27.09.2022 · IWW-Abrufnummer 231463
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 28.04.2022 – 30 U 32/22
1. Es ist nicht Aufgabe der Annahmestelle eines Berufungsgerichts, eine eingehende Berufungsschrift daraufhin zu überprüfen, ob sie eine ordnungsgemäße (einfache) Signatur enthält.
2. Ein Rechtsanwalt hat selbst zu überprüfen, ob ein Schriftsatz im Sinne des § 130a Abs. 1 ZPO an seinem Ende die für eine einfache Signatur erforderlichen Angaben enthält. Er darf diese Aufgabe nicht an seine Angestellten übertragen. Für eine ordnungsgemäße einfache Signatur genügt die Angabe "Rechtsanwalt" nicht; vielmehr muss sie auch den Namen des Rechtsanwalts enthalten.
Oberlandesgericht Hamm
Tenor:
Der Antrag des Klägers vom 10.02.2022 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 23.12.2021 ‒ 5 O 265/20 ‒ wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 104.823,72 € festgesetzt
1
Gründe
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I.
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Die Parteien machen wechselseitige Ansprüche aus einem Kaufvertrag über diverse Kraftfahrzeuge geltend, von dem der Beklagte den Rücktritt erklärt hat. Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung verschiedener geleisteter Anzahlungen in Höhe von insgesamt 19.700 € sowie Schadensersatz in Höhe von 77.604 € wegen hypothetischer Deckungsgeschäfte. Das Landgericht hat seine Klage abgewiesen und ihn auf die Widerklage der Beklagten hin zur Zahlung von 7.519,72 € Schadensersatz wegen eines berechtigten Rücktritts der Beklagten vom Kaufvertrag verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, für die er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S.v. § 233 S. 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsfrist begehrt.
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Das Urteil des Landgerichts Essen vom 23.12.2021 (vorgeheftet d.A.-LG und Bl. 4 eA-OLG) ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.12.2021 (vorgeheftet d.A.-LG) am selben Tag zugegangen. Die Berufungsschrift ist dem Oberlandesgericht Hamm aus einem besonderen Anwaltspostfach am 27.01.2022 übermittelt worden (Bl. 1 eA-OLG). Das Dokument ist nicht qualifiziert signiert (Bl. 1 eA-OLG). Es schließt mit der Bezeichnung „Rechtsanwalt“; ein konkreter Name wird nicht genannt (Bl. 3 eA-OLG).
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Der Berufungsschriftsatz ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein (Bl. 22 eA-OLG) und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt (Bl. 22 eA-OLG).
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Mit Verfügung vom 04.02.2022 wies die zuständige Berichterstatterin den Kläger darauf hin, dass die Berufungsschrift nicht den Anforderungen i.S.v. §§ 519 Abs. 4, 130, 130a ZPO entsprechen dürfte. Denn es habe mindestens einer einfachen Signatur bedurft, von der vorliegend mangels abschließender Namenswiedergabe nicht auszugehen sei (Bl. 25 eA-OLG).
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Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ihm im Hinblick auf die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Die Versäumung der Frist aufgrund fehlender einfacher Signatur sei unverschuldet.
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Die seit 5 Jahren beschäftigte, zuverlässige und für den Umgang mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) gesondert geschulte Angestellte, Frau A, sei von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers damit beauftragt worden, einen zur Berufungseinlegung gefertigten Schriftsatz noch am 27.01.2022 zur Versendung an das erkennende Gericht über das beA des Unterzeichners bis zur Versendungsreife vorzubereiten.
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Hierbei sei erstmalig und bislang einmalig sowie entgegen des Inhalts der gesonderten Schulung und der erteilten Weisung des Unterzeichners übersehen worden, dass der Schriftsatz an Stelle mit dem Nachnamen des Unterzeichners lediglich mit dem Wort „Rechtsanwalt“ geendet habe.
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Entgegen der Handhabung bei analoger Unterzeichnung eines Schriftsatzes müssten die digital erstellten und gespeicherten Schriftsätze vor Versendung nicht mehr zur analogen Unterzeichnung vorgelegt werden. Die digitale Unterzeichnung erfolge mittels einfacher Signatur, d.h. mittels maschinenschriftlicher Nennung des Nachnamens des den Schriftsatz verantwortenden Rechtsanwalts. Dies sei auch bislang entsprechend gehandhabt worden.
