27.07.2020 · IWW-Abrufnummer 217022
Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 03.07.2020 – 13 S 45/20
Der Geschädigte ist nicht auf eine bestimmte Rechtsform der Ersatzbeschaffung, typischerweise den Kauf, beschränkt. Least er ein Ersatzfahrzeug, kann er die Leasingsonderzahlung einschließlich gesetzlicher Umsatzsteuer bis zur Höhe des zur Wiederherstellung erforderlichen niedrigeren Bruttoreparaturaufwands im Wege der konkreten Schadensabrechnung ersetzt verlangen.
LG Saarbrücken
13. Zivilkammer
03.07.2020
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 19. März 2020 ‒ 36 C 212/19 (12) ‒ abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 829,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 808,97 Euro seit dem 16. Februar 2019 und aus 20,29 Euro seit dem 21. März 2019 sowie 157,79 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2019 zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.
Gründe
A.
1
Der Kläger macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 15. November 2018 in ... ereignete. Die alleinige Einstandspflicht des Beklagten für die Folgen des Unfallereignisses steht zwischen den Parteien nicht in Streit.
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Der Kläger bezifferte seinen unfallbedingten Schaden außergerichtlich zunächst im Wege fiktiver Abrechnung auf insgesamt 4.714,85 Euro, wobei er 3.592,84 Euro (netto) sachverständig ermittelte Reparaturkosten, eine Wertminderung von 300 Euro, Sachverständigenkosten von 797,01 Euro und eine Unkostenpauschale von 25 Euro in Ansatz brachte (GA 37). Der Beklagte erstattete hierauf unter dem 7. März 2019 (GA 39) vorgerichtlich 3.905,88 Euro (2.805 Euro netto Reparaturkosten, 300,- Euro Wertminderung, 775,88 Euro Sachverständigenkosten und 25 Euro Unkostenpauschale). Nachdem der Kläger die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs im Wege des Leasings mit einer Sonderzahlung von 6.722,69 Euro zzgl. 1.277,31 Euro Umsatzsteuer angezeigt und die hierbei angefallene Umsatzsteuer beschränkt auf den bei einer tatsächlichen Reparatur zu beanspruchenden Betrag von 682,64 Euro (19 % aus 3.592,84 Euro) eingefordert hatte, zahlte der Beklagte unter dem 20. März 2019 weitere 532,95 Euro, die er als Mehrwertsteuer-Nachzahlung, berechnet aus dem von ihm anerkannten Reparaturaufwand von 2.805,- Euro, auswies (GA 43).
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Mit seiner Klage verlangt der Kläger den noch offenen Restbetrag einschließlich restlicher Sachverständigenkosten von 21,13 Euro. Er meint, die weitere vorgerichtliche Zahlung vom 20. März 2019 in Höhe von 532,95 Euro sei von der mit der Klage geltend gemachten Forderung nicht in Abzug zu bringen. Es habe sich um eine Zahlung auf gesondert eingeforderte Mehrwertsteuer gehandelt, die angefallen sei, nachdem der Kläger ein neues Fahrzeug angeschafft und dies gegenüber dem Beklagten angezeigt habe.
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Er hat erstinstanzlich beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 807,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Februar 2019 sowie restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 78,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
8
Er hat ‒ soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung ‒ vorgetragen, die weitere vorgerichtliche Zahlung in Höhe von 532,95 Euro sei entgegen der irrtümlichen Angabe im Regulierungsschreiben vom 20. März 2019 nicht auf eine etwaige Mehrwertsteuer, sondern auf die Nettoreparaturkosten erfolgt und demzufolge darauf anzurechnen. Ein Anspruch auf Ersatz von Mehrwertsteuer aus einer etwaigen Ersatzbeschaffung, zu dessen Tilgung die Zahlung vom 20. März 2019 hätte bestimmt sein können, stehe dem Kläger neben den beanspruchten fiktiven Reparaturkosten nicht zu. Ansonsten erfolgte eine den Kläger begünstigende Vermischung fiktiver und konkreter Schadensabrechnung.
