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  • 21.06.2023 · IWW-Abrufnummer 235913

    Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 27.03.2023 – 9 U 52/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OBERLANDESGERICHT  OLDENBURG

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    9 U 52/22
    5 O 2529/21 Landgericht Osnabrück    Verkündet am 27.3.2023

    In dem Rechtsstreit

    AA, Ort1,
        Kläger und Berufungskläger,

    Prozessbevollmächtigte:
    (...),
    Geschäftszeichen: (...)

    gegen

    BB, Ort2,
        Beklagter und Berufungsbeklagter,

    Prozessbevollmächtigte:
    (...),
    Geschäftszeichen: (...)

    hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und die Richterin am Oberlandesgericht (...) auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2023 für Recht erkannt:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 8.7.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Osnabrück abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger das Fahrzeug der Marke CC, Typ (...), Farbe: ursprünglich rot, derzeit giftgrün, FIN: (...), nebst sämtlicher Schlüssel, die sich im Besitz des Beklagten befinden, herauszugeben.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 160.000,- € abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    I.

    Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Herausgabe eines Pkw1, Typ (...).

    Das Fahrzeug stand im Eigentum des in Spanien lebenden Klägers, der es an die ebenfalls in Spanien ansässige Fa. DD vermietete. Die Fa. DD vermietet gewerblich Sportwagen und vermietete das Fahrzeug im Juli 2019 an den ebenfalls in Spanien lebenden EE, der das Fahrzeug nach Ende der einwöchigen Mietzeit nicht zurückgab. Das Fahrzeug wurde daraufhin von der spanischen Polizei zur europäischen Sachfahndung ausgeschrieben. Es konnte dennoch am 1.8.2019 in Deutschland bei der Zulassungsstelle des Kreises Ort7 mit einer 30-Tage-Zulassung zugelassen werden.

    Das Fahrzeug wurde auf der Internetplattform mobile.de zum Kauf angeboten. Der Beklagte trat auf die Anzeige in Kontakt zu den Brüdern FF, die vorgaben, das Fahrzeug im Auftrag des EE zum Kauf anzubieten. Nach einer Besichtigung am 13.8.2019 auf dem Parkplatz einer Spielothek in Ort3 wollte der Beklagte das Fahrzeug erwerben und im Gegenzeug einen Pkw2 in Zahlung geben. Die Brüder FF gaben an, das Fahrzeug zunächst noch für eine Hochzeitsfahrt eines Freundes zu benötigen.

    Es wurde zunächst vereinbart, die Fahrzeuge am 15.8.2019 am Wohnort des Beklagten zu übergeben. Später baten die Brüder FF, sich gegen Mittag desselben Tages „in der Mitte“ auf dem Gelände einer Tankstelle in Ort4 zu treffen. Sodann teilten die Brüder mit, erst gegen 19 Uhr am Treffpunkt zu sein. Nachdem der Beklagte am Treffpunkt eingetroffen war, waren die Brüder FF zunächst nicht anwesend. Sie begründeten ihre Verspätung im Laufe des Abends zunächst damit, in einem Stau zu stehen. Später gaben sie an, in eine Polizeikontrolle geraten zu sein. Dort habe es Verzögerungen gegeben, weil noch „eine Rechnung beim Amt“ offen gewesen sei. Letztendlich trafen die Brüder gegen 23 Uhr am Treffpunkt ein.

    Die Beteiligten unternahmen sodann Probefahrten mit beiden Fahrzeugen, bevor sie um 1 Uhr des Folgetages in einer Burger-King-Filiale in Ort4 den Kaufvertrag unterschrieben, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Anlage K 10, Anlagenband). Der Beklagte gab in dieser Nacht auf dem Gelände einer Tankstelle einen Pkw2 zu einem anrechenbaren Preis von 60.000,- € in Zahlung und übergab den Brüdern überdies 70.000,- € in bar. Im Gegenzug erhielt er das streitgegenständliche Fahrzeug nebst den deutschen Zulassungsbescheinigungen I und II vom 1.8.2019 (Anlage B 1, Bl. 87-89 I) sowie dem DEKRA-Prüfbericht vom 1.8.2029 (Anlage K 13, Anlagenband). Dem Beklagten wurden zudem zwei Schlüssel übergeben, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich bei dem zweiten Schlüssel um einen Original- bzw. Nachschlüssel des Herstellers oder einen von Dritten angefertigten Schlüssel handelte. Unstreitig funktionierte die Funköffnung eines der übergebenen Schlüssel nicht.

    In der Zulassungsbescheinigung Teil II war „EE“ unter der Adresse „Ort5“ eingetragen (Anlage B 1, Bl. 87 I). In der Zulassungsbescheinigung I steht unter „C.1.1 Name oder Firmenname“ „EE Empfangsbevollmächtigter“ und unter „C.1.2 Vorname(n)“ „GG“, ein Gebrauchtwagenhandel mit Sitz in Ort6 (Anlage B 1, Bl. 88 I). In dem Kaufvertrag vom 16.8.2019 (Anlage K 10, Anlagenband) ist als Verkäufer „EE, Ort5“ benannt. In der dem Beklagten im Zuge der Vertragsverhandlungen überreichten Kopie der Vorderseite eines Personalausweises (Anlage K 9, Anlagenband) ist Herr „EE“ eingetragen.

