30.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213826
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19)
Bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen werden nicht von der Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst sein. Tatbestandsrelevant sind vielmehr nur solche Handlungen, die objektiv und subjektiv aus der Menge der bußgeldbelegten Geschwindigkeitsverstöße herausragen.
KAMMERGERICHT
In der Strafsache
gegen pp.
hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts am 20. Dezember 2019 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten. wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. März 2019 einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe.
I.
Das Amtsgericht Tiergarten. hat den Angeklagten am 25. März 2019 wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.
„Am Sonntag, dem 22. Juli 2018 gegen 20:15 Uhr, befuhr der Angeklagte mit seinem PKW Audi A3; amtl. Kennzeichen B-AR 8952, die Breite Straße in Richtung Schönholzer Straße mit überhöhter Geschwindigkeit, sodass sich die Zeugen PM T. und POM P. entschlossen, ihm mit einem Zivilfahrzeug der Berliner Polizei zu folgen.
Der Angeklagte fuhr zunächst auf der rechten Spur. Vor dem Kreuzungsbereich Breite Straße/Wollankstraße/Schönholzer Straße wechselte er — jeweils ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers — zunächst in den linken Fahrstreifen, um Fahrzeuge auf dem rechten Fahrstreifen zu überholen, und anschließend wieder in den rechten Fahrstreifen zurück, um die nun auf dem linken Fahrstreifen stehenden Fahrzeuge zu überholen. Er beschleunigte auf der Schönholzer Straße weiter, setzte. die Fahrt fort und bog in die ca. 1200-Kurve Schönholzer Straße/Grabbeallee mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 krM7 ein, wobei sein Fahrzeug aufgrund der — bezogen auf die Enge der Kurve — hohen Geschwindigkeit nach außen getragen wurde. An einer Straßenbahn-Haltestelle, die sich mittig zwischen der Fahrbahn und der Gegenspur befindet und mit Gittern abgesperrt ist, setzte der Angeklagte die Fahrt ohne. Geschwindigkeitsverminderung fort, wobei er nicht einsehen konnte, ob andere Verkehrsteilnehmer die Fahrbahn überqueren wollten. Zum Tatzeitpunkt befanden sich zwei bis drei Personen an der Haltestelle und eine Straßenbahn der Linie Ml fuhr gerade wieder an.
Wegen vorausfahrender Fahrzeuge verminderte der Angeklagte in Höhe der Grabbeallee Nr. 16 kurzzeitig die Fahrgeschwindigkeit auf ca. 50 km/h. Seines schnelleren Fortkommens willens überfuhr er im Kreuzungsbereich Grabbeallee/Majakowskiring ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers eine durchgezogene Linie (Z. 295) und überholte drei vorausfahrende Fahrzeuge unter Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit. Anschließend überfuhr er wiederum die durchgezogene Linie (Z. 295). Sodann fuhr er mit mindestens 89 km/h weiter. An der folgenden roten Ampel am Pastor-Niemöller-Platz hielt der Angeklagte an und würde sodann von der Polizei aufgefordert, auf einen nahegelegenen Parkplatz zu fahren.
Auf der gesamten Strecke war die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h.
Das Ansinnen des Angeklagten war es, unter großer Missachtung einer angemessenen Geschwindigkeit in den konkreten Verkehrssituationen und der vorherrschenden Verkehrslage über eine Fahrtstrecke von mindestens 1,8 Kilometern eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen, uni als Pizzalieferant auf schnellstem Weg zu seinem Fahrziel zu gelangen. "
Gegen dieses Urteil richtet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Sachrüge erhebt und die Verfassungswidrigkeit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB geltend macht. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
II.
Auf die Sachrüge ist das Urteil des Amtsgerichts mit den Feststellungen aufzuheben. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht. Auf den Umstand, dass die Beweiswürdigung keine tragfähige Grundlage für die tatrichterlichen Feststellungen bildet, kommt es angesichts dessen nicht mehr an.
1. Der Senat teilt nicht die grundsätzlichen Bedenken, die die Revision in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur gegen die Bestimmtheit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorbringt. Eingewendet wird, die Norm sei insbesondere im Hinblick auf das subjektive Tatbestandsmerkmal der Absicht des Erreichens einer höchstmöglichen Geschwindigkeit zu unbestimmt.
Die Regelung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt sich bei einschränkender Auslegung des Tatbestandes nicht als verfassungswidrig dar. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Das Verfahren ist daher — entgegen der Anregung der Revision nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz eine zurückhaltende Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB • geboten ist (Senat, Beschluss vom 15. April 2019 - (3) 161 Ss 36/19 (25/19) -, juris).
Aus Art. 103 Abs. GG folgt, dass der Gesetzgeber und nicht der Richter zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Rechtsgut gerade mit Mitteln des Strafrechts verteidigt werden soll, sodass es den Gerichten verwehrt ist, diese Entscheidung zu korrigieren (vgl. BVerfG NJW 2015, 2949). Ferner enthält diese verfassungsrechtliche Regelung Vorgaben über die Handhabung weit gefasster Tatbestände und Tatbestandselemente. So ist die Rechtsprechung nach dem Präzisierungsgebot gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (vgl. BVerfG a.a.O.; Nolte/Aust in Huber/Voßkuhle, GG 7. Aufl., Art. 103 Rn. 139). Dieser Pflicht kommt insbesondere bei solchen Tatbeständen Bedeutung zu, die. der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen durch Verwendung von Generalklauseln verhältnismäßig weit und unscharf ausgestaltet hat (vgl. BVerfG a.a.O.). Vor allem in Fallkonstellationen, in denen der Normadressat nach dem gesetzlichen Tatbestand nur noch die Möglichkeit einer Bestrafung erkennen kann und in denen sich erst auf Grund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt, trifft die Rechtsprechung eine besondere Verpflichtung, an -der Erkennbarkeit der Voraussetzungen der Strafbarkeit mitzuwirken (vgl. BVerfG a.a.O.). Vor diesem Hintergrund werden höhere Bestimmtheitsanforderungen an jüngere Gesetze gestellt, zu denen noch keine gefestigte Rechtsprechung ergangen ist (vgl. Nolte/Aust in Huber/Voßkuhle, GG 7. Aufl., Art. 103 Rn. 150 m.w.N.).
Den insoweit vor allem gegen: die Verwendung des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, geltend gemachten Bedenken (vgl. Franke, Stellungnahme zum Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr (vgl. BT-Drucks. 18/10145), zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (Ausschussdrucksache 18 (6)360) und zum Antrag BT-Drucks. 18/12558, §. 3; Pegel in MK-StGB 3. Aufl., § 315d Rn. 26; Oehmichen in Knierim/Oehmichen/Beck/Geisler „Gesamtes Strafrecht aktuell 1. Aufl., 11 Rn. 5; Kudlich JA 2019, 631; Fischer, StGB 66. Aufl., § 315d Rn. 18), welche von der Revision geteilt werden, kann sich der Senat nicht anschließen. Ohne Verwendung allgemeiner Begriffe, die einer Auslegung durch den Richter bedürfen, könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht Rechnung tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1955 — 1 BvL 120/53 -, juris).
