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  • 04.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146246

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 08.01.2016 – IV-3 RBs 132/15

    1. Die in ein Messfoto eingeblendeten Daten sind kein Bestandteil einer „Abbildung“, so dass eine Bezugnahme gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht möglich ist.

    2. Auch eine Geschwindigkeitsüberschreitung von über 100 % innerhalb geschlossener Ortschaften auf einer Straße mit vier Fahrspuren in einer Fahrtrichtung lässt für sich genommen - trotz weiterer Indizien - einen Rückschluss auf (bedingt) vorsätzliches Handeln nicht zu.


    OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

    BESCHLUSS

    IV-3 RBs 132/15

    In der Bußgeldsache
    Gegen pp.

    wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
    hat der 3. Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80a Abs. 1 OWG am 8. Januar 2016 auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Solingen vom 9. März 2015 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

    Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Solingen zurückverwiesen.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 9. März 2013 wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit — Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft — eine Geldbuße von 400 Euro sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten Dauer verhängt.

    Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene mit seinem Fahrzeug am 22. Oktober 2013 gegen 20:48 Uhr in Solingen die Konrad-Adenauer-Straße in Fahrtrichtung Wuppertal. In Höhe des Wolga-Marktes, wo die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkt ist, „betrug die von ihm gefahrene Geschwindigkeit unter Abzug eines Toleranzabzuges 106 km/h." Die Messung erfolgte mittels eines Messgerätes Einseitensensor ES 3.0 des Herstellers ESO GmbH.

    Nach der) Urteilsfeststellungen handelte der Betroffene vorsätzlich, „da er erkennen musste, dass er unter Berücksichtigung der Tageszeit und der Fahrbahnverhältnisse die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als einhundert Prozent überschritten hat. Es handelt sich bei der Konrad-Adenauer-Straße an der Mess-stelle um eine in Fahrtrichtung Wuppertal vierspurig geführte Straße, wobei eine der Fahrspüren breiter als 3,50 m ist. Das ergibt sich zudem daraus, dass der Betroffene nach der Messung zu der Messstelle zurückgekehrt ist, Um die tatsächlich von Ihnen erreichte Geschwindigkeit zu erfahren."

    II.

    Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge jedenfalls vorläufig — Erfolg, ohne dass es auf die ebenfalls erhobenen Verfahrensrügen ankommt.

    Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 56 km/h nicht.

    Zwar teilt der Amtsrichter das angewandte Messverfahren mit, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Es fehlen jedoch vollständige Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug. Dem Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass überhaupt ein Toleranzabzug vorgenommen worden ist. Angaben zu dessen Höhe fehlen dagegen. Dem Senat ist es somit nicht möglich zu überprüfen, ob mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind. Ohne entsprechende Angaben zur Höhe des Toleranzwertes kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht beurteilen, ob der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tatbegehung jedenfalls angesichts des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung zu Recht ergangen ist und die vom Tatrichter verhängten Rechtsfolgen — insbesondere das zweimonatige Fahrverbort — zutreffend festgesetzt worden sind. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Tageszeit, zum Ausbauzustand der befahrenen Straße und zu der Rückkehr des Betroffenen zur Messstelle lassen für sich genommen den Schluss auf vorsätzliche Tatbegehung nicht zu.

    Die Kenntnis von der Höhe des Toleranzabzuges kann das Rechtsbeschwerdegericht sich nicht durch die Inaugenscheinnahme des von dem Amtsgericht gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommenen Messfotos verschaffen; Die in das Messfoto eingeblendeten Daten sind kein Bestandteil der „Abbildung" im Sin-ne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Eine Abbildung ist eine unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergabe der Außenwelt. Dazu gehören Fotos, insbesondere auch Radarfotos. Messprotokolle sind hingegen Urkunden. Um Abbildungen handelt es sich selbst dann nicht, wenn die Daten auf einem Messfoto eingeblendet sind (OLG Hamm NStZ-RR 2009, 151