    Eine Anmeldung des Fahrzeugs auf den Namen des Beklagten scheiterte aufgrund der laufenden Fahndung. Das Fahrzeug wurde am 3.6.2020 im Rahmen einer polizeilichen Hausdurchsuchung bei Herrn HH, einem Verwandten des Beklagten, sichergestellt und später wieder an diesen als letzten Gewahrsamsinhaber herausgegeben. Das Fahrzeug befindet sich aktuell im Besitz des Beklagten.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben, §§ 929, 932 BGB. Diesem sei weder positiv bekannt gewesen, dass der in dem Kaufvertrag aufgeführte Veräußerer nicht Eigentümer des Fahrzeugs war, noch sei ihm insoweit grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die vorliegenden Umstände böten weder einzeln noch in ihrer Gesamtschau hinreichenden Anlass für den Beklagten, an der Eigentümerstellung des Herrn EE zu zweifeln und weitere Nachforschungen anzustellen. Ihm seien die Original-Zulassungsbescheinigungen vorgelegt worden, die jedenfalls keine gravierenden Fehler enthielten. Auch die sonstigen Umstände des Verkaufs seien nicht geeignet, Zweifel an der Verfügungsbefugnis des Veräußerers zu begründen. Da das Fahrzeug auch nicht abhandengekommen sei, habe der Beklagte gutgläubig Eigentum erwerben können.

    Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie die dort gestellten Anträge Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

    Gegen das Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er ist der Auffassung, die vorliegenden Umstände hätten dem Beklagten hinreichend Anlass gegeben, an dem Eigentum des EE zu zweifeln. Er behauptet zudem, dem Beklagten sei nur ein Originalschlüssel übergeben worden, der zweite befinde sich noch im Besitz des Klägers. Die übergebenen Zulassungsbescheinigungen seien ggf. als Fälschungen erkennbar gewesen.

    Der Kläger beantragt,
    unter Abänderung des am 8.7.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Osnabrück, 5 O 2529/21, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger das Fahrzeug der Marke CC, Typ (...), Farbe: ursprünglich rot, derzeit giftgrün, FIN: (...), nebst sämtlicher Schlüssel, die sich im Besitz des Beklagten befinden, herauszugeben,
    hilfsweise den Rechtsstreit an das Landgericht Osnabrück zurückzuverweisen.

    Der Beklagte beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seinen Vortrag zum gutgläubigen Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Ihm seien zwei Schlüssel übergeben worden. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um Originalschlüssel handelte.

    Der Beklagte hat im Termin zwei Fahrzeugschlüssel vorgelegt; diese hat der Senat in Augenschein genommen.

    II.
    1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Für die Klage sind die deutschen Gerichte nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO) zuständig, weil der Beklagte seinen Wohnsitz in Deutschland hat.

    2. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

    a. Die Frage, ob der Beklagte das Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat, beurteilt sich gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht als der maßgeblichen lex rei sitae (§§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 und 2 BGB). In dem für die Vollendung des Eigentumserwerbs des Beklagten durch Einigung und Übergabe maßgeblichen Zeitpunkt befand sich das Fahrzeug in Deutschland.

    b. Der Kläger kann von dem Beklagten gem. § 985 BGB die Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.

    Nach den erstinstanzlichen Feststellungen, die dem Berufungsverfahren gem. § 529 Abs. 2 ZPO zugrunde zu legen sind, war der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Soweit der Beklagte nunmehr die „Legitimation“ des Klägers bestreitet, bleibt bereits offen, ob er damit die frühere Eigentümerstellung des Klägers bestreiten oder aber behaupten will, das Eigentum sei infolge einer Schadensregulierung durch eine Versicherung auf diese übergegangen. Im Übrigen wäre der Vortrag selbst für den Fall, dass man ihn als hinreichend konkret erachten wollte, im Berufungsverfahren nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt ist.

    Der Kläger hat sein Eigentum durch das streitgegenständliche Rechtsgeschäft nicht an den Beklagten verloren. Zwar hat am 16.8.2019 zwischen den - als Vertreter des EE auftretenden - Brüdern FF und dem Beklagten eine dingliche Einigung und Übergabe im Sinne von § 929 Satz 1 BGB stattgefunden. Weil das Fahrzeug weder dem EE noch den Brüdern FF gehörte und diese nicht verfügungsbefugt waren, handelten sie als Nichtberechtigte.

    Gemäß § 932 BGB wird der Erwerber durch eine durch Einigung und Übergabe des unmittelbaren Besitzes erfolgte Veräußerung auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung nicht in gutem Glauben war. Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Dass der Beklagte nicht in gutem Glauben war, muss der Kläger beweisen. Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet. Derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit (BGH, Urteil vom 23.9.2022 ‒ V ZR 148/21 ‒ juris).

