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  • 21.01.2022 · IWW-Abrufnummer 227091

    Verwaltungsgerichtshof Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 13.12.2021 – VGH B 46/21

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe

    A.

    Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen zwei in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ergangene gerichtliche Entscheidungen. Sie betrifft die Reichweite von Einsichts- und Verteidigungsrechten (hier: Einsicht in vorhandene Messunterlagen) in Bußgeldverfahren, die auf amtliche Geschwindigkeitsmessungen im sog. standardisierten Messverfahren gestützt sind.

    I.

    1. Mit Bußgeldbescheid vom 9. März 2020 verhängte das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, gegen den Beschwerdeführer wegen eines am 27. November 2019, 13.55 Uhr, festgestellten Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 35 km/h eine Geldbuße in Höhe von 260,00 €. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels eines mobilen Messgerätes, Typ PoliScan Speed M1, der Firma Vitronic. Ausweislich des Messprotokolls war das mobile Messgerät am Tag der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung an der Messstelle von 13 bis 18 Uhr im Einsatz.

    2. Am 13. Februar 2020 bestellte sich die Bevollmächtigte zur Verteidigerin des Beschwerdeführers und erhielt auf ihren Antrag hin Einsicht in die elektronisch geführte und zum Zwecke der Akteneinsicht ausgedruckte Ermittlungsakte. Hierfür erhob die Zentrale Bußgeldstelle eine Aktenversendungspauschale von 12,00 €. Gegen diese Kostenforderung stellte die Bevollmächtigte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG -. Zu dessen Begründung führte sie aus, die Aktenversendungspauschale sei vorliegend nicht entstanden, da die Akte bei der Zentralen Bußgeldstelle ohne Rechtsgrundlage elektronisch geführt werde. Mit Beschluss vom 27. Mai 2020 wies das Amtsgericht den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Zur Begründung führte es aus, mit dem Ausdruck der Akte gehe die Verwaltungsbehörde zur Aktenführung in Papierform über, für die eine Aktenversendungspauschale anfalle.

    Mit Schreiben vom 19. März 2020 beantragte die Bevollmächtigte bei dem Polizeipräsidium Rheinpfalz, ihr folgende Unterlagen beziehungsweise Datensätze zur Verfügung zu stellen:
    - digitale Falldatensätze der gesamten Messreihe inklusive Rohmessdaten,
    - Token-Datei und Passwort, Statistikdatei(en) mit Case-List(s),
    - vorhandene Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgeräts,
    - Standort-Erstinbetriebnahmeprotokoll,
    - Foto von der Messstelle mit Trailer, hilfsweise Angabe des Abstands zwischen Leitplanke und Trailer,
    - Schulungsnachweise des Mess- und Auswertepersonals,
    - Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung zum Messgerät,
    - Aufbau- bzw. Einbauvorschriften der Firma Vitronic für das Messgerät PoliScan FM1 bei Verwendung in einem Trailer
    - Verwendungsanzeige(n) bei zuständiger Landesbehörde gemäß § 32 Abs. 1, 2 MessEG
    - verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung

    Das Polizeipräsidium Rheinpfalz übersandte der Bevollmächtigten unter dem 23. März 2020 einen Datenträger mit dem Falldatensatz der gegenständlichen Einzelmessung (einschließlich Token/Passwort), der XML-Datei, den Schulungsnachweisen des Auswerters und der Gebrauchsanweisung des Messgerätes. Eine Übersendung weiterer Unterlagen lehnte die Verwaltungsbehörde ab. Daraufhin stellte die Bevollmächtigte unter dem 3. April 2020 einen umfangreich begründeten Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der sich unter anderem noch auf die digitalen Falldatensätze der gesamten Messreihe, die Statistikdatei(en) mit Case-List(s) und vorhandene Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgerätes bezog. Diesen Antrag lehnte die Verwaltungsbehörde unter dem 7. April 2020 ab, leitete ihn sodann aber nicht dem Gericht zur Entscheidung zu.

    3. Gegen den bereits zuvor ergangenen Bußgeldbescheid legte der Beschwerdeführer Einspruch ein. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich am 23. September 2020 stellte der Terminsvertreter erneut einen Antrag auf Einsichtnahme hinsichtlich der im Antrag vom 3. April 2020 benannten Unterlagen. Zudem beantragte er, das Verfahren bis zur Aushändigung und Überprüfung dieser Unterlagen auszusetzen. Die Anträge wurden durch Beschluss des Gerichts abgelehnt.