Der Anwendungsbereich der genannten Tatbestandsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wird vor allem durch ihre Struktur, die gesetzgeberischen Motive und die zu dieser Vorschrift bereits ergangene Rechtsprechung .in ausreichender, vorhersehbarer Weise begrenzt. Die Rechtsprechung genügt den Anforderungen der Verfassung überdies durch eine restriktive Auslegung des Tatbestandes, die sich an dem Willen des Gesetzgebers sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert. Danach dient das subjektive Merkmal der Absieht des Erreichens einer höchstmöglichen Geschwindigkeit gerade der Abgrenzung von bloßen — lediglich bußgeldbewehrten Geschwindigkeitsverstößen einerseits und dem Nachstellen eines (Einzel-)Rennens andererseits (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 6; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2019 —4 RV 28 Ss 103/19 -, juris).
2. Die Feststellungen tragen jedoch die Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht.
Nach. dieser Regelung macht sich strafbar, wer sich im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Sinne eines abstrakten Gefährdungsdeliktes diejenigen Fälle erfassen, in denen nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5).
Ausgehend von dieser Prämisse sind bei der Auslegung dieser Tatbestandsvariante die Gesichtspunkte, aus denen die besondere Gefährlichkeit von Kraftfahrzeugrennen herrührt, in den Blick zunehmen. Unter einem Rennen wird ein Wettbewerb oder Teil eines Wettbewerbs zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen verstanden, bei denen entweder zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird oder aber der Versuch des Erreichens der Höchstgeschwindigkeit der gegenseitigen Leistungsprüfung dient, ohne dass die Teilnehmer miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. Hecker in Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl., •§ 315d Rn. 3 m.w.N.). Die hierbei regelmäßig vorkommenden waghalsigen Fahrweisen und die damit verbundene Gefahr des Kontrollverlustes birgt erhebliche Risiken für andere Verkehrsteilnehmer (vgl. Hecker, a.a.O., Rn. 1 m.w.N.). Die einem. solchen Rennen innewohnende Dynamik verleitet in besonderer Weise zu riskanten Verhaltensweisen, denn Rennteilnehmer werden durch den Wettbewerb bestärkt, Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht zu lassen und für einen Zuwachs an Geschwindigkeit den Verlust der Kontrolle über ihre Fahrzeuge in Kauf zu nehmen (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5). In den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB ist die Aufmerksamkeit der Rennteilnehmer überdies nicht allein auf den Straßenverkehr gerichtet, sondern auch durch die Mitbewerber gebunden (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5).
Demnach sollen bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen gerade nicht von der Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst sein (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 6). Tatbestandsrelevant sind vielmehr nur solche Handlungen, die objektiv und Subjektiv aus der Menge der bußgeldbelegten Geschwindigkeitsverstöße herausragen (Hecker, a.a.O., Rn. 8). Um dem Erfordernis des Renncharakters auf Tatbestandsebene Ausdruck zu verleihen, fordert die Regelung, dass der Täter mit der Absicht handeln muss; eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Die Urteilsgründe müssen somit konkrete Feststellungen zu den Umständen sowie dem Vorstellungsbild des Täters enthalten, die sein Verhalten von bloßen bußgeldbewehrten Verkehrsverstößen abheben und diesen den Charakter eines nachgestellten Kraftfahrzeugrennens geben.
a) Die amtsgerichtlichen Feststellungen sind bereits im Hinblick auf das Fahren des Angeklagten mit nicht angepasster Geschwindigkeit zum Teil widersprüchlich.
Für die Frage, ob von einer nicht angepassten Geschwindigkeit auszugehen ist, ist entscheidend, ob das Fahrzeug bei der Geschwindigkeit noch sicher beherrscht werden kann, wobei die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich ein Indiz darstellt (vgl. Pegel, -a.a.O., Rn. 24; Jansen, NZV 2019, 285 m.w.N.). Die Regelung knüpft insoweit an § 3 Abs. 1 StVO an (vgl. Hecker, a.a.O., Rn. 8; ders. Jus 2019, 596). Gemeint ist mithin ein gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen verstoßendes oder der konkreten Verkehrssituation zuwiderlaufendes Fahren, wobei die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen ist (vgl. Pegel, a.a.O., Rn. 24; Kulhanek in BeckOK StGB 43. Edition, § 315d Rn. 35). Darüber hinaus richtet ich die angepasste Geschwindigkeit auch nach der Leistungsfähigkeit des Fahrzeugführers sowie dem technischen Zustand des Fahrzeuges (vgl. Pegel, a.a.O., Rn. 24).
Soweit es die Fahrt durch die Kurve Schönholzer Straße/Grabbeallee, in der das Fahrzeug „nach außen getragen" wurde, und die Weiterfahrt des Angeklagten — nach zwischenzeitlicher Verminderung seiner Geschwindigkeit - auf der Grabbeallee mit mindestens 89 km/h betrifft, ist das Amtsgericht zwar in zutreffender Weise zu der Feststellung .gelangt, dass der Angeklagte mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren ist.. In Bezug auf die Geschwindigkeit im Bereich Breite Straße/Wollankstraße/Schönholzer Straße erweisen sich die Feststellungen. des Amtsgerichts unter Berücksichtigung der Maßstäbe aber als widersprüchlich.
Der Umstand, dass es sich hierbei um den Beginn der Nachfahrt durch die Zeugen PM T. und POM P. handelt, die aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit die Verfolgung des Angeklagten aufgenommen haben, •fügt sich insoweit nicht schlüssig in die Schilderung des weiteren Geschehensablaufes ein, wonach der Angeklagte ohne eine zwischenzeitliche Reduzierung seiner Geschwindigkeit nach mehreren Überholmanövern auf der Schönholzer Straße beschleunigt und sodann mit mindestens 55 km/h in die Kurve Schönholzer Straße/Grabbeallee gefahren sei. Denn die Angabe, dass eine für die Zeugen sichtbare Beschleunigung stattgefunden hat, die dazu führt, dass der Angeklagte in der Folge eine Geschwindigkeit von (mindestens) 55 km/h erreicht hat, legt nahe, dass er zuvor mit einer geringeren, 50 km/h unterschreitenden Geschwindigkeit gefahren ist.
b) Darüber hinaus tragen die Feststellungen ein grob verkehrswidriges und rücksichtloses Verhalten des Angeklagten nicht.
(1) Da die bloße Geschwindigkeitsüberschreitung - auch wenn sie erheblich ist - nicht von der Strafbarkeit nach § 315d Abs. I Nr. 3 StGB erfasst sein soll (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. April 2018 - 1 Ws 23/18 juris; BT-Drs. 18/12964, §. 5; Kulhanek JA 2018, 561), muss sich der Täter darüber hinaus grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegen. Beide Tatbestandsmerkmale sind in gleicher Weise zu verstehen wie im Rahmen des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5; Pegel, a.a.O., Rn. 25; Heger in Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl., § 315d Rn. 5; Kulhanek in BeckOK StGB, a.a.O., Rn. 36).