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Die Übersendung sei vom beA des Unterzeichners erfolgt und von diesem selber angestoßen worden. Damit sei bereits sichergestellt, dass der versendete Schriftsatz mit Wissen und Wollen des den Schriftsatz verantwortenden Rechtsanwalts bei Gericht eingereicht worden sei. Es sei ebenso klar- und sichergestellt, dass die Erklärung der Berufungseinlegung von diesem stamme, erklärt habe werden sollen und erklärt worden sei.
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Zudem sei eine Befassung des Gerichts mit der Berufung und der Berufungsschrift bereits am 28.01.2022 gegeben. Der Eingang der Berufungsschrift sei von Seiten des Gerichts durch Frau B gegenüber Frau C auf telefonische Nachfrage an diesem Tag bestätigt worden.
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Trotz der Befassung des Gerichts mit der Berufung sei der Hinweis des Gerichts erst über eine Woche später mit Schreiben vom 04.02.2022 erfolgt. Bei dem nunmehr monierten Umstand der fehlenden Unterzeichnung bzw. fehlenden einfachen Signatur handele es sich um einen Umstand, welcher tatsächlich keinerlei juristische Vorbildung erfordere und problemlos innerhalb von Sekunden überprüfbar sei. Damit habe bereits am 28.01.2022 ein Hinweis erfolgen können und müssen. Auch habe der Schriftsatz vom 27.01.2022 nicht nur unverzüglich, sondern sofort dem Senat oder zumindest einem Mitglied des Senats unter Hinweis auf die Signatur vorgelegt werden müssen. Sodann hätte umgehend, also noch vor Ablauf der Berufungsfrist, ein entsprechender Hinweis telefonisch, per Telefax oder per beA erteilt werden können und müssen. Der gerügte Mangel hätte sodann noch behoben werden können.
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Der Kläger beantragt mit bei dem Oberlandesgericht Hamm am 10.02.2022 eingegangenen Schriftsatz (35/36 ff. eA-OLG),
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ihm gegen die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.
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Sie meint, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die Berufungsschrift nicht selber versendet, sondern einer Mitarbeiterin aufgegeben, diesen zu versenden. Hierdurch offenbare sich das Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers. Denn selbst wenn die Mitarbeiterin den Anweisungen gefolgt wäre und den Schriftsatz mit einer einfachen Signatur für ihn versendet hätte, würde dies nicht den Anforderungen genügen. Denn bei der einfachen Signatur müsse zwischen dem Absender und der das elektronische Dokument zu verantwortenden Person Personenidentität bestehen. Daher könne bei einer einfachen Signatur beA als sicherer Übermittlungsweg nur angesehen werden, wenn der Inhaber des beA das elektronische Dokument selber übermittele, weil das überprüfbar sei. Werde der Absendevorgang einem Sekretariat überlassen, so sei die qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.
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Auch könne keine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht angenommen werden. Denn eine unzulässige Einreichung des Schriftsatzes habe das Gericht nach dem Vortrag der Klägerseite nicht verhindern können.
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II.
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Die Berufung ist unzulässig. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
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1.
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Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufung nicht formgemäß innerhalb der Berufungsfrist i.S.v. § 517 ZPO eingelegt worden ist.
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Zwar ist die Berufungsschrift am 27.01.2022 bei dem Oberlandesgericht Hamm aus einem besonderen Anwaltspostfach und damit binnen der mit Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 30.12.2021 beginnenden Berufungsfrist von einem Monat eingegangen. Sie entsprach jedoch nicht den Erfordernissen des § 519 Abs. 4 ZPO i.V.m. §§ 130 Nr. 6, 130a ZPO.