    4. Mit Urteil vom 23. September 2020 verurteilte das Amtsgericht Wittlich den Beschwerdeführer wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 35 km/h zu einer Geldbuße von 140,00 €. Zur Begründung führte es aus, bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed M1 handele es sich um ein amtlich anerkanntes, standardisiertes Messverfahren, so dass der konkrete Messvorgang einer sachverständigen Begutachtung nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlmessung unterzogen werden müsse. Davon sei vorliegend nicht auszugehen.

    Dem Beschwerdeführer stehe auch kein Anspruch auf Herausgabe der beantragten Unterlagen zu. Es entspreche der gefestigten Rechtsprechung, dass bei standardisierten Messverfahren nicht sämtliche Rohmessdaten erhoben und offengelegt werden müssten. Was die Herausgabe der kompletten Messreihe anbelange, sei diese nicht Aktenbestandteil. Daher habe die Verteidigung tatsachenbasiert vorzutragen, warum die gesamte Messreihe benötigt werde. Anhaltspunkte für eine solche Notwendigkeit habe die Verteidigung weder vorgetragen noch seien sie sonst ersichtlich. Schließlich bestehe auch kein Anspruch auf Herausgabe der Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen. Das Führen einer solchen sog. Lebensakte für das Messgerät sei in Rheinland-Pfalz nicht vorgeschrieben und eine solche werde auch nicht vorgehalten.

    5. Unter dem 29. September 2020 stellte die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers den Antrag, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil zuzulassen und begründete diesen mit verschiedenen Verfahrensbeanstandungen sowie der Sachrüge.

    6. Mit am 30. Juni 2021 zugegangenen Beschluss vom 28. Juni 2021 verwarf das Oberlandesgericht Koblenz den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Wittlich als unbegründet.

    a) Es liege kein Verfahrenshindernis in Gestalt eines unwirksamen Bußgeldbescheides vor. Die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides werde insbesondere nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Land Rheinland-Pfalz bislang keine Rechtsverordnung über die elektronische Aktenführung im behördlichen Bußgeldverfahren erlassen habe.

    b) Der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen das faire Verfahren durch Nichtherausgabe von Messunterlagen sei als Gehörsrüge zu werten. Sie sei allerdings nicht ordnungsgemäß begründet worden, da nicht erkennbar sei, für welchen Zeitraum die "gesamte Messreihe" herausgegeben werden solle. Selbst wenn man die Einhaltung der formellen Voraussetzungen unterstelle, könne die Rechtsbeschwerde nicht wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zugelassen werden. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG sei nicht erweiternd dahin auszulegen, dass hiervon auch ein behaupteter Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren erfasst werde. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder aus Gründen der Rechtsfortbildung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) komme ebenfalls nicht in Betracht.

    c) Entsprechendes gelte für die vom Beschwerdeführer begehrte Einsicht in die vorhandenen Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen, wobei der letztgültige Eichschein vom 24. September 2019 im Rahmen der Akteneinsicht zur Verfügung gestanden habe. Darüber hinaus sei die Formulierung des Beschwerdeführers, wonach "sämtliche" Unterlagen herauszugeben seien, unzureichend. Ungeachtet dessen übersteige die Herausgabe der begehrten Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen das vom Bundesverfassungsgericht als schützenswert erachtete Informationsinteresse.

    d) Hinsichtlich der übrigen geforderten Unterlagen (Konformitätsbescheinigung, verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung, Rohmessdaten, Verwendungsanzeige nach dem Mess- und Eichgesetz) könne auf die Ausführungen zu den Anforderungen an eine Gehörsrüge im Zulassungsverfahren Bezug genommen werden.

    7. Eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz wurde nicht erhoben.

    II.

    Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -) (1.), des Willkürverbots (Art. 17 Abs. 1, 2 LV) (2.), des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 124 LV) (3.) sowie des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 LV) (4.).

    1. Das Amtsgericht habe durch die nicht ermöglichte Einsichtnahme in verschiedene Messunterlagen sowie die Verwertung des Messergebnisses trotz Nichtspeicherung der Rohmessdaten sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

    a) Die Rechtsfigur des sog. standardisierten Messverfahrens, die bei Geschwindigkeitsmessungen im Bußgeldverfahren und so auch im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren zur Anwendung gelange, bringe es mit sich, dass der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Messverfahren aufzeigen müsse. Solche Anhaltspunkte für Messfehler ließen sich verschiedenen technischen Daten und Unterlagen entnehmen. Neben Rohmessdaten könnten weitere Messungen am Tattag mit demselben Gerät sowie Statistiken oder Falllisten ("Case-Lists") zu der Messreihe Anhaltspunkte für Messfehler oder eine Unzuverlässigkeit des Messgeräts liefern. Vor diesem Hintergrund gebiete es das Recht auf ein faires Verfahren, die Falldatensätze der gesamten Messreihe sowie die Statistikdatei/Case-List herauszugeben. Gleiches gelte für die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des verwendeten Messgerätes, die Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung sowie die verkehrsrechtliche Anordnung der geschwindigkeitsreduzierenden Verkehrszeichen.