Danach handelt der Täter grob verkehrswidrig, wenn er einen besonders schweren und gefährlichen Verstoß • gegen Verkehrsvorschriften begeht, der nicht nur die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt, sondern auch schwerwiegende Folgen zeitigen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Mai 2007 - (3) 1 Ss 103/07 (46/07) - und Urteil vom 9. Oktober 2012 - (3) 121 Ss 166/12 (120/12) -, beide bei jur.is). Es muss mithin ein objektiv besonders schwerer Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften und die Verkehrssicherheit vorliegen (König in Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl., § 315c Rn. 133 m.w.N.; Kulhanek in BeckOK StGB, a.a.O.).
Rücksichtslos handelt demgegenüber, wer sich im Bewusstsein seiner Verkehrspflichten aus eigensüchtigen Gründen über diese hinwegsetzt oder sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten als Fahrzeugführer besinnt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflos fährt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Mai 2007, a.a.O.; Pegel, a.a.O., § 315c Rn. 82). Die Annahme rücksichtslosen Verhaltens kann nicht allein mit dem objektiven Geschehensablauf begründet werden (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2012, a.a.O.), sondern verlangt ein sich aus zusätzlichen Umständen ergebendes Defizit, das — geprägt von Leichtsinn, Eigennutz oder Gleichgültigkeit - weit über das hinausgeht, was normalerweise jedem — häufig aus Gedankenlosigkeit oder Nachlässigkeit — begangenen Verkehrsverstoß innewohnt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2007, a.a.O.•, und vom 27. Oktober 2005 - (3 ) 1 Ss 318/05 (83/05) —, juris; Pegel, a.a.O., § 315c Rn. 85). Maßgeblich ist die konkrete Verkehrssituation unter Einschluss• der Vorstellungs- und Motivlage des Täters (Pegel, a.a.O., § 315c Rn. 85). Auch aus der grob fahrlässigen Begehung zweier Verkehrsverstöße kann nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen von Rücksichtslosigkeit geschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2012, a.a.O.).
Die Tatbestandsmerkmale der groben Verkehrswidrigkeit und der Rücksichtslosigkeit müssen jeweils kumulativ vorliegen (vgl. Hecker in Schönke-Schröder, StGB 30. Aufl., § 315c Rn. 26 m.w.N.), sodass es nicht ausreichend ist, wenn der Angeklagte einzelne Verkehrsverstöße jeweils nur .grob verkehrswidrig und andere rücksichtslos begeht.
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe zeigt sich, dass die Feststellungen nicht die Einschät2ung des Amtsgerichts tragen, der Angeklagte habe sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten.
(aa) Soweit der Angeklagte vor dem Kreuzungsbereich Breite Straße/Mollankstraße/Schönholzer Straße zweimal ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers die Fahrspur wechselte, um andere. Fahrzeuge zu überholen, stellt dies zwar einen Verstoß gegen § 5 Abs. 4a StVO dar, der nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO, § 24 Abs. 1 StVG mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Ein grob verkehrswidriges und zugleich rücksichtsloses Handeln des Angeklagten ist den Feststellungen insoweit jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sein Vorgehen die . Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt hätte. Zumal sich das Amtsgericht ausweislich der Erwägungen der Beweiswürdigung von der Bekundung des Zeugen POM P., der Angeklagte sei in diesem Zusammenhang sehr dicht auf andere Fahrzeuge aufgefahren, nicht überzeugen konnte.
(bb) Ebenso genügen die Feststellungen zum Passieren der. Straßenbahnhaltestelle sowie dem verbotswidrigen Überholen mit überhöhter Geschwindigkeit bei durchgezogener Linie nicht den Voraussetzungen, die an ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten zu stellen sind, da den Urteilsfeststellungen auch insoweit nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher Umstände sich das A./erhalten des Angeklagten von einfachen Verstößen gegen Verkehrsvorschriften abhebt und zu einem besonders schweren und gefährlichen Verstoß wird. Im Hinblick auf das Passieren der Straßenbahnhaltestelle erschließt sich diese Einschätzung insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass nach den Feststellungen insoweit von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von lediglich 5 km/h auszugehen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in der Gesamtschau der festgestellten Verkehrsverstöße.
(cc) Das Durchfahren der Kurve Schönholzer Straße/GrabbeaIIee mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h, wobei sein Fahrzeug aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit „nach außen getragen" wurde, und die Weiterfahrt mit 89 km/h auf der Grabbeallee stellen sich zwar als grob verkehrswidrig dar, aber den Urteilsgründen sind lediglich allgemein formulierte, jedoch keine hinreichend konkreten Feststellungen zur Rücksichtslosigkeit des Fahrverhaltens des Angeklagten zu entnehmen.
c) Schließlich fehlt es an hinreichenden Feststellungen hinsichtlich des Absichtsmerkmals des § 315d Abs. l Nr. 3 StGB.
(1) Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, erfordert dolus directus ersten Grades (vgl. Oehmichen, a.a.O., Rn. 27). Hierbei wird auf die relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit abgestellt, die sich aus der Zusammenschau der fahrzeugspezifischen Beschleunigung bzw. Höchstgeschwindigkeit, des subjektiven Geschwindigkeitsempfindens, der VerkehrsIage ,und der Witterungsbedingungen ergibt; nicht maßgeblich ist dagegen, ob der Täter die Leistungsfähigkeit seines Fahrzeuges vollständig ausreizt (vgl. Senat, Beschluss vom 15. April 2019, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 20.19, a.a.O.; LG Berlin, Beschlüsse vom 28. Februar 2019 - 528 Qs 24/19 und vom 5. März 2018 — 504 Qs 11/18 -, beide bei juris; Pegel, a:a.O., § 315d Rn. 26).
Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss dabei zwar nicht. Haupt- oder Alleinbeweggrund sein (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2019, a.a.O.; anders Hecker, a.a.O., Rn. 9). Ebenso ist allein der Wille, eine Strecke möglichst schnell. zurückzulegen, nicht gleichbedeutend mit der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (vgl. Jansen, NZV 2019, 285). Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal dient jedoch der Abgrenzung zu bloßen, wenn auch erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen.(vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2019, a.a.O.; Jansen, jurisPR-StrafR 20/2019 Anm. 4; Winkelmann, NZV 2019, 315.), .wodurch zum Ausdruck kommt, dass die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, in engem Zusammenhang mit dem Charakter der Tatbegehung in Form der Durchführung eines Einzelrennens steht. Angesichts dessen bezieht sich das Absichtsmerkmal auf das Erreichen einer höchstmöglichen Geschwindigkeit gerade im . Hinblick auf eine• solche, durch einen Einzelfahrer nachgestellte Rennsituation.
