfeld zurückverwiesen.
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Gründe:
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I.3
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 125 EUR verurteilt. Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
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„Am 20.04.2018 befuhr der Betroffene gegen 15:00 Uhr mit dem PKW # mit dem amtlichen Kennzeichen ## die L506 in C in Fahrtrichtung C. Zu diesem Zeitpunkt kontrollierten der Zeugen T und N den Betroffenen in Höhe der Bushaltestelle I, indem sie den Betroffenen über das Lasermessgerät Riegl im Rahmen einer Geschwindigkeitskontrolle erfassten. Dabei konnten sie den Betroffenen sehen, der mit seinem Sattelzug die Landstraße befuhr und dabei ein Mobiltelefon in der rechten Hand hielt und mit dem Handy in der Hand lose auf dem Armaturenbrett liegende Zettel aufnahm.“
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
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Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung des Antrags als unbegründet.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden zu übertragen (Entscheidung des Einzelrichters). Die Frage, ob das Halten eines elektronischen Gerätes während des Führens eines Fahrzeugs ohne eine zweckbestimmungsgemäße oder zweckwidrige Benutzung einen tatbestandsmäßigen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO darstellt, ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus für die Rechtsprechung im Ganzen von Bedeutung. Bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung, die auch künftig vielfach vorkommen kann, ist zu befürchten, dass die angefochtene Entscheidung Fehlentscheidungen dieser Art nach sich zieht, sei es durch das erkennende Tatgericht als auch durch andere Gerichte aufgrund eines Nachahmungseffektes.
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III.
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Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.
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Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
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Der Senat hat in seinem Beschluss vom 28. Februar 2019 (III-4 RBs 30/19) zur Neufassung von § 23 Abs. 1a StVO Folgendes ausgeführt:
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„Nach der zu § 23 Abs. 1a StVO a.F. ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung war ein bloßes Halten im Sinne eines Aufhebens oder Umlagerns eines Mobiltelefons nicht tatbestandsmäßig (vgl. OLG Hamm, NJW 2006, 2870; OLG Düsseldorf, NZV 2007, 95, jeweils m.w.N.). Im Unterschied zur alten Fassung der genannten Vorschrift, die ein Verbot formulierte, regelt § 23 Abs. 1a StVO in der Neufassung (nach Änderung durch Art. 1 Nr. 1 der 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 06. Oktober 2017 mit Wirkung zum 19. Oktober 2017) nunmehr ein Gebot, unter welchen Voraussetzungen eine Gerätenutzung zulässig ist und normiert in Abs. 1b Ausnahmen von diesen Anforderungen in bestimmten Fällen (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 25). § 23 StVO lautet auszugsweise:
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(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
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1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
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2. entweder
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a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
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b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
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(…)
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(1b) Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für (…).
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Aber auch nach der Neufassung der Norm ist ‒ im Gegensatz zu der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung ‒ allein das bloße Halten eines elektronischen Geräts während des Führens eines Fahrzeugs kein tatbestandsmäßiger Verstoß. Eine andere Auslegung des § 23 Abs. 1a StVO n.F. wäre schon mit dem Wortlaut der Vorschrift, die jedenfalls ein „benutzen“ voraussetzt, nicht vereinbar. Fehlt es am Element der „Benutzung“, so unterfällt auch allein das „Halten“ nicht dem Verbot (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07. Februar 2019 ‒ 3 Ss (OWi) 8/19 ‒ mit eingehender Begründung, juris Rn. 9 ff.). Einer solchen Auslegung steht auch nicht die vom Amtsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg entgegen. Aus der dort herangezogenen Begründung des Entwurfes der Verordnung (BR-Drs. 556/17) ergibt sich vielmehr, dass mit der Neufassung u.a. eine Regelungslücke geschlossen werden sollte, und zwar für Konstellationen, in denen das Gerät in der Hand gehalten wird, obwohl dies nicht erforderlich wäre (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss v. 25. April 2016 ‒ 4 Ss 212/16 ‒). Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das Element der „Benutzung“ keine Tatbestandsvoraussetzung (mehr) sein soll (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 26; so auch OLG Celle, a.a.O., Rn. 13).
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Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG bedurfte es vorliegend nicht. Die vom Oberlandesgericht Oldenburg geäußerte Rechtsauffassung, dass bereits das Halten eines Mobiltelefons während des Führens eines Fahrzeugs einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO n.F. darstelle und es auf den Grund des Haltens nicht ankomme (vgl. OLG Oldenburg, a.a.O.) ‒ von der vorliegend abgewichen werden soll ‒ war nicht tragende Grundlage jener Entscheidung. In dem dort zu entscheidenden Fall war aufgrund des mehrere Sekunden andauernden Anschauens des Displays eine über das bloße Halten des Mobiltelefons hinausgehende Benutzung des Geräts ohne Zweifel gegeben (so auch OLG Celle, a.a.O., Rn. 15).
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Zwar ist zur Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes in der Neufassung über das bloße Halten eines elektronischen Gerätes (das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist) hinaus eine „Benutzung“ des Geräts während des Führens eines Fahrzeugs erforderlich. Jedoch bedarf die Frage, ob hierfür irgendein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation hinzukommen muss (so eingehend begründet OLG Celle, a.a.O., Rn. 9 ff.; so wohl auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. Oktober 2018 ‒ 2 Rb 9 Ss 627/18 ‒, juris), oder aber auch irgendeine, wenn auch zweckentfremdete Benutzung genügt, im vorliegenden Fall indes keiner abschließenden Entscheidung.“
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Unter Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen als unzureichend. Denn der Betroffene hat diesen Feststellungen zufolge das Mobiltelefon zwar in der Hand gehalten, aber weder bestimmungs-
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gemäß noch zweckwidrig benutzt. Vielmehr hat er lediglich bei Gelegenheit des Wegräumens einiger Papierblätter das Mobiltelefon in der Hand gehalten, was mangels Benutzung des Gerätes den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO n.F. nicht erfüllt.
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IV.
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Dieser sachlich-rechtliche Mangel führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache, da Feststellungen zu einer etwaigen Benutzung des Mobiltelefons noch getroffen werden können.
RechtsgebietStVOVorschriftenStVO § 23 Abs. 1a