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Das Erstgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage nach Beweisaufnahme im Umfang von 167,28 Euro stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Neben den geltend gemachten weiteren Sachverständigenkosten von 21,13 Euro könne der Kläger noch restliche Reparaturkosten von 146,50 Euro verlangen. Die Reparaturkosten beliefen sich ausweislich des gerichtlichen Sachverständigen auf 3.484,10 Euro. Hiervon sei der vorgerichtlich gezahlte Betrag von 2.805,- Euro (Zahlung vom 7. März 2019) ebenso wie die weitere Zahlung in Höhe von 532,95 Euro, in der Summe 3.337,95 Euro, in Abzug zu bringen, weil es dem Kläger aus Rechtsgründen verwehrt sei, neben der fiktiven Abrechnung von Reparaturkosten die bei einer Ersatzbeschaffung tatsächlich angefallene Mehrwertsteuer ersetzt zu verlangen.
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Mit seiner Berufung hat der Kläger zunächst seinen früheren Klageantrag weiterverfolgt und ‒ unter Vorlage der Leasingbestätigung (GA 161) ‒ geltend gemacht, die vorgerichtliche Zahlung vom 20. März 2019 in Höhe von 532,95 habe nicht auf die Klageforderung angerechnet werden dürfen. Er habe unstreitig im Anschluss an die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten vom 7. März 2019 eine Ersatzanschaffung getätigt. Dabei sei Mehrwertsteuer angefallen, die die Summe von 532,95 Euro übersteige. Er habe damit letztlich als Form der Schadensbeseitigung den Weg der Neuanschaffung gewählt. In einem solchen Fall sei die tatsächlich angefallene Mehrwertsteuer ersatzfähig. Ungeachtet dessen habe der Beklagte den Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer durch seine darauf geleistete vorgerichtliche Zahlung vom 20. März 2019 anerkannt.
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Mit Schriftsatz vom 28. Mai 2020 hat der Kläger seinen Antrag zur Hauptsache erweitert. Er verlangt unter Anrechnung beider vorgerichtlicher Zahlungen des Beklagten (2.805 Euro aus der Zahlung vom 7. März 2019 und Zahlung vom 20. März 2019 in Höhe von 532,95 Euro) nunmehr den Betrag der sachverständig ermittelten Bruttoreparaturkosten von (3.484,10 + 661,98 =) 4.146,08 Euro.
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Auf Grundlage dessen beantragt er nunmehr,
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das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 19. März 2020 ‒ 36 C 212/19 (12) ‒ aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 829,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2019 sowie restliche vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 78,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er bringt vor, es fehle mangels Beschwer bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung des Berufungsverfahrens, soweit das Erstgericht dem Kläger 167,28 Euro zugesprochen habe. Hinsichtlich des weitergehenden Anspruchsbegehrens sei die Berufung jedenfalls unbegründet. Der Kläger habe bislang keine Umstellung von fiktiver auf konkrete Abrechnung vorgenommen. Er könne daher neben den beanspruchten fiktiven Reparaturkosten keinen Ersatz der bei Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer verlangen. Im Übrigen rügt der Beklagte das klägerische Vorbringen zur Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs als verspätet und bestreitet überdies, dass das in der vom Kläger vorgelegten Leasing-Bescheinigung ausgewiesene Fahrzeug als Ersatz für das unfallgeschädigte Fahrzeug angeschafft wurde.
B.
I.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht erhoben. Da der Kläger eine Verurteilung des Beklagten in Höhe von 829,26 Euro, mithin eine Änderung der angegriffenen amtsgerichtlichen Entscheidung zu seinen Gunsten in Höhe von 661,98 Euro (829,26 Euro abzgl. erstinstanzlich zugesprochener 167,28 Euro) erstrebt, liegt auch die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Rechtsmittelbeschwer vor. Soweit der Kläger im Verlauf des Berufungsverfahrens seinen Antrag auf die Summe von 829,26 Euro erweitert hat, liegt eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung vor, die nicht an die weiteren Voraussetzungen des § 533 ZPO gebunden ist. Der Kläger ist mit dem der Klageerweiterung zugrunde liegenden Vorbringen der tatsächlichen Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs auch nicht gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen. Er hat die Ersatzbeschaffung bereits erstgerichtlich mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 vorgetragen, ohne dass der Beklagte dem entgegengetreten ist.