    b) Ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren liege zudem in der Verwertung des von dem Messgerät aus den Rohmessdaten errechneten Messwertes. Durch die "Vernichtung" der Rohmessdaten - hier durch das Messgerät selbst im Anschluss an die Messung - würden notwendige Verteidigungsrechte unterlaufen. Eine grundrechtsfreundliche Ausgestaltung der von Seiten des Staates eingesetzten Technik erfordere die Speicherung dieser Messdaten. Sei dies - wie hier - durch das eingesetzte Gerät nicht gewährleistet, dürfe seitens der Gerichte nicht auf die Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens zurückgegriffen werden.

    2. Darüber hinaus verletzten das Urteil des Amtsgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts im Hinblick auf die Führung der Bußgeldakte der Verwaltungsbehörde in elektronischer Form das Willkürverbot. Bis zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung im Mai 2021 habe eine Rechtsgrundlage für dieelektronische Führung der Bußgeldakten in Rheinland-Pfalz nicht bestanden. Dies sei wiederholt auch von den Fachgerichten festgestellt worden. Gleichwohl habe die Verwaltungsbehörde weiterhin die Bußgeldakten elektronisch geführt und damit die Grenze zur Willkür überschritten. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen gingen fehlerhaft davon aus, dass ein willkürliches Verhalten der Bußgeldstelle nicht vorliege. Vor diesem Hintergrund stellten sie sich ebenfalls als willkürlich dar.

    3. Zudem verletze das Oberlandesgericht, soweit es im Rechtsbeschwerdeverfahren die erhobenen Verfahrensrügen als unzulässig angesehen habe, den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Die Annahme, hinsichtlich der begehrten Daten der "gesamten Messreihe" sei nicht erkennbar, für welchen Zeitraum die Messreihe herausgegeben werden solle, überspanne die Anforderungen an den Rügevortrag in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise. Vielmehr lasse sich dem im Zulassungsantrag enthaltenen Messprotokoll entnehmen, dass das Messgerät am Tattag zwischen 13 und 18 Uhr zum Einsatz gekommen sei. Gleichfalls mit der Rechtsschutzgarantie unvereinbar seien die Erwägungen des Oberlandesgerichts, im Zulassungsantrag habe dargelegt werden müssen, dass er - der Beschwerdeführer - sich bei weiteren Stellen um die Herausgabe der begehrten Unterlagen zu dem Messgerät (Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen des Messgerätes) hätte bemühen müssen.

    4. Schließlich habe das Oberlandesgericht durch die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde, die nicht erfolgte Übertragung auf den mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat sowie die unterlassene Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof seine Rechte auf den gesetzlichen Richter sowie effektiven Rechtsschutz verletzt. Das Oberlandesgericht habe die Verfahrensrüge betreffend die Nichtherausgabe der Daten der gesamten "Messreihe" nicht als zu unkonkret und damit unzulässig behandeln dürfen, sondern die Rechtsbeschwerde zur Klärung der Frage, was unter der "Messreihe" zu verstehen sei, zulassen müssen. Darüber hinaus sei eine Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Blick auf die fehlende Speicherung von Rohmessdaten zu Unrecht unterblieben.

    III.

    Der Verfassungsgerichtshof hat der Landesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Ministerium der Justiz hat von einer eigenen Stellungnahme abgesehen und eine Stellungnahme des Ministeriums des Innern und für Sport vorgelegt.

    1. Danach verletze das Urteil des Amtsgerichts vom 23. September 2020 den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, da es der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -) zum Anspruch auf Zugang zu bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen nicht hinreichend Rechnung trage.

    2. Weitere Verfassungsverstöße lägen demgegenüber nicht vor. So verstoße die Verwertung des Messergebnisses durch das Amtsgericht trotz der unterbliebenen Speicherung von Rohmessdaten nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Zwar könne dem Betroffenen durch die Nichtspeicherung von Rohmessdaten die theoretische Möglichkeit genommen werden, nach Entlastungsmomenten zu suchen. Dies sei indes unschädlich, da zum einen im Ordnungswidrigkeitenrecht ein weniger strenger Maßstab als im Strafverfahren gelte. Zum anderen sei der Erkenntniswert der Rohmessdaten für die Frage der Korrektheit des Messergebnisses gering und im Hinblick auf die Wirksamkeit der Verteidigung vernachlässigbar.