Anders, als die Revision meint, benachteiligt das Abstellen auf die relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit nicht den Fahrer hochmotorisierter Fahrzeuge. Denn dieses Verständnis von dem Absichtsmerkmal wird den jeweiligen Einzelfällen in besonderer Weise gerecht, da es gerade die Berücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen, für die neben der fahrzeugspezifischen Beschleunigung bzw. Höchstgeschwindigkeit — insbesondere die Verkehrslage sowie die Witterungsbedingungen von Bedeutung sind, ermöglicht.
Die Auffassung der Revision, dass von hochmotorisierten Fahrzeugen in der Regel eine geringere Gefahr ausgehe, da diese meist mit moderner Sicherheitstechnik ausgestattet seien, erscheint bereits unzutreffend, da die Motorleistung eines modernen Fahrzeuges nicht zwingend mit den sicherheitsrelevanten Ausstattungsmerkmalen zusammenhängt, diese vielmehr regelmäßig unabhängig voneinander ausgewählt werden können. Dieser Revisionsvortrag.. zwingt aber unabhängig davon auch deshalb nicht zu einer abweichenden Einschätzung, da die durch die unangepasste Geschwindigkeit vor allem für andere Verkehrsteilnehmer einhergehende Gefahr auch durch ausgefeilte Sicherheitstechnik nicht gänzlich ausgeräumt wird. Unangepasste Geschwindigkeiten verhindern vielmehr regelmäßig eine rechtzeitige Reaktion auf Handlungen anderer Verkehrsteilnehmer und stellen sich insbesondere deshalb als Gefahrenquelle dar.
Auch führt das Abstellen der Revision auf die Beschlüsse des Senats vom 6. April 2017 (3 Ws (B) 87/17) und vom 7. Juni 2017 (3 WS (B) 117-118/17) zu keiner anderen Einschätzung. Diesen zu § 29 Abs. 1. StVO a.F. ergangenen Entscheidungen ist der von der Revision dargestellte „Sinneswandel" im Hinblick auf die Frage, ob die Erzielung absoluter Höchstgeschwindigkeiten für die Erfüllung des Tatbestandes erforderlich ist, nicht zu entnehmen. Die Darlegung. im Senatsbeschluss vom 7. April 2017 (3 Ws (B) 87/17), dass das Anfahren mit „radierenden" Reifen und ein starkes Motorengeräusch häufig auch ohne das Vorliegen der Absicht vorkommt, eine Wettfahrt durchzuführen, stellt — wie sich aus dem Zusammenhäng ergibt, in dem diese Textpassage in den Beschlussgründen steht — darauf ab, dass aus diesen Umständen allein nicht darauf. zu schließen ist, dass die Fahrgeschwindigkeit der Fahrzeuge deutlich über 50 km/h gelegen habe. Ein Widerspruch zu dem von der Revision aus dem Senatsbeschluss vom 7. Juni 2017 (3 Ws (B) 117-118/17) zitierten Text, nach dem ein Rennen mit Kraftfahrzeugen nicht die Erzielung von „absoluten" Höchstgeschwindigkeiten erfordere, ist nicht ersichtlich.
(2) Den obigen Maßstab zugrunde legend lassen die Urteilsgründe solche Feststellungen vermissen. Ihnen sind keine Umstände zu entnehmen, die darauf schließen lassen, dass der Angeklagte mit der Absicht gehandelt hat, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Entsprechender Darlegungen hätte es jedoch vor allem deshalb bedurft, da die festgestellte Fahrweise des Angeklagten den Schluss auf das Vorliegen einer solchen Absicht — dem Erfordernis des Renncharakters Rechnung tragend nicht ohne Weiteres zulässt. Dies gilt auch im HinbIick auf die Durchfahrung der Kurve mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h, da hierin — insbesondere in Ermangelung von Feststellungen dazu, ob der Angeklagte die Kurvenverhältnisse kannte - kein Beleg für eine entsprechende Absicht zu sehen ist. Insoweit lässt das Amtsgericht mithin die Feststellung vermissen, dass sich der Angeklagte willentlich in diesem Geschwindigkeitsgrenzbereich bewegt hat und das insoweit gezeigte Fahrverhalten nicht allein auf seiner fehlerhaften Einschätzung der Straßenverhältnisse beruhte. Letzteres liegt umso näher, je geringer die Differenz zwischen der. zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der festgestellten Geschwindigkeit ist. Überschreitet der Angeklagte — wie hier — die zulässige Höchstgeschwindigkeit um gegebenenfalls lediglich 5 km/h, so muss er ohne das Hinzutreten weiterer. Umstände nicht davon ausgehen, sich damit bereits an die Grenzgeschwindigkeit anzunähern, mit der die Kurve maximal durchfahren werden kann. Gleiches gilt für das Passieren der Straßenbahn-Haltestelle mit mindestens 55 km/h.
Bezüglich des vorschriftswidrigen Überholens trotz bestehenden Überholverbotes lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, mit welcher Geschwindigkeit der Angeklagte zu dieser Zeit gefahren sein soll. Erst anschließend soll er auf 89 km/h beschleunigt haben, bevor er an einer rot abstrahlenden Lichtzeichenanlage angehalten habe. Wenngleich diese Fahrweise zeigt, dass der Angeklagte vorsätzlich Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie andere Verkehrsvorschriften missachtet hat, bedeutet dies nicht zwingend, dass er mit der tatbestandsmäßigen Absicht gehandelt hat.
3. Auf diesen Mängeln beruht das Urteil. Der Senat hebt. es daher mit den Feststellungen auf und verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.
4. Für die neuerlich durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollte das Amtsgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht die Überzeugung gewinnen, dass sich der Angeklagte nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gemacht hat, wird es seine ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung zu prüfen haben, wobei hier insbesondere Verstöße gegen §§ 5 Abs. 4a, 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO, §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO i.V.m. der lfd. Nr. 68 der Anlage 2 spalte 3 zu § 41 Abs. 1 StVO sowie §§ 3 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, jeweils i.V.m. § 24 Abs. 1 StVO, in Betracht kommen.
Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten ist noch nicht verjährt. Nach § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach beträgt sie sechs Monate. Mit der Vollendung der Tat am 22. Juli 2018 hat der Lauf der Verjährungsfrist begonnen. Dieser wurde insbesondere durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. Juli 2018 und den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. September 2018 (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 OWiG), durch die Erhebung der öffentlichen Klage am 5. Dezember. 2018 (§ 33 Abs. 1 Nr. 13 OWiG) sowie die Eröffnung des Hauptverfahrens am 22. Januar 2019 (§ 33 Abs. 1 Nr. 14 OWiG) unterbrochen. Die insoweit im Hinblick auf die Straftat nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommenen Unterbrechungshandlungen entfalten gemäß § 82 Abs. 1 OWiG auch für die denselben Sachverhalt betreffende Ordnungswidrigkeit Wirkung (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Februar 2002, a.a.O.). Seit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils am 25. März 2019 ruht die Verfolgungsverjährung gemäß § 32 Abs. 2 OWiG.
Beschluss
Geschäftsnummer: (3) 161 Ss 134/19 (75/19)
In der Strafsache
gegen pp.
wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens
hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts am 20. Dezember 2019 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten. wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. März 2019 einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe.