II.
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Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die der Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zu Grunde zu legenden Feststellungen rechtfertigen eine vom angegriffenen Urteil abweichende Entscheidung (§ 513 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat zuletzt im Rahmen einer konkreten Schadensabrechnung berechtigterweise Ersatz seines tatsächlichen Aufwands bei der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs nebst der dabei angefallenen Umsatzsteuer verlangt, allerdings jeweils beschränkt auf den Betrag, der bei Durchführung der wirtschaftlich günstigeren Wiederherstellung im Wege der Reparatur angefallen wäre. Daraus folgt abzüglich der vorgerichtlichen Erstattungen des Beklagten sowie des erstgerichtlich zuerkannten Betrags ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von weiteren 661,98 Euro. Erst- und zweitinstanzlich steht ihm daher ein Gesamtbetrag von 829,26 Euro zu.
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1. Der Kläger hat zwar gegenüber dem Beklagten zunächst fiktiv auf der Grundlage sachverständig ermittelter Reparaturkosten abgerechnet. Er hat sein Ersatzbegehren aber bereits vorgerichtlich durch Vorlage der Leasingbestätigung, spätestens aber mit der Berufungsbegründung vom 15. Mai 2020 und dem ergänzenden Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 28. Mai 2020 auf eine konkrete Abrechnung auf der Grundlage einer von ihm getätigten Ersatzbeschaffung umgestellt. Dies war zulässig und berechtigt ihn dem Grunde nach zur Beanspruchung der dabei tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer.
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a) Dem Geschädigten stehen im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung: die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs. Umsatzsteuer schließt der jeweils zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB in beiden Fällen nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674) eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, bei der Wiederherstellung tatsächlich angefallene Umsatzsteuer ersetzt zu verlangen. Nicht ersetzt wird Umsatzsteuer hingegen, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2016 ‒ VI ZR 654/15 ‒, juris Rn. 11; Urteil vom 2. Juli 2013 - VI ZR 351/12, NZV 2013, 587). Verzichtet der Geschädigte demnach auf eine tatsächliche Wiederherstellung und verlangt stattdessen den hierfür erforderlichen Geldbetrag, erhält er nicht mehr den vollen, sondern den um die Umsatzsteuer reduzierten Geldbetrag. Dies gilt sowohl für den Fall, dass sich der erforderliche Geldbetrag nach den fiktiven Reparaturkosten richtet als auch für den Fall, dass er sich nach den fiktiven Kosten für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache richtet (BT-Drs. 14/7752, 23 f.). Die Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB begrenzt insoweit die Dispositionsfreiheit des Geschädigten und verhindert eine unzulässige Bereicherung (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2016 ‒ VI ZR 654/15 ‒, juris Rn. 11 mwN).
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b) Wählt ein Geschädigter demnach die Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens, kann er Umsatzsteuer grundsätzlich nicht ersetzt verlangen. Er hat sich insoweit an der gewählten fiktiven Abrechnung jedenfalls dann festhalten zu lassen, wenn die konkreten Kosten der tatsächlichen Wiederherstellung unter Einbeziehung der geltend gemachten Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung ist in diesem Fall unzulässig (vgl. BGH, Urteile vom 2. Oktober 2018 ‒ VI ZR 40/18, juris Rn. 7 und vom 13. September 2016 ‒ VI ZR 654/15, juris Rn. 17). Übersteigen ‒ wie hier ‒ die konkreten Kosten der nachträglich vorgenommenen Ersatzbeschaffung einschließlich der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, bleibt es dem Geschädigten ‒ im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung ‒ aber unbenommen, zu einer konkreten Berechnung überzugehen (vgl. BGH, Urteil 13. September 2016 ‒ VI ZR 654/15, juris Rn. 18 unter Verweis auf BGH, Urteile vom 18. Oktober 2012 ‒ VI ZR 17/11, NJW 2012, 50; vom 17. Oktober 2006 ‒ VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263; vom 20. April 2004 ‒ VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388, 391 f.; vom 15. November 2005 ‒ VI ZR 26/05, BGHZ 164, 397).