    3. Darüber hinaus liege keine Verletzung des Willkürverbots im Hinblick auf die Führung der elektronischen Akte durch die zentrale Bußgeldstelle vor. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 20. Juli 2021 im Verfahren VGH B 53/20 spreche vielmehr dafür, dass auch in der Vergangenheit eine ausreichende Rechtsgrundlage bestanden habe. Selbst wenn man dies anders sähe, liege jedenfalls kein solch schwerwiegender Fehler vor, der zur Nichtigkeit des Bußgeldbescheides führe und von den Gerichten als Verfahrenshindernis hätte gewertet werden müssen.

    4. Das Oberlandesgericht habe durch die Behandlung der Verfahrensrügen als unzulässig nicht das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Soweit es angenommen habe, dass der vom Beschwerdeführer gebrauchte Begriff der "gesamten Messreihe" nicht hinreichend konkret sei, habe es zwar sehr strenge, aber keine überspannten Anforderungen an das Rügevorbringen gestellt. So liege es bei einem mobilen Messgerät zwar nahe, den Begriff der gesamten Messreihe auf die am Tag und Ort der verfahrensgegenständlichen Messung generierten Falldatensätze zu beziehen. Zwingend erscheine dies jedoch nicht. Hinsichtlich der begehrten Einsicht in vorhandene Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen habe das Oberlandesgericht ebenfalls keine überspannten Anforderungen gestellt, indem es vom Beschwerdeführer verlangt habe, diese Unterlagen nicht nur bei der Verwaltungsbehörde, sondern auch bei dem Hersteller sowie den mit der konkreten Geschwindigkeitsmessung befassten Polizeidienststellen anzufordern.

    Selbst wenn man aber davon ausginge, dass das Oberlandesgericht im Zulassungsverfahren überspannte Anforderungen gestellt hätte, beruhe der angegriffene Beschluss vom 28. Juni 2021 nicht auf diesem Fehler, da eine Zulassung der Rechtsbeschwerde mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes im Sinne von § 80 Abs. 1 Nr. 1 beziehungsweise Nr. 2 OWiG vorliegend ausscheide. Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts komme nicht in Betracht, da das Bundesverfassungsgericht die Frage der Herausgabe vorhandener Unterlagen in seinem Beschluss vom 12. November 2020 bereits geklärt habe. Auch hinsichtlich der Speicherung der Rohmessdaten bedürfe es keines klärenden Wortes, da kein Obergericht der vom Saarländischen Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 5. Juli 2019 - Lv 7/17 - geäußerten Rechtsauffassung gefolgt sei, wonach die Nichtspeicherung einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren darstelle. Die Rechtsbeschwerde sei auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, da es an einer Wiederholungsgefahr fehle. Zwar habe das Amtsgericht Wittlich ein Zugangsrecht zu vorhandenen Unterlagen verneint und damit das Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Hierin liege jedoch kein bewusster Verstoß, da seinerzeit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2020 noch nicht vorgelegen habe.

    5. Schließlich habe das Oberlandesgericht weder das Recht auf den gesetzlichen Richter noch auf effektiven Rechtsschutz verletzt, indem es die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen und den Rechtsstreit sodann nicht dem Bundesgerichtshof vorgelegt habe. Soweit der Beschwerdeführer Entscheidungen anderer Obergerichte anführe, die in vergleichbaren Fällen von zulässigen Verfahrensrügen betreffend die Nichtherausgabe der Messreihe sowie der Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichnachweise ausgegangen seien, habe sich das Oberlandesgericht in dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, warum keine relevante Abweichung hiervon vorliege. Daher könne jedenfalls von einer willkürlichen Außerachtlassung der Vorlageverpflichtung keine Rede sein.

    IV.

    Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Verfassungsgerichtshof vorgelegen.

    B.

    Die Verfassungsbeschwerde, über die der Verfassungsgerichtshof gemäß § 49 Abs. 1 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof - VerfGHG - ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Insbesondere steht ihr weder die Bundesrechtsklausel (I.) noch das Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs (II.) entgegen.

    I.

    Die gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts Wittlich und des Oberlandesgerichts Koblenz und damit gegen die öffentliche Gewalt des Landes erhobene Verfassungsbeschwerde ist gemäß Art. 130a, Art. 135 Abs. 1 Nr. 4 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -, § 44 Abs. 1 VerfGHG statthaft. Der Umstand, dass die angefochtenen Entscheidungen auf bundesrechtliche Regelungen (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG -, Strafprozeßordnung - StPO -) gestützt sind, steht einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht entgegen. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit die öffentliche Gewalt des Landes Bundesrecht ausführt oder anwendet (§ 44 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG). Dies gilt jedoch unter anderem nicht für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VerfGHG). In der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist geklärt, dass Fragen der Ermöglichung von Einsichtnahmen in Unterlagen und Dokumente über die Geschwindigkeitsmessung, der Aussetzung des Verfahrens, der Behandlung von (Beweis-)Anträgen sowie der Anwendung prozessrechtlicher Bestimmungen durch die Rechtsmittelinstanz (hier der §§ 80 f. OWiG) sämtlich die der Sachentscheidung vorgelagerte Durchführung des gerichtlichen Verfahrens betreffen (VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 - VGH B 19/19 -, AS 47, 350 [357]).