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a)
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Die als elektronisches Dokument eingegangene Berufungsschrift hätte jedenfalls einer einfachen Signatur bedurft, die jedoch vorliegend nicht vorhanden war. Denn eine einfache Signatur i.S.v. § 130a Abs. 3 S. 1 2. Alt. ZPO meint die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 ‒ 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2021 ‒ 17 W 13/21 ‒ Rn. 13 f.). Eine solche ist in der Berufungsschrift vom 27.01.2022 indes nicht vorhanden. Dort ist lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ aufgeführt.
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b)
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Es kann auch nicht aufgrund sonstiger Umstände von einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung ausgegangen werden. Zwar kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO, wonach das Fehlen einer Unterschrift unschädlich sein kann, wenn auch ohne die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2010 ‒ IX ZB 60/10, BeckRS 2011, 117, Rn. 5), auch auf die Fälle übertragen werden, wenn eine einfache Signatur nicht erfolgt ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 19; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 19 f.). Solche besonderen Begleitumstände sind jedoch vorliegend nicht erkennbar.
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Die Nennung des Nachnamens im Kopf der Berufungsschrift ist insoweit nicht ausreichend. Denn sie trifft keine Aussage darüber, wer für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift auch die Verantwortung übernehmen will (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20). Ferner lässt sich auch aus dem Umstand der Versendung aus dem Postfach eines im Kopf der Berufungsschrift genannten Rechtsanwalts nicht zweifelsfrei feststellen, dass dieser die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Denn aufgrund der fehlenden einfachen Signatur lässt sich gerade nicht feststellen, ob die als Absender ausgewiesene Person identisch mit der den Inhalt des Schriftsatzes verantwortenden Person ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20).
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2.
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Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der entsprechende Antrag vom 10.02.2022 gemäß § 236 ZPO ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Fristversäumung auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden beruht (§ 233 S. 1 ZPO).
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a)
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Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Angestellte des Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem beauftragt worden ist, einen Berufungsschriftsatz bis zur Versendungsreife vorzubereiten. Denn es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2022 ‒ VI ZB 78/21, BeckRS 2022, 7011, Rn. 9). Nichts anderes kann im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur gelten. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11).
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Ausgehend hiervon hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sorgfaltswidrig gehandelt.
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Ob seine Angestellte zuverlässig sowie besonders geschult war und sie erstmalig und einmalig entgegen der Weisung des Prozessbevollmächtigten des Klägers anstelle dessen Namen lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ eingefügt hat, ist insoweit irrelevant. Denn es oblag dem Prozessbevollmächtigten selber, den Schriftsatz dahingehend zu überprüfen, ob sein Namenszusatz unterhalb des Schriftsatzes vorhanden ist, bevor er diesen an das Gericht übersandt hat.
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b)
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Schließlich hat auch das Vorbringen des Klägers, das Gericht habe vor Ablauf der Berufungseinlegungsfrist auf das Fehlen der einfachen Signatur hinweisen müssen, keinen Erfolg.
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Zwar kann der Anspruch auf ein faires Verfahren eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein Rechtsmittel nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Insoweit kann eine Partei erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein aus diesem Grund aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken. Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 ‒ 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rn. 27; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.10.2017 ‒ LwZB 1/17, NJW 2018, 165, Rn. 11).
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist nicht von der Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht auszugehen. Hierbei übersieht der Senat nicht, dass grundsätzlich eine gerichtliche Fürsorgepflicht anzunehmen ist, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel ‒ wie die fehlende Unterschrift in einem bestimmenden Schriftsatz ‒ hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (vgl. BAG, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 14.10.2008 ‒ VI ZB 37/08, NJW-RR 2009, 564, Rn. 10). Die am 27.01.2022 bei dem Oberlandesgericht Hamm eingegangene Berufungsschrift ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtsmittelfrist aber schon abgelaufen, so dass ein Hinweis ihre Einhaltung nicht mehr hätte erreichen können.
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Insoweit kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, der Schriftsatz hätte dem zuständigen Senat eher vorgelegt werden müssen. Denn der Ablauf entspricht dem eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs und für eine rechtliche Prüfung der gesetzlichen Anforderungen des Schriftsatzes ist ausschließlich der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts zuständige Senat berufen. Auch der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine anderweitige Wertung nicht zu entnehmen. Denn diese stellt gerade auf die richterliche Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ab.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.