05.05.2015 · IWW-Abrufnummer 176619
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 24.03.2015 – VI ZR 534/13
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und die Richterin Dr. Oehler
beschlossen:
Tenor:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. November 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 40.000,00 €
Gründe
I.
1
Die Klägerin war nach ihrer Behauptung Eigentümerin, jedenfalls Besitzerin eines Pferdes, das am 23. Juni 2012 zusammen mit einem anderen Pferd auf ihrem Weidegrundstück graste. Der Beklagte ist Eigentümer des angrenzenden landwirtschaftlichen Grundstücks. Er stellte gegen 8.00 Uhr eine Bewässerungsanlage an, die einen halbkreisförmigen Schauerregen mit einem ca. 30 Meter langen Wasserstrahl auf eine Länge von 10 Metern auch auf die Weide der Klägerin schleuderte. Die Pferde gerieten in Panik. Bei dem Versuch, über den Zaun zu springen, verletzte sich das fragliche Pferd so schwer, dass es eingeschläfert werden musste.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Pferde nicht aufgrund eines Kontaktes mit dem Wasserstrahl in Panik geraten seien, sondern aufgrund der mit dem Einsatz der Bewässerungsanlage einhergehenden optischen und akustischen Reize. Diesen Reizen wären sie genauso ausgesetzt gewesen, wenn das Gerät einige Meter weiter im Feldinnern in Betrieb genommen worden wäre. Der Beklagte hafte auch nicht deshalb, weil er die Bewässerungsanlage auf seinem Feld grenznah in Betrieb genommen habe, ohne sich wegen denkbarer Gefahren zu vergewissern und Vorkehrungen dagegen zu treffen.
II.
3
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
4
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG , wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08 , VersR 2009, 1137 Rn. 2 mwN).
5
2. So verhält es sich im Streitfall. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, das Berufungsgericht habe gehörswidrig nicht berücksichtigt, dass die Klägerin in der Stellungnahme vom 25. Oktober 2013 zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts die Einholung eines hippologischen Sachverständigengutachtens für ihre Behauptung beantragt habe, dass ein Pferd in Panik gerate, wenn bei einem Knall ein massiver Wasserstrahl auf das Tier zufliege und in unmittelbarer Nähe auf den Boden prassele, jedoch nur erschrecke, wenn dies in 10 bis 15 Metern Entfernung geschehe. Das Berufungsgericht sei auf diesen Beweisantritt nicht eingegangen und habe damit gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstoßen.
6
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Vorbringens zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Wegen der deswegen erheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs ist die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auch die Einwendungen des Beklagten zu berücksichtigen. Der erkennende Senat weist insoweit darauf hin, dass eine Pflichtverletzung des Beklagten schon deswegen in Betracht kommt, weil dessen Bewässerungsanlage den Wasserstrahl auf eine Länge von 10 Metern auf die Weide der Klägerin schleuderte und dadurch die Gefahr einer panischen Reaktion der Pferde auch dann bestanden haben kann, wenn der Wasserstrahl diese nicht unmittelbar getroffen hat.
Galke
Wellner
Pauge
Stöhr
Oehler