    II.

    Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht das Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs (§ 44 Abs. 3 Satz 1 VerfGHG) entgegen. Der Beschwerdeführer, der weder ausdrücklich noch der Sache nach eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 6 Abs. 2 LV geltend macht, war vorliegend insbesondere nicht gehalten, zunächst gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 356a StPO eine Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. Juni 2021 zu erheben.

    C.

    Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 23. September 2020 und der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. Juni 2021 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV.

    I.

    1. Das Recht auf ein faires Verfahren zählt zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 - VGH B 26/13 -, AS 42, 157 [165]; Beschluss vom 12. Februar 2020 - VGH B 5/20 -, n.v.; vgl. zur inhaltsgleichen grundgesetzlichen Garantie BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1974 - 2 BvR 747/73 -, BVerfGE 38, 105 [111]; Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 -, BVerfGE 57, 250 [274 f.]; Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88 u.a. -, BVerfGE 86, 288 [317]; Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1447/05 u.a. -, BVerfGE 118, 212 [231]). Es hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 77 Abs. 2 LV) in Verbindung mit den Freiheitsrechten und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 LV). Am Recht auf ein faires Verfahren ist insbesondere die Ausgestaltung des Strafverfahrens zu messen, wenn und soweit keine spezielle verfassungsrechtliche Gewährleistung existiert (vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 24. Juli 2009 - VGH B 21/09 -, BeckRS 2014, 49488; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 -, BVerfGE 122, 248 [271]; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a. -, BVerfGE 130, 1 [25]). Die Gewährleistung des "fair trial" beschränkt sich aber nicht auf die Strafverfolgung, sondern gilt auch für sonstige Rechtsbereiche (vgl. Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz [Hrsg.], GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 75 [Juli 2021]; konkret zur Anwendbarkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren auch VerfGH RP, Beschluss vom 28. Januar 2021 - VGH B 71/20 -, AS 48, 115 [121 f.]; VerfGH Saarland, Beschluss vom 27. April 2018 - Lv 1/18 -, juris Rn. 27). Inhaltlich verpflichtet sie alle staatlichen Organe, korrekt und fair zu verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1974 - 2 BvR 747/73 -, BVerfGE 38, 105 [111]). Ferner sichert der Anspruch auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, der im Rechtsstaat nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein darf, den erforderlichen Bestand an aktiven verfahrensrechtlichen Befugnissen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 462/77 -, BVerfGE 46, 202 [210]; Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 -, BVerfGE 57, 250 [275]). Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1983 - 2 BvR 731/80 -, BVerfGE 64, 135 [145 f.]; Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 -, BVerfGE 122, 248 [272]; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a. -, BVerfGE 130, 1 [25 f.]).

    2. Das Recht auf ein faires Verfahren enthält jedoch keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 33). Im Rahmen dieser Konkretisierung sind auch die Erfordernisse einer funktionierenden Rechtspflege in den Blick zu nehmen (VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 - VGH B 19/19 -, AS 47, 350 [371]). Verfahrensgestaltungen, die den Erfordernissen einer wirksamen Rechtspflege dienen, verletzen daher nicht schon dann den Anspruch auf ein faires Verfahren, wenn verfahrensrechtliche Positionen des Betroffenen dabei eine Zurücksetzung zugunsten einer wirksamen Rechtspflege erfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 -, BVerfGE 122, 248 [273]; Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a. -, BVerfGE 133, 168 [201]; Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 35). Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist insbesondere die im Bereich der Messung von Geschwindigkeitsüberschreitungen geläufige und der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung dienende Rechtsfigur des sog. standardisierten Messverfahrens (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 39 ff., Rn. 48; s. auch VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 - VGH B 19/19 -, AS 47, 350 [372]). Ohne den Einsatz von Geschwindigkeitsmessanlagen, deren Ergebnisse trotz ihrer weitgehend automatisierten Arbeitsweise im Bußgeldverfahren verwertbar sind, kann das vorrangige Ziel einer Verkehrsüberwachung, den Gefahren des Straßenverkehrs entgegenzuwirken, nicht effektiv gewährleistet werden (vgl. zum präventiven und repressiven Charakter von Geschwindigkeitsmessungen jüngst BGH, Urteil vom 25. Februar 2021 - 3 StR 365/20 -, juris Rn. 18 f.).