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2. Dem Übergang zur konkreten Abrechnung steht in Fällen wie dem vorliegenden nicht entgegen, dass der Geschädigte damit die tatsächlichen Kosten einer im Vergleich zur Reparatur kostenintensiveren Ersatzbeschaffung geltend macht. Die Befugnis zum Übergang von fiktiver zu konkreter Abrechnung besteht nach Auffassung der Kammer nicht nur in Fällen, in denen der Geschädigte die wirtschaftlich gebotene Form der Wiederherstellung (hier die Reparatur) wählt und beibehält (vgl. zu solchen Sachverhaltskonstellationen BGH, Urteile vom 2. Oktober 2018 ‒ VI ZR 40/18, juris; vom 13. September 2016 ‒ VI ZR 654/15, juris; vom 18. Oktober 2012 ‒ VI ZR 17/11, NJW 2012, 50; vom 20. April 2004 ‒ VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388, 391 f.), sondern auch dann, wenn er ‒ wie hier ‒ auf der Grundlage einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechenden Ersatzbeschaffung die hierfür aufgewandten Kosten und die dabei angefallene Umsatzsteuer anteilig in der Höhe ersetzt verlangt, in der sie bei tatsächlicher Durchführung der wirtschaftlich gebotenen Reparatur angefallen wäre.
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a) Zwar hat der Geschädigte unter den beiden zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2003 ‒ VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 397 f.; vom 15. Februar 2005 ‒ VI ZR 70/04, BGHZ 162, 161, 164 f.; vom 7. Juni 2005 ‒ VI ZR 192/04, BGHZ 163, 180, 184; vom 6. März 2007 ‒ VI ZR 120/06, BGHZ 171, 287 Rn. 6; vom 22. September 2009 ‒ VI ZR 312/08, VersR 2009, 1554 Rn. 7), weshalb der Kläger hier zur Reparatur gehalten war. Dennoch stand es ihm frei, dem Wirtschaftlichkeitspostulat nicht zu folgen, und statt einer wirtschaftlich gebotenen Reparatur eine höherwertige Ersatzsache zu erwerben (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 ‒ VI ZR 363/11 ‒, juris Rn. 12). Soweit der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. September 2009 ‒ VI ZR 312/08 ‒ noch angenommen hatte, dass derjenige, der in diesem Fall auf der Grundlage eines vorgerichtlich eingeholten Gutachtens abrechne, eine fiktive Schadensabrechnung vornehme, weil eine Reparatur tatsächlich nicht vorgenommen werde, vermag die Kammer dem nicht beizutreten. Nach dem Regelungswillen des Gesetzgebers bei Einführung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB in seiner Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674) soll der Geschädigte auch dann, wenn er unter Missachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit nicht den zumutbaren, kostengünstigeren Weg zur Schadensbeseitigung wählt, seinen Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlieren, wenn auf dem von ihm gewählten Weg tatsächlich Umsatzsteuer anfällt (BT-Drucks. 14/7752 S. 24). Der Anspruch des Geschädigten soll in diesem Fall nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot lediglich der Höhe nach beschränkt sein. Er soll die (tatsächlich angefallenen) Kosten der Ersatzbeschaffung einschließlich dabei tatsächlich angefallener Umsatzsteuer nur bis zu der Höhe ersetzt verlangen können, die bei dem wirtschaftlich günstigeren Weg ‒ hier der Reparatur ‒ angefallen wäre (vgl. BTDrucks. 14/7752, S. 24).
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b) Folgerichtig hat der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich angenommen, dass in dem Fall, in dem der Geschädigte neben dem Betrag sachverständig ermittelter Reparaturkosten die bei einer tatsächlich vorgenommenen, kostenintensiveren Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer in der Höhe ersetzt verlangt, wie sie bei Durchführung der kostengünstigeren Wiederherstellung im Wege der Reparatur angefallen wäre, keine unzulässige Kombination von konkreter und fiktiver Abrechnung, sondern eine konkrete Schadensabrechnung auf der Grundlage einer Ersatzbeschaffung vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 ‒ VI ZR 363/11, juris Rn. 12, 17 f.). Dem schließt sich die Kammer an. Der Erstattungsfähigkeit der tatsächlich angefallenen Umsatzsteuer in anteiliger Höhe kann in diesem Fall nicht entgegengehalten werden, dass sie zu einer unzulässigen Bereicherung des Geschädigten führe. Eine solche Bereicherung ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn ‒ wie hier ‒ die konkreten Kosten der Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der geltend gemachten Umsatzsteuer den dem Kläger bei Vornahme einer Reparatur zustehenden Betrag übersteigen.