Das Amtsgericht Tiergarten. hat den Angeklagten am 25. März 2019 wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.
Hierzu hat das Gericht die folgenden Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte fuhr zunächst auf der rechten Spur. Vor dem Kreuzungsbereich Breite Straße/Wollankstraße/Schönholzer Straße wechselte er — jeweils ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers — zunächst in den linken Fahrstreifen, um Fahrzeuge auf dem rechten Fahrstreifen zu überholen, und anschließend wieder in den rechten Fahrstreifen zurück, um die nun auf dem linken Fahrstreifen stehenden Fahrzeuge zu überholen. Er beschleunigte auf der Schönholzer Straße weiter, setzte. die Fahrt fort und bog in die ca. 1200-Kurve Schönholzer Straße/Grabbeallee mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 krM7 ein, wobei sein Fahrzeug aufgrund der — bezogen auf die Enge der Kurve — hohen Geschwindigkeit nach außen getragen wurde. An einer Straßenbahn-Haltestelle, die sich mittig zwischen der Fahrbahn und der Gegenspur befindet und mit Gittern abgesperrt ist, setzte der Angeklagte die Fahrt ohne. Geschwindigkeitsverminderung fort, wobei er nicht einsehen konnte, ob andere Verkehrsteilnehmer die Fahrbahn überqueren wollten. Zum Tatzeitpunkt befanden sich zwei bis drei Personen an der Haltestelle und eine Straßenbahn der Linie Ml fuhr gerade wieder an.
Wegen vorausfahrender Fahrzeuge verminderte der Angeklagte in Höhe der Grabbeallee Nr. 16 kurzzeitig die Fahrgeschwindigkeit auf ca. 50 km/h. Seines schnelleren Fortkommens willens überfuhr er im Kreuzungsbereich Grabbeallee/Majakowskiring ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers eine durchgezogene Linie (Z. 295) und überholte drei vorausfahrende Fahrzeuge unter Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit. Anschließend überfuhr er wiederum die durchgezogene Linie (Z. 295). Sodann fuhr er mit mindestens 89 km/h weiter. An der folgenden roten Ampel am Pastor-Niemöller-Platz hielt der Angeklagte an und würde sodann von der Polizei aufgefordert, auf einen nahegelegenen Parkplatz zu fahren.
Auf der gesamten Strecke war die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h.
Das Ansinnen des Angeklagten war es, unter großer Missachtung einer angemessenen Geschwindigkeit in den konkreten Verkehrssituationen und der vorherrschenden Verkehrslage über eine Fahrtstrecke von mindestens 1,8 Kilometern eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen, uni als Pizzalieferant auf schnellstem Weg zu seinem Fahrziel zu gelangen. "
Gegen dieses Urteil richtet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Sachrüge erhebt und die Verfassungswidrigkeit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB geltend macht. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
II.
Auf die Sachrüge ist das Urteil des Amtsgerichts mit den Feststellungen aufzuheben. Die Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht. Auf den Umstand, dass die Beweiswürdigung keine tragfähige Grundlage für die tatrichterlichen Feststellungen bildet, kommt es angesichts dessen nicht mehr an.
1. Der Senat teilt nicht die grundsätzlichen Bedenken, die die Revision in Übereinstimmung mit einem Teil der Literatur gegen die Bestimmtheit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorbringt. Eingewendet wird, die Norm sei insbesondere im Hinblick auf das subjektive Tatbestandsmerkmal der Absicht des Erreichens einer höchstmöglichen Geschwindigkeit zu unbestimmt.
Die Regelung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt sich bei einschränkender Auslegung des Tatbestandes nicht als verfassungswidrig dar. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Das Verfahren ist daher — entgegen der Anregung der Revision nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz eine zurückhaltende Anwendung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB • geboten ist (Senat, Beschluss vom 15. April 2019 - (3) 161 Ss 36/19 (25/19) -, juris).
Aus Art. 103 Abs. GG folgt, dass der Gesetzgeber und nicht der Richter zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang ein bestimmtes Rechtsgut gerade mit Mitteln des Strafrechts verteidigt werden soll, sodass es den Gerichten verwehrt ist, diese Entscheidung zu korrigieren (vgl. BVerfG NJW 2015, 2949). Ferner enthält diese verfassungsrechtliche Regelung Vorgaben über die Handhabung weit gefasster Tatbestände und Tatbestandselemente. So ist die Rechtsprechung nach dem Präzisierungsgebot gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (vgl. BVerfG a.a.O.; Nolte/Aust in Huber/Voßkuhle, GG 7. Aufl., Art. 103 Rn. 139). Dieser Pflicht kommt insbesondere bei solchen Tatbeständen Bedeutung zu, die. der Gesetzgeber im Rahmen des Zulässigen durch Verwendung von Generalklauseln verhältnismäßig weit und unscharf ausgestaltet hat (vgl. BVerfG a.a.O.). Vor allem in Fallkonstellationen, in denen der Normadressat nach dem gesetzlichen Tatbestand nur noch die Möglichkeit einer Bestrafung erkennen kann und in denen sich erst auf Grund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt, trifft die Rechtsprechung eine besondere Verpflichtung, an -der Erkennbarkeit der Voraussetzungen der Strafbarkeit mitzuwirken (vgl. BVerfG a.a.O.). Vor diesem Hintergrund werden höhere Bestimmtheitsanforderungen an jüngere Gesetze gestellt, zu denen noch keine gefestigte Rechtsprechung ergangen ist (vgl. Nolte/Aust in Huber/Voßkuhle, GG 7. Aufl., Art. 103 Rn. 150 m.w.N.).
Den insoweit vor allem gegen: die Verwendung des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, geltend gemachten Bedenken (vgl. Franke, Stellungnahme zum Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr (vgl. BT-Drucks. 18/10145), zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD (Ausschussdrucksache 18 (6)360) und zum Antrag BT-Drucks. 18/12558, §. 3; Pegel in MK-StGB 3. Aufl., § 315d Rn. 26; Oehmichen in Knierim/Oehmichen/Beck/Geisler „Gesamtes Strafrecht aktuell 1. Aufl., 11 Rn. 5; Kudlich JA 2019, 631; Fischer, StGB 66. Aufl., § 315d Rn. 18), welche von der Revision geteilt werden, kann sich der Senat nicht anschließen. Ohne Verwendung allgemeiner Begriffe, die einer Auslegung durch den Richter bedürfen, könnte der Gesetzgeber der Vielgestaltigkeit des Lebens nicht Rechnung tragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1955 — 1 BvL 120/53 -, juris).