    3. Gelangt im Ordnungswidrigkeitenverfahren ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV) im Grundsatz der Anspruch des Betroffenen, Kenntnis auch von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden und weiterhin vorhanden sind, aber nicht zur Bußgeldakte genommen wurden. Hierdurch wird dem Gedanken der "Waffengleichheit" Rechnung getragen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 37, 50, 59). Die Legitimität der Anerkennung standardisierter Messverfahren steht daher in engem Zusammenhang mit der Anerkennung von Einsichts- und Überprüfungsrechten der Verteidigung (vgl. auch Cierniak, zfs 2012, 664 [670]; ders./Niehaus, DAR 2014, 2 [7]). Ein solcher Anspruch gilt allerdings nicht unbegrenzt. Gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten ist eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten. Andernfalls bestünde die Gefahr der uferlosen Ausforschung, von erheblichen Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 56).

    Ein Anspruch auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen setzt daher in formeller Hinsicht zunächst voraus, dass die begehrten Informationen hinreichend konkret benannt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 57). Dabei hat der Adressat des Einsichtsantrags unter Umständen eine verständige Auslegung vorzunehmen, um das konkrete Einsichtsbegehren des Betroffenen zu ermitteln. Diese Pflicht besteht indes nur im Rahmen des Zumutbaren. Gerade mit Blick auf die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege obliegt es dem Betroffenen und seiner Verteidigung, das Verfahren nicht durch unklare Anträge unangemessen zu verzögern. In materieller Hinsicht erfordert der Anspruch auf Informationszugang zu den nicht zur Bußgeldakte gelangten Informationen einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 57). Ausgangspunkt ist der Vortrag des Betroffenen, der einer Evidenzkontrolle standzuhalten hat.

    Schließlich besteht der Anspruch auf Einsicht in nicht zur Bußgeldakte gelangte Informationen nicht, wenn gewichtige verfassungsrechtlich verbürgte Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 59).

    II.

    Vor diesem Hintergrund wird die Ablehnung des Begehrens des Beschwerdeführers, soweit dieses auf die Zugänglichmachung von vorhandenen Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des konkreten Messgerätes gerichtet war, den aus Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV folgenden Anforderungen an ein faires Verfahren nicht vollständig gerecht.

    1. a) Das Amtsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung vom 23. September 2020 zur Begründung des bereits gegenüber der Bußgeldbehörde geltend gemachten und in der Hauptverhandlung abgelehnten Einsichtsantrages ausgeführt, unter anderem die Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgerätes seien nicht herauszugeben. Eine "Lebensakte" sei für das (geeichte) Messgerät in Rheinland-Pfalz nicht vorgeschrieben und werde auch nicht geführt. Im Übrigen könne eine Reparatur ohne Brechung des Eichsiegels nicht erfolgen. Wäre es demnach zu Reparaturen gekommen, hätte das Messgerät vor einer erneuten Inbetriebnahme neu geeicht werden müssen. Auch lasse sich dem Messprotokoll der verfahrensgegenständlichen Messung entnehmen, dass seit Beginn der Eichfrist keine Reparaturen und Wartungen an dem Messgerät vorgenommen worden seien.

    b) Das Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss vom 28. Juni 2021 über die Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde in der Sache die Ausführungen des Amtsgerichts bestätigt und weiter vertieft. Selbst wenn es im Einzelfall nach dem Zeitpunkt der letzten Eichung zu Defekten an dem Messgerät gekommen sein sollte, ohne dass dies zu einem das Eichsiegel betreffenden Eingriff geführt habe, so lasse sich dem Zulassungsantrag nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer - über das Anschreiben an die Bußgeldstelle hinaus - sich um entsprechende Unterlagen etwa beim Hersteller oder der die konkrete Geschwindigkeitsmessung durchführenden Polizeidienststelle bemüht habe.

    2. Diese Ausführungen sind mit den vorstehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben an ein faires Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Sie widersprechen insbesondere den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu der Gewährleistung des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, die inhaltlich mit Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV übereinstimmt (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 24. Februar 2014 - VGH B 26/13 -, AS 42, 157 [162]; VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 - VGH B 19/19 -, AS 47, 350 [357]). Wie erwähnt folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den außerhalb der Bußgeldakte vorhandenen Informationen, wenn die begehrten Informationen - formell - hinreichend konkret benannt werden, - materiell - einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf sowie eine erkennbare Relevanz für die Verteidigung aufweisen und dem Anspruch keine gewichtigen verfassungsrechtlich verbürgten Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder schützenswerte Interessen Dritter entgegenstehen (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 57, 59).