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3. Der Kläger hat hier der Sache nach bereits vorgerichtlich mit Vorlage der Leasingbestätigung und der dort ausgewiesenen Sonderzahlung, allerspätestens aber mit der Berufungsbegründung vom 15. Mai 2020 und dem ergänzenden Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 28. Mai 2020 zum Ausdruck gebracht, auf der Grundlage der tatsächlichen Ersatzbeschaffung konkret abzurechnen. Dem steht nicht entgegen, dass er seinen Antrag weiterhin an dem Betrag der sachverständig ermittelten Reparaturkosten von 3.484,10 Euro und dem darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 661,98 Euro (= 19 % aus 3.484,10 Euro) ausrichtet. Dies trägt lediglich der wirtschaftlichen Beschränkung seines Ersatzanspruchs Rechnung.
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4. Es fehlt auch nicht an einer tatsächlichen Ersatzbeschaffung, die der Kläger seiner konkreten Schadensabrechnung zugrunde legen kann.
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a) Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass das vom Kläger ausweislich der vorgelegten Leasing-Bescheinigung angeschaffte Fahrzeug als Ersatz für das unfallgeschädigte Altfahrzeug dient, zumal es sich um Fahrzeuge vergleichbaren Typs handelt. Der Kläger ist mit dem Vorbringen der tatsächlichen Ersatzbeschaffung eines Fahrzeugs auch nicht gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen. Er hat die Ersatzbeschaffung bereits erstgerichtlich mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 vorgetragen, ohne dass der Beklagte dem entgegengetreten ist.
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b) Der Kläger ist an der konkreten Abrechnung auch nicht deshalb gehindert, weil er das Ersatzfahrzeug nicht erworben, sondern unter Sonderzahlung von 6.722,69 Euro netto zzgl. 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 1.277,31 Euro, insgesamt 8.000 Euro, geleast hat. Auch die Anschaffung eines Fahrzeugs durch Leasing stellt eine Maßnahme der Ersatzbeschaffung im Sinne der Schadensbeseitigung dar. Die Kammer tritt insoweit der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung bei, dass der Geschädigte im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit und in den Grenzen des Gebots der Wirtschaftlichkeit schadensrechtlich nicht gehalten ist, eine bestimmte Rechtsform der Ersatzanschaffung, typischer Weise den Kauf, zu wählen (vgl. OLG Celle, Urteil vom 30. November 2011 ‒ 14 U 92/11 ‒, juris Rn. 11; konkludent auch: OLG München, Urteil vom 26. April 2013 ‒ 10 U 3879/12 ‒, juris Rn. 14). Darin läge eine von Rechts wegen nicht begründbare Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten.