Der Anwendungsbereich der genannten Tatbestandsalternative des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wird vor allem durch ihre Struktur, die gesetzgeberischen Motive und die zu dieser Vorschrift bereits ergangene Rechtsprechung .in ausreichender, vorhersehbarer Weise begrenzt. Die Rechtsprechung genügt den Anforderungen der Verfassung überdies durch eine restriktive Auslegung des Tatbestandes, die sich an dem Willen des Gesetzgebers sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert. Danach dient das subjektive Merkmal der Absieht des Erreichens einer höchstmöglichen Geschwindigkeit gerade der Abgrenzung von bloßen — lediglich bußgeldbewehrten Geschwindigkeitsverstößen einerseits und dem Nachstellen eines (Einzel-)Rennens andererseits (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 6; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2019 —4 RV 28 Ss 103/19 -, juris).
2. Die Feststellungen tragen jedoch die Verurteilung wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht.
Nach. dieser Regelung macht sich strafbar, wer sich im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers im Sinne eines abstrakten Gefährdungsdeliktes diejenigen Fälle erfassen, in denen nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5).
Ausgehend von dieser Prämisse sind bei der Auslegung dieser Tatbestandsvariante die Gesichtspunkte, aus denen die besondere Gefährlichkeit von Kraftfahrzeugrennen herrührt, in den Blick zunehmen. Unter einem Rennen wird ein Wettbewerb oder Teil eines Wettbewerbs zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen verstanden, bei denen entweder zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit ermittelt wird oder aber der Versuch des Erreichens der Höchstgeschwindigkeit der gegenseitigen Leistungsprüfung dient, ohne dass die Teilnehmer miteinander im Wettbewerb stehen (vgl. Hecker in Schönke/Schröder, StGB 30. Aufl., •§ 315d Rn. 3 m.w.N.). Die hierbei regelmäßig vorkommenden waghalsigen Fahrweisen und die damit verbundene Gefahr des Kontrollverlustes birgt erhebliche Risiken für andere Verkehrsteilnehmer (vgl. Hecker, a.a.O., Rn. 1 m.w.N.). Die einem. solchen Rennen innewohnende Dynamik verleitet in besonderer Weise zu riskanten Verhaltensweisen, denn Rennteilnehmer werden durch den Wettbewerb bestärkt, Fahr- und Verkehrssicherheit außer Acht zu lassen und für einen Zuwachs an Geschwindigkeit den Verlust der Kontrolle über ihre Fahrzeuge in Kauf zu nehmen (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5). In den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB ist die Aufmerksamkeit der Rennteilnehmer überdies nicht allein auf den Straßenverkehr gerichtet, sondern auch durch die Mitbewerber gebunden (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5).
Demnach sollen bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen gerade nicht von der Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfasst sein (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 6). Tatbestandsrelevant sind vielmehr nur solche Handlungen, die objektiv und Subjektiv aus der Menge der bußgeldbelegten Geschwindigkeitsverstöße herausragen (Hecker, a.a.O., Rn. 8). Um dem Erfordernis des Renncharakters auf Tatbestandsebene Ausdruck zu verleihen, fordert die Regelung, dass der Täter mit der Absicht handeln muss; eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Die Urteilsgründe müssen somit konkrete Feststellungen zu den Umständen sowie dem Vorstellungsbild des Täters enthalten, die sein Verhalten von bloßen bußgeldbewehrten Verkehrsverstößen abheben und diesen den Charakter eines nachgestellten Kraftfahrzeugrennens geben.
a) Die amtsgerichtlichen Feststellungen sind bereits im Hinblick auf das Fahren des Angeklagten mit nicht angepasster Geschwindigkeit zum Teil widersprüchlich.
Für die Frage, ob von einer nicht angepassten Geschwindigkeit auszugehen ist, ist entscheidend, ob das Fahrzeug bei der Geschwindigkeit noch sicher beherrscht werden kann, wobei die zulässige Höchstgeschwindigkeit lediglich ein Indiz darstellt (vgl. Pegel, -a.a.O., Rn. 24; Jansen, NZV 2019, 285 m.w.N.). Die Regelung knüpft insoweit an § 3 Abs. 1 StVO an (vgl. Hecker, a.a.O., Rn. 8; ders. Jus 2019, 596). Gemeint ist mithin ein gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen verstoßendes oder der konkreten Verkehrssituation zuwiderlaufendes Fahren, wobei die Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen ist (vgl. Pegel, a.a.O., Rn. 24; Kulhanek in BeckOK StGB 43. Edition, § 315d Rn. 35). Darüber hinaus richtet ich die angepasste Geschwindigkeit auch nach der Leistungsfähigkeit des Fahrzeugführers sowie dem technischen Zustand des Fahrzeuges (vgl. Pegel, a.a.O., Rn. 24).
Soweit es die Fahrt durch die Kurve Schönholzer Straße/Grabbeallee, in der das Fahrzeug „nach außen getragen" wurde, und die Weiterfahrt des Angeklagten — nach zwischenzeitlicher Verminderung seiner Geschwindigkeit - auf der Grabbeallee mit mindestens 89 km/h betrifft, ist das Amtsgericht zwar in zutreffender Weise zu der Feststellung .gelangt, dass der Angeklagte mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren ist.. In Bezug auf die Geschwindigkeit im Bereich Breite Straße/Wollankstraße/Schönholzer Straße erweisen sich die Feststellungen. des Amtsgerichts unter Berücksichtigung der Maßstäbe aber als widersprüchlich.
Der Umstand, dass es sich hierbei um den Beginn der Nachfahrt durch die Zeugen PM T. und POM P. handelt, die aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit die Verfolgung des Angeklagten aufgenommen haben, •fügt sich insoweit nicht schlüssig in die Schilderung des weiteren Geschehensablaufes ein, wonach der Angeklagte ohne eine zwischenzeitliche Reduzierung seiner Geschwindigkeit nach mehreren Überholmanövern auf der Schönholzer Straße beschleunigt und sodann mit mindestens 55 km/h in die Kurve Schönholzer Straße/Grabbeallee gefahren sei. Denn die Angabe, dass eine für die Zeugen sichtbare Beschleunigung stattgefunden hat, die dazu führt, dass der Angeklagte in der Folge eine Geschwindigkeit von (mindestens) 55 km/h erreicht hat, legt nahe, dass er zuvor mit einer geringeren, 50 km/h unterschreitenden Geschwindigkeit gefahren ist.
b) Darüber hinaus tragen die Feststellungen ein grob verkehrswidriges und rücksichtloses Verhalten des Angeklagten nicht.
(1) Da die bloße Geschwindigkeitsüberschreitung - auch wenn sie erheblich ist - nicht von der Strafbarkeit nach § 315d Abs. I Nr. 3 StGB erfasst sein soll (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. April 2018 - 1 Ws 23/18 juris; BT-Drs. 18/12964, §. 5; Kulhanek JA 2018, 561), muss sich der Täter darüber hinaus grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegen. Beide Tatbestandsmerkmale sind in gleicher Weise zu verstehen wie im Rahmen des § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. BT-Drs. 18/12964, §. 5; Pegel, a.a.O., Rn. 25; Heger in Lackner/Kühl, StGB 29. Aufl., § 315d Rn. 5; Kulhanek in BeckOK StGB, a.a.O., Rn. 36).