    a) Diese Voraussetzungen erfüllt das Einsichtsbegehren hinsichtlich der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen. Der Beschwerdeführer hat durch seine Bevollmächtigte bereits mit dem an die Bußgeldstelle gerichteten Antrag vom 3. April 2020 umfangreich vortragen lassen, warum aus seiner Sicht die Einsichtnahme in die Wartungs- und Reparaturunterlagen des konkreten Messgerätes erforderlich sei. So führe zum einen nicht jeder Eingriff an dem Messgerät zum Erlöschen der Eichung. Zum anderen könnten sich auch aus nach der streitgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung erfolgten Reparaturen Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit des Messgerätes zum Tatzeitpunkt ergeben.

    b) Die Frage, welche Information zur Aufklärung von Funktionsbeeinträchtigungen des Messgerätes beitragen kann, lässt sich nicht abstrakt-generell beantworten, sondern ist abhängig von dem konkreten Dokument und dem Umfang der begehrten Einsichtnahme. Für die in Rede stehenden Wartungs- und Reparaturunterlagen stellt in zeitlicher Hinsicht der Eichzeitraum die maßgebliche Grenze für das berechtigte Informationsbegehren des Betroffenen dar (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27. April 2021 - 1 OWi 2 SsRs 173/20 -, juris Rn. 29; Krenberger, NZV 2021, 209 [210]). Reparaturen oder Wartungen vor der letzten Eichung weisen keinen Zusammenhang mit der konkreten Messung auf; sie sind durch die Eichung gleichsam überholt. Für diese Zeiten besteht daher noch nicht einmal eine theoretische Möglichkeit, Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit des Gerätes am Tage der streitgegenständlichen Messung zu erhalten. Etwas anderes gilt für den Zeitraum nach der letzten Eichung. Dabei kann dahinstehen, ob messrelevante Eingriffe in das Geschwindigkeitsmessgerät regelmäßig dessen Neueichung zur Folge haben und die im Messprotokoll vermerkte Unversehrtheit des Eichsiegels daher ein aussagekräftiges Indiz gegen zwischen der Eichung und der Messung vorgenommene Eingriffe darstellt (vgl. hierzu OLG Koblenz, Beschluss vom 17. November 2020 - 1 OWi 6 SsRs 271/20 -, juris Rn. 64). Jedenfalls für die Zeit nach der konkreten Geschwindigkeitsmessung liegen vergleichbare Informationen nicht vor, weil das Messprotokoll keine Aussagen über in der Zukunft notwendig werdende Wartungen und Reparaturen treffen kann. Nicht ausreichend - weil nicht den gesamten maßgeblichen Zeitraum abdeckend - ist insoweit ein möglicher Hinweis des Messbeamten auf dem Messprotokoll, wonach seit Beginn der Eichfrist keine Reparaturen und Wartungen an dem Messgerät durchgeführt worden seien. Liegen demgegenüber keine Reparatur- und Wartungsunterlagen vor, weil nach der letzten Eichung und nach der streitgegenständlichen Messung keine Wartungen oder Reparaturen an dem Messgerät durchgeführt worden sind, kann von der Bußgeldbehörde schon faktisch lediglich eine Erklärung hierüber gefordert werden (vgl. auch Ropertz, NZV 2021, 500 [502]).

    c) Auch wenn die Erwägungen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Einsichtnahme in die Reparatur- und Wartungsunterlagen nur eine bloß theoretische Aufklärungschance zu begründen vermögen, ist ihre Eignung zur Aufdeckung von Funktionsbeeinträchtigung nach den vorstehenden Erwägungen nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 57). Damit ist die von Verfassungs wegen geforderte Relevanz der seit der Eichung vorliegenden Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen für die Verteidigung zu bejahen. Für eine restriktivere Handhabung des Einsichtsrechts in vorhandene Unterlagen - etwa die Forderung, die Relevanz der begehrten Information müsse "auf der Hand liegen" (so OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Mai 2021 - 1 OWi 2 SsRs 19/21 -, juris Rn. 12) - ist mit Blick auf Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV kein Raum. Eine solche Einschränkung würde den unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht, die die Verfassung an die Amtsermittlung der Gerichte einerseits und den Informationszugang des Betroffen andererseits stellt (vgl. auch Staub/Lerch/Krumm, DAR 2021, 125). Während eine bloß theoretisch bestehende Aufklärungschance - zumal in Massenverfahren - keine Aufklärungspflicht des Gerichts begründet, erlaubt sie es dem Betroffenen, bei der Bußgeldbehörde (oder für diese tätige Stellen) vorhandene Informationen für eigene Überprüfungen und die Suche nach Entlastungsmomenten zu erhalten, sofern ein ordnungsgemäßer Einsichtsantrag gestellt wurde und keine gegenläufigen verfassungsrechtlichen Güter (etwa Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, schützenswerte Interessen Dritter) entgegenstehen (vgl. auch Sandherr, DAR 2021, 69 [70 f.]). Liegen die zulässigerweise begehrten Informationen bei der Bußgeldstelle (oder bei der ihr zuarbeitenden Polizeidienststelle) vor, hat sie dem Betroffenen auf Antrag Einsicht hierein zu gewähren. Daher überspannt es die Mitwirkungsobliegenheiten des Betroffenen, ihn in dieser Konstellation darauf zu verweisen, sich zunächst um eine Herausgabe der Unterlagen bei dem Gerätehersteller oder der mit der konkreten Messung betrauten Polizeidienststelle zu bemühen (vgl. auch Krenberger, NZV 2021, 209 [210]).