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5. Auf Grundlage dessen kann der Kläger unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien nicht mehr im Streit stehenden, vom Erstgericht auf der Grundlage sachverständiger Ermittlung angesetzten Reparatur- und Sachverständigenkosten sowie der vorgerichtlichen Erstattungen des Beklagten Zahlung weiterer 829,26 Euro verlangen:
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Leasing-Sonderzahlung, beschränkt auf die Höhe der Nettoreparaturkosten lt. Gutachten 3.484,10 Euro
+ Mehrwertsteuer (19 %) hieraus 661,98 Euro
Zwischensumme 1 4.146,08 Euro
+ Wertminderung (als Teil des anspruchsbeschränkenden Reparaturaufwands) 300,00 Euro
+ Sachverständigenkosten 797,01 Euro
+ Kostenpauschale 25,00 Euro
Zwischensumme 2 5.268,09 Euro
- vorgerichtliche Zahlungen v. 7.3.2019 3.905,88 Euro
- vorgerichtliche Zahlung v. 20.3.2019 532,95 Euro
Gesamt 829,26 Euro
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6. Zudem kann der Kläger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in weiterer Höhe von 78,90 Euro verlangen. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte vorgerichtlich gegenüber dem Beklagten zunächst lediglich einen Anspruch in Höhe von 4.714,85 Euro auf der Grundlage fiktiver Abrechnung geltend gemacht. Er hat indes, was vom Beklagten unbestritten blieb, im weiteren Verlauf der vorgerichtlichen Regulierungsbemühungen die Anschaffung des Ersatzfahrzeugs angezeigt und die hierbei angefallene Umsatzsteuer beschränkt auf den bei einer Reparatur zu beanspruchenden Betrag von 682,64 Euro eingefordert. Damit bezog sich die vorgerichtliche Tätigkeit bereits auf einen Umsatzsteuer umfassenden Ersatzanspruch von insgesamt 5.397,49 Euro. Der Kläger kann daher Ersatz der Rechtsanwaltskosten aus dem dahinter zurückbleibenden, zugesprochenen Gesamtanspruch von 5.268,09 Euro verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2014 ‒ VI ZR 396/13, VersR 2014, 1100). Gemäß §§ 13, 14 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VV RVG stehen ihm danach eine 1,3 Geschäftsgebühr (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 ‒ VI ZR 279/13, NZV 2014, 507 m.w.N.) in Höhe von 460,20 Euro zzgl. 20 Euro Kostenpauschale und 19 % Umsatzsteuer, in der Summe 571,44 Euro zu. Abzüglich darauf bereits vorgerichtlich gezahlter 492,54 Euro verbleibt ein Anspruch in Höhe von 78,90 Euro.
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7. Der Zinsausspruch folgt hinsichtlich des Hauptanspruchs aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Mit einem die Summe von 808,97 Euro übersteigenden Betrag befand sich der Beklagte erst in Verzug, als er ‒ auf die klägerische Anzeige der umsatzsteuerpflichtigen Ersatzbeschaffung ‒ mit Schreiben vom 20. März 2019 eine über 532,95 Euro hinausgehende Mehrwertsteuerzahlung ablehnte. Zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 19. Januar 2019 unter Fristsetzung bis zum 15. Februar 2019 lediglich 4.715,85 Euro eingefordert, auf die der Beklagte 3.905,88 Euro zahlte, sodass mit Ablauf der Frist zunächst hinsichtlich des Differenzbetrags von lediglich 808,97 Euro Verzug eintrat. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
III.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erst im Rahmen der Berufungsbegründung klargestellt, dass die Abrechnung konkret auf der Grundlage der Ersatzbeschaffung erfolgen soll. Da er der Sache nach jedoch bereits vorgerichtlich die Grundlagen seiner Abrechnung anhand der konkret angefallenen Kosten offengelegt hatte, erscheint es der Kammer letztlich nicht angemessen, dem Kläger gemäß § 97 Abs. 2 ZPO trotz seines Obsiegens die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
34
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Ob in Fällen, in denen der Geschädigte neben dem Betrag sachverständig ermittelter Reparaturkosten die bei einer tatsächlich vorgenommenen, kostenintensiveren Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer in der Höhe ersetzt verlangt, wie sie bei Durchführung der kostengünstigeren Wiederherstellung im Wege der Reparatur angefallen wäre, eine unzulässige Kombination von konkreter und fiktiver Abrechnung vorliegt, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließend entschieden (bejahend: BGH, Urteil vom 22. September 2009 ‒ VI ZR 312/08; a.A. BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 ‒ VI ZR 363/11). Ebenso wenig ist bislang abschließend entschieden, ob die Anschaffung eines Fahrzeugs im Wege des Leasings eine zum Ersatz berechtigende Form der Ersatzbeschaffung darstellt. Es ist zu erwarten, dass beide Fragestellungen in einer Vielzahl weiterer Fälle auftreten werden. Eine grundsätzliche Klärung erscheint deshalb, auch im Hinblick auf die Bedeutung dieses Problemkreises für den Rechtsverkehr, geboten.