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  • 16.12.2021 · IWW-Abrufnummer 226461

    Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 21.11.2021 – 2 OWi 32 SsBs 240/21

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des AmtsgerichtsMontabaur vom 14. Juli 2021 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung undEntscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilungdes Amtsgerichts Montabaur zurückverwiesen.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht Montabaur hat den Betroffenen wegen einer am 4. Februar 2020als Führer eines Pkw außerhalb geschlossener Ortschaften begangenenfahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h zueiner Geldbuße von 170,00 Euro verurteilt. Außerdem ist gegen den Betroffenenein mit der Anordnung nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG verbundenesFahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt worden.

    Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen undmateriellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahmevom 6. Oktober 2021 beantragt zu entscheiden wie erkannt. Der Verteidiger hatvon der ihm eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme zum Votum derGeneralstaatsanwaltschaft keinen Gebrauch gemacht.

    II.

    Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Sachrüge ‒ zumindest vorläufig ‒Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zurZurückverweisung der Sache an dieselbe Abteilung der Vorinstanz (§ 79 Abs. 6 OWiG). Auf die Verfahrensrügenkommt es nicht mehr an.

    Das Urteil weist einen sachlich-rechtlichen Fehler zu Lasten des Betroffenenauf.

    Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu folgendes ausgeführt:

    „Das Urteil lässt nicht erkennen, ob sich der Betroffene in derHauptverhandlung geäußert oder von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat.Auch bleibt unklar, ob und aus welchen Gründen der Tatrichter eine eventuelleEinlassung für widerlegt angesehen hat. Diese Säumnis stellt jedenfalls danneinen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn die Möglichkeitbesteht, dass sich der Betroffene in eine bestimmte Richtung verteidigt hat undnicht ausgeschlossen werden kann, dass der Tatrichter die Bedeutung derErklärung verkannt oder sie rechtlich unzutreffend gewürdigt hat. Insbesonderedann, wenn der Betroffene konkrete Einwendungen gegen die Messung erhoben hat,muss sich das Tatgericht damit auseinandersetzen. Ob dies der Fall war undeinen Grund zu einer eingehenderen Auseinandersetzung ‒ die grundsätzlich beimVorliegen eines standardisierten Messverfahrens nicht erforderlich ist ‒geboten hätte, kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nur dann beurteilen, wenndie Einlassung des Betroffenen in ihren wesentlichen Grundzügen mitgeteiltwird. Auch hinsichtlich der Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs bedarf esder Mitteilung der Einlassung des Verfolgten. Nur in diesem Fall kann der Senatprüfen, ob der Sachverhalt Besonderheiten aufweist, welche es ausnahmsweisegebieten, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen (vgl. OLG Karlsruhe,Beschluss vom 16.10.2006 ‒ 1 Ss 55/06, BeckRS 2006,13397). Nur in sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen vongeringer Bedeutung kann unter Umständen auf die Wiedergabe der Einlassung ohneVerstoß gegen die materiell-rechtliche Begründungspflicht verzichtet werden.Wird ein Fahrverbot verhängt, so liegt ein derartiger Fall geringer Bedeutungallerdings bereits deshalb nicht vor (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom05.07.2007 ‒ 2 Ss 114/07,BeckRS 2007,11770; OLG Köln, Beschluss vom 11.03.2011 ‒ 1 RBs 52/11, BeckRS2011, 6306). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil aufdiesem Fehler beruht, sodass dieser Fehler zur Aufhebung führen muss.“

    Dem schließt sich der Senat nach eigener kritischer Prüfung an. Das Urteilwar daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben, §§ 353Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG und die Sache zurneuen Entscheidung ‒ auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens ‒ andas Amtsgericht zurückzuverweisen, § 79 Abs. 6 OWiG.

    Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat noch darauf hin,dass ‒ wenn das Gericht auch die Voreintragung vom 12. Februar 2020bußgelderhöhend berücksichtigen will ‒ es einer vollständigen Darstellung desrelevanten Inhaltes dieser Voreintragung bedarf. Die Generalstaatsanwaltschafthat darauf bereits wie folgt zutreffend hingewiesen:

    „Will das Gericht allerdings ‒ wie vorliegend ‒ die Voreintragungen desBetroffenen neben der Anordnung eines Fahrverbots bußgelderhöhendberücksichtigen, muss das Urteil die noch verwertbaren Voreintragungenvollständig und präzise wiedergeben (vgl. Lay, in: BeckOK Straßenverkehrsrecht,15.07.2021, OWiG, § 79, Rn. 317). Hierzu gehört insbesondere ‒ neben demEintritt der Rechtskraft und der Rechtsfolge ‒ auch der Erlasszeitpunkt und dieMitteilung der Tatzeit (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25.09.2019 ‒ 202 ObOWi1845/19, BeckRS 2019,28055). (…) Denn erforderlich ist jedenfalls die Feststellung, dassdem Betroffenen im Zeitpunkt seiner erneuten Verfehlung die Vorbelastungbekannt war. Nur dann hat er nachweislich und vorwerfbar eine gegen ihnergangene sanktionsmäßige Warnung negiert.“