    d) Dass dem geltend gemachten Anspruch Verfassungsgüter oder (Grund-)Rechte Dritter entgegenstünden, ist mit Blick auf die konkret begehrte Einsicht in vorhandene Reparatur- und Wartungsunterlagen nicht ersichtlich. Die begehrten Unterlagen enthalten weder personenbezogene Daten oder Informationen über Verkehrsverstöße anderer Verkehrsteilnehmer, noch ist ersichtlich, dass durch die Zugänglichmachung der Unterlagen die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege beeinträchtigt wäre (vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 61).

    3. Da bereits die verweigerte Herausgabe der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verletzt, bedarf die Frage, ob auch die Nichtherausgabe der weiteren beantragten Unterlagen einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren darstellt, keiner Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof. Eine solche ist mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen Verfassungsgericht und Fachgerichten gegenwärtig auch nicht angezeigt. Danach ist es Sache der Fachgerichte, einfachrechtliche Vorschriften auszulegen, die zur Anwendung der Vorschriften erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und den so ermittelten Sachverhalt tatsächlich und rechtlich zu würdigen und zugleich die Funktionstüchtigkeit der Rechtsprechung sicherzustellen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 2. Dezember 1986 - 1 BvR 1509/83 -, BVerfGE 74, 69 [75]; VerfG Bbg, Beschluss vom 16. November 2000 - 49/00 -, juris Rn. 11; VerfGH Bln, Beschluss vom 25. September 2019 - 182/18 -, juris Rn. 13). So wird mit Blick auf die beantragte Einsichtnahme in die Falldatensätze der gesamten Messreihe einschließlich Statistikdatei(en) und Case-List(s) - sofern erforderlich unter Beteiligung der Bußgeldstelle - zu klären sein, ob diesen Daten überhaupt eine Bedeutung für die Nachprüfbarkeit des konkret in Rede stehenden Geschwindigkeitsverstoßes zukommt, welche konkreten Informationen beziehungsweise Daten über dritte Verkehrsteilnehmer gespeichert werden und gegebenenfalls mit welchem Aufwand eine Anonymisierung dieser Daten erfolgen könnte. Die vorgenannten Aspekte sind sodann bei der für die Beurteilung eines fairen Verfahrens erforderlichen Gesamtschau einzustellen (VerfGH RP, Urteil vom 15. Januar 2020 - VGH B 19/19 -, AS 47, 350 [371 f.]; allg. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 57, 59; vgl. auch OLG Zweibrücken, Beschluss vom 4. Mai 2021 - 1 OWi 2 SsRs 19/21 - juris Rn. 12 [Divergenzvorlage]).

    III.

    Verstoßen die angegriffenen Entscheidungen bereits gegen Art. 77 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 LV, bedarf es keiner Entscheidung, ob auch die weiteren vom Beschwerdeführer benannten Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt worden sind (vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 28. Januar 2021 - VGH B 71/20 -, AS 48, 115 [128]; sowie entspr. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, juris Rn. 69).

    D.

    Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei.

    Die Anordnung der Auslagenerstattung zugunsten des Beschwerdeführers folgt aus § 21a Abs. 1 Satz 1 VerfGHG.

    Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -. Dieser ist in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 RVG genannten Kriterien - Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers - nach billigem Ermessen zu bestimmten; er beträgt mindestens 5.000,00 €. Das subjektive Interesse des Beschwerdeführers an dem Verfassungsbeschwerdeverfahren ist angesichts der gegen ihn im Bußgeldverfahren verhängten Geldbuße in Höhe von 140,00 € mit dem Auffangwert von 5.000,00 € ausreichend erfasst (vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 28. Januar 2021 - VGH B 71/20 -, juris Rn. 34). Die erhebliche objektive Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es allerdings, den Auffangstreitwert vorliegend auf 10.000,00 € zu verdoppeln (vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 16. April 2020 - VGH B 19/19 -, BeckRS 2020, 7535).