Danach handelt der Täter grob verkehrswidrig, wenn er einen besonders schweren und gefährlichen Verstoß • gegen Verkehrsvorschriften begeht, der nicht nur die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt, sondern auch schwerwiegende Folgen zeitigen kann (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Mai 2007 - (3) 1 Ss 103/07 (46/07) - und Urteil vom 9. Oktober 2012 - (3) 121 Ss 166/12 (120/12) -, beide bei jur.is). Es muss mithin ein objektiv besonders schwerer Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften und die Verkehrssicherheit vorliegen (König in Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl., § 315c Rn. 133 m.w.N.; Kulhanek in BeckOK StGB, a.a.O.).
Rücksichtslos handelt demgegenüber, wer sich im Bewusstsein seiner Verkehrspflichten aus eigensüchtigen Gründen über diese hinwegsetzt oder sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten als Fahrzeugführer besinnt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflos fährt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Mai 2007, a.a.O.; Pegel, a.a.O., § 315c Rn. 82). Die Annahme rücksichtslosen Verhaltens kann nicht allein mit dem objektiven Geschehensablauf begründet werden (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2012, a.a.O.), sondern verlangt ein sich aus zusätzlichen Umständen ergebendes Defizit, das — geprägt von Leichtsinn, Eigennutz oder Gleichgültigkeit - weit über das hinausgeht, was normalerweise jedem — häufig aus Gedankenlosigkeit oder Nachlässigkeit — begangenen Verkehrsverstoß innewohnt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. Mai 2007, a.a.O.•, und vom 27. Oktober 2005 - (3 ) 1 Ss 318/05 (83/05) —, juris; Pegel, a.a.O., § 315c Rn. 85). Maßgeblich ist die konkrete Verkehrssituation unter Einschluss• der Vorstellungs- und Motivlage des Täters (Pegel, a.a.O., § 315c Rn. 85). Auch aus der grob fahrlässigen Begehung zweier Verkehrsverstöße kann nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen von Rücksichtslosigkeit geschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 9. Oktober 2012, a.a.O.).
Die Tatbestandsmerkmale der groben Verkehrswidrigkeit und der Rücksichtslosigkeit müssen jeweils kumulativ vorliegen (vgl. Hecker in Schönke-Schröder, StGB 30. Aufl., § 315c Rn. 26 m.w.N.), sodass es nicht ausreichend ist, wenn der Angeklagte einzelne Verkehrsverstöße jeweils nur .grob verkehrswidrig und andere rücksichtslos begeht.
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe zeigt sich, dass die Feststellungen nicht die Einschät2ung des Amtsgerichts tragen, der Angeklagte habe sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten.
(aa) Soweit der Angeklagte vor dem Kreuzungsbereich Breite Straße/Mollankstraße/Schönholzer Straße zweimal ohne Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers die Fahrspur wechselte, um andere. Fahrzeuge zu überholen, stellt dies zwar einen Verstoß gegen § 5 Abs. 4a StVO dar, der nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO, § 24 Abs. 1 StVG mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Ein grob verkehrswidriges und zugleich rücksichtsloses Handeln des Angeklagten ist den Feststellungen insoweit jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sein Vorgehen die . Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt hätte. Zumal sich das Amtsgericht ausweislich der Erwägungen der Beweiswürdigung von der Bekundung des Zeugen POM P., der Angeklagte sei in diesem Zusammenhang sehr dicht auf andere Fahrzeuge aufgefahren, nicht überzeugen konnte.
(bb) Ebenso genügen die Feststellungen zum Passieren der. Straßenbahnhaltestelle sowie dem verbotswidrigen Überholen mit überhöhter Geschwindigkeit bei durchgezogener Linie nicht den Voraussetzungen, die an ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten zu stellen sind, da den Urteilsfeststellungen auch insoweit nicht zu entnehmen ist, aufgrund welcher Umstände sich das A./erhalten des Angeklagten von einfachen Verstößen gegen Verkehrsvorschriften abhebt und zu einem besonders schweren und gefährlichen Verstoß wird. Im Hinblick auf das Passieren der Straßenbahnhaltestelle erschließt sich diese Einschätzung insbesondere vor dem Hintergrund nicht, dass nach den Feststellungen insoweit von einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von lediglich 5 km/h auszugehen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in der Gesamtschau der festgestellten Verkehrsverstöße.
(cc) Das Durchfahren der Kurve Schönholzer Straße/GrabbeaIIee mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h, wobei sein Fahrzeug aufgrund der gefahrenen Geschwindigkeit „nach außen getragen" wurde, und die Weiterfahrt mit 89 km/h auf der Grabbeallee stellen sich zwar als grob verkehrswidrig dar, aber den Urteilsgründen sind lediglich allgemein formulierte, jedoch keine hinreichend konkreten Feststellungen zur Rücksichtslosigkeit des Fahrverhaltens des Angeklagten zu entnehmen.
c) Schließlich fehlt es an hinreichenden Feststellungen hinsichtlich des Absichtsmerkmals des § 315d Abs. l Nr. 3 StGB.
(1) Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, erfordert dolus directus ersten Grades (vgl. Oehmichen, a.a.O., Rn. 27). Hierbei wird auf die relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit abgestellt, die sich aus der Zusammenschau der fahrzeugspezifischen Beschleunigung bzw. Höchstgeschwindigkeit, des subjektiven Geschwindigkeitsempfindens, der VerkehrsIage ,und der Witterungsbedingungen ergibt; nicht maßgeblich ist dagegen, ob der Täter die Leistungsfähigkeit seines Fahrzeuges vollständig ausreizt (vgl. Senat, Beschluss vom 15. April 2019, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 20.19, a.a.O.; LG Berlin, Beschlüsse vom 28. Februar 2019 - 528 Qs 24/19 und vom 5. März 2018 — 504 Qs 11/18 -, beide bei juris; Pegel, a:a.O., § 315d Rn. 26).
Die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, muss dabei zwar nicht. Haupt- oder Alleinbeweggrund sein (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2019, a.a.O.; anders Hecker, a.a.O., Rn. 9). Ebenso ist allein der Wille, eine Strecke möglichst schnell. zurückzulegen, nicht gleichbedeutend mit der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (vgl. Jansen, NZV 2019, 285). Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal dient jedoch der Abgrenzung zu bloßen, wenn auch erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen.(vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2019, a.a.O.; Jansen, jurisPR-StrafR 20/2019 Anm. 4; Winkelmann, NZV 2019, 315.), .wodurch zum Ausdruck kommt, dass die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, in engem Zusammenhang mit dem Charakter der Tatbegehung in Form der Durchführung eines Einzelrennens steht. Angesichts dessen bezieht sich das Absichtsmerkmal auf das Erreichen einer höchstmöglichen Geschwindigkeit gerade im . Hinblick auf eine• solche, durch einen Einzelfahrer nachgestellte Rennsituation.
Anders, als die Revision meint, benachteiligt das Abstellen auf die relativ höchstmöglich erzielbare Geschwindigkeit nicht den Fahrer hochmotorisierter Fahrzeuge. Denn dieses Verständnis von dem Absichtsmerkmal wird den jeweiligen Einzelfällen in besonderer Weise gerecht, da es gerade die Berücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen, für die neben der fahrzeugspezifischen Beschleunigung bzw. Höchstgeschwindigkeit — insbesondere die Verkehrslage sowie die Witterungsbedingungen von Bedeutung sind, ermöglicht.
Die Auffassung der Revision, dass von hochmotorisierten Fahrzeugen in der Regel eine geringere Gefahr ausgehe, da diese meist mit moderner Sicherheitstechnik ausgestattet seien, erscheint bereits unzutreffend, da die Motorleistung eines modernen Fahrzeuges nicht zwingend mit den sicherheitsrelevanten Ausstattungsmerkmalen zusammenhängt, diese vielmehr regelmäßig unabhängig voneinander ausgewählt werden können. Dieser Revisionsvortrag.. zwingt aber unabhängig davon auch deshalb nicht zu einer abweichenden Einschätzung, da die durch die unangepasste Geschwindigkeit vor allem für andere Verkehrsteilnehmer einhergehende Gefahr auch durch ausgefeilte Sicherheitstechnik nicht gänzlich ausgeräumt wird. Unangepasste Geschwindigkeiten verhindern vielmehr regelmäßig eine rechtzeitige Reaktion auf Handlungen anderer Verkehrsteilnehmer und stellen sich insbesondere deshalb als Gefahrenquelle dar.
Auch führt das Abstellen der Revision auf die Beschlüsse des Senats vom 6. April 2017 (3 Ws (B) 87/17) und vom 7. Juni 2017 (3 WS (B) 117-118/17) zu keiner anderen Einschätzung. Diesen zu § 29 Abs. 1. StVO a.F. ergangenen Entscheidungen ist der von der Revision dargestellte „Sinneswandel" im Hinblick auf die Frage, ob die Erzielung absoluter Höchstgeschwindigkeiten für die Erfüllung des Tatbestandes erforderlich ist, nicht zu entnehmen. Die Darlegung. im Senatsbeschluss vom 7. April 2017 (3 Ws (B) 87/17), dass das Anfahren mit „radierenden" Reifen und ein starkes Motorengeräusch häufig auch ohne das Vorliegen der Absicht vorkommt, eine Wettfahrt durchzuführen, stellt — wie sich aus dem Zusammenhäng ergibt, in dem diese Textpassage in den Beschlussgründen steht — darauf ab, dass aus diesen Umständen allein nicht darauf. zu schließen ist, dass die Fahrgeschwindigkeit der Fahrzeuge deutlich über 50 km/h gelegen habe. Ein Widerspruch zu dem von der Revision aus dem Senatsbeschluss vom 7. Juni 2017 (3 Ws (B) 117-118/17) zitierten Text, nach dem ein Rennen mit Kraftfahrzeugen nicht die Erzielung von „absoluten" Höchstgeschwindigkeiten erfordere, ist nicht ersichtlich.
(2) Den obigen Maßstab zugrunde legend lassen die Urteilsgründe solche Feststellungen vermissen. Ihnen sind keine Umstände zu entnehmen, die darauf schließen lassen, dass der Angeklagte mit der Absicht gehandelt hat, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Entsprechender Darlegungen hätte es jedoch vor allem deshalb bedurft, da die festgestellte Fahrweise des Angeklagten den Schluss auf das Vorliegen einer solchen Absicht — dem Erfordernis des Renncharakters Rechnung tragend nicht ohne Weiteres zulässt. Dies gilt auch im HinbIick auf die Durchfahrung der Kurve mit einer Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h, da hierin — insbesondere in Ermangelung von Feststellungen dazu, ob der Angeklagte die Kurvenverhältnisse kannte - kein Beleg für eine entsprechende Absicht zu sehen ist. Insoweit lässt das Amtsgericht mithin die Feststellung vermissen, dass sich der Angeklagte willentlich in diesem Geschwindigkeitsgrenzbereich bewegt hat und das insoweit gezeigte Fahrverhalten nicht allein auf seiner fehlerhaften Einschätzung der Straßenverhältnisse beruhte. Letzteres liegt umso näher, je geringer die Differenz zwischen der. zulässigen Höchstgeschwindigkeit und der festgestellten Geschwindigkeit ist. Überschreitet der Angeklagte — wie hier — die zulässige Höchstgeschwindigkeit um gegebenenfalls lediglich 5 km/h, so muss er ohne das Hinzutreten weiterer. Umstände nicht davon ausgehen, sich damit bereits an die Grenzgeschwindigkeit anzunähern, mit der die Kurve maximal durchfahren werden kann. Gleiches gilt für das Passieren der Straßenbahn-Haltestelle mit mindestens 55 km/h.
Bezüglich des vorschriftswidrigen Überholens trotz bestehenden Überholverbotes lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, mit welcher Geschwindigkeit der Angeklagte zu dieser Zeit gefahren sein soll. Erst anschließend soll er auf 89 km/h beschleunigt haben, bevor er an einer rot abstrahlenden Lichtzeichenanlage angehalten habe. Wenngleich diese Fahrweise zeigt, dass der Angeklagte vorsätzlich Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie andere Verkehrsvorschriften missachtet hat, bedeutet dies nicht zwingend, dass er mit der tatbestandsmäßigen Absicht gehandelt hat.
3. Auf diesen Mängeln beruht das Urteil. Der Senat hebt. es daher mit den Feststellungen auf und verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.
4. Für die neuerlich durchzuführende Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Sollte das Amtsgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht die Überzeugung gewinnen, dass sich der Angeklagte nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gemacht hat, wird es seine ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung zu prüfen haben, wobei hier insbesondere Verstöße gegen §§ 5 Abs. 4a, 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO, §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO i.V.m. der lfd. Nr. 68 der Anlage 2 spalte 3 zu § 41 Abs. 1 StVO sowie §§ 3 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, jeweils i.V.m. § 24 Abs. 1 StVO, in Betracht kommen.
Die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten ist noch nicht verjährt. Nach § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach beträgt sie sechs Monate. Mit der Vollendung der Tat am 22. Juli 2018 hat der Lauf der Verjährungsfrist begonnen. Dieser wurde insbesondere durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. Juli 2018 und den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. September 2018 (§ 33 Abs. 1 Nr. 4 OWiG), durch die Erhebung der öffentlichen Klage am 5. Dezember. 2018 (§ 33 Abs. 1 Nr. 13 OWiG) sowie die Eröffnung des Hauptverfahrens am 22. Januar 2019 (§ 33 Abs. 1 Nr. 14 OWiG) unterbrochen. Die insoweit im Hinblick auf die Straftat nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommenen Unterbrechungshandlungen entfalten gemäß § 82 Abs. 1 OWiG auch für die denselben Sachverhalt betreffende Ordnungswidrigkeit Wirkung (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Februar 2002, a.a.O.). Seit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils am 25. März 2019 ruht die Verfolgungsverjährung gemäß § 32 Abs. 2 OWiG.