    Der Beklagte hat vorliegend nicht gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erworben. Zwar bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte, dass dem Beklagten positiv bekannt war, dass der EE weder Eigentümer noch verfügungsbefugt war. Der Beklagte hat jedoch zur Überzeugung des Senats insoweit grob fahrlässig gehandelt.

    Unter grober Fahrlässigkeit wird im allgemeinen ein Handeln verstanden, bei dem die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGHZ 77, 274, 278, BGH, NJW 2013, 1946 Rn 11). Im Rahmen des § 932 Abs. 2 BGB gibt es keine Entlastung wegen fehlender subjektiver Fahrlässigkeit, weil der Rechtsverkehr sich bei der Konkretisierung des guten Glaubens auf gleichmäßige Mindestanforderungen einstellen können muss. Es gilt daher ein streng objektiver Maßstab, so dass die persönlichen Maßstäbe des Erwerbers und seine Handelsgewohnheiten den Maßstab nicht mindern (BGH LM § 932 Nr. 12, 21). Der Beklagte kann sich mithin nicht darauf berufen, dass es sich aus seiner Sicht um einen üblichen Geschäftsvorgang gehandelt habe, den er bzw. Familienangehörige bereits wiederholt in ähnlicher Weise praktiziert hätten, der Kauf ihm persönlich unverdächtig vorkam und er gutgläubig gewesen sei.

    Es gehört regelmäßig zu den objektiven Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (BGH, NJW 1996, 2226, 2227). Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht (BGH, NJW 2013, 1946 Rn 13). Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen. Diese Prüfung hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und wird ihm ein gefälschter Kraftfahrzeugbrief vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten (BGH, NJW 2013, 1946 Rn. 14).

    Nach den Feststellungen des Landgerichts sind dem Beklagten deutsche Originalzulassungsbescheinigungen I und II übergeben worden, die vom Kreis Ort7 ausgegeben worden sind. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren konkret behauptet, dass diese ggf. als Fälschungen zu erkennen waren, ist er damit gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, weil nicht erkennbar ist, dass er ohne Nachlässigkeit daran gehindert gewesen wäre, bereits erstinstanzlich entsprechend vorzutragen und der Beklagte den Vortrag bestritten hat.

    Allerdings konnte der Beklagte trotz der ihm vorgelegten Originalzulassungsbescheinigungen nicht davon ausgehen, dass die Fahrzeugbesitzer FF verfügungsbefugt waren. Denn nicht sie waren in den Zulassungsbescheinigungen ausgewiesen, sondern eine in Spanien wohnhafte Person namens EE. Unstreitig haben sich die Brüder als bloße Vermittler ausgegeben, und der Beklagte hat davon abgesehen, mit dem EE in persönlichen Kontakt zu treten. Der Beklagte hat auch darauf verzichtet, sich eine schriftliche Vollmacht des EE vorlegen zu lassen. Stattdessen hat er sich unter Vorlage einer Kopie der Vorderseite eines auf den Namen EE ausgestellten spanischen Personalausweises auf die mündliche Angabe der Brüder FF verlassen, bevollmächtigt zu sein. Dies reicht nicht aus, um eine Bevollmächtigung glaubhaft zu belegen. Dies gilt umso mehr, als die Schreibweise des Namens und der Adresse in den Zulassungsbescheinigungen von der vorgelegten Kopie des Personalausweises bzw. dem Kaufvertrag abweicht und zudem aus den Zulassungsbescheinigungen nicht eindeutig hervorging, ob es sich bei dem EE tatsächlich um denjenigen handelte, auf den das Fahrzeug zugelassen war, oder er ggf. nur Empfangsbevollmächtigter war (im Einzelnen s.u.).

    Indem der Beklagte das Fahrzeug erworben hat, ohne nähere Nachforschungen zur Person des angeblichen Eigentümers sowie zur Bevollmächtigung der beiden Brüder anzustellen, hat er die ihm obliegenden Überprüfungspflichten im Zusammenhang mit der Vorlage der Zulassungsbescheinigungen nicht erfüllt. Besondere Vorsicht war hier auch vor dem Hintergrund angezeigt, dass es sich um ein Luxusfahrzeug handelt, das erst wenige Tage vor dem Verkauf aus dem EU-Ausland nach Deutschland eingeführt und hier mit Kurzzeitkennzeichen zugelassen worden war. Ungewöhnlich war zudem, dass die Brüder offenbar sofort zur Inzahlungnahme eines Fahrzeugs des Beklagten unter Anrechnung auf den Kaufpreis bereit waren, ohne zuvor mit dem vermeintlichen Eigentümer Rücksprache zu halten und ohne dass sich dieser das Fahrzeug ansieht oder sich zumindest Lichtbilder und Papiere des Fahrzeugs übersenden lässt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Brüder ausweislich der TÜ-Mitschnitte (Bl. 7 I, Anlage K 12, Anlagenband, Anlage B 3, Bl. 122 I ff.) vor dem Verkauf angegeben haben, dass auf den EE alle Kaufverträge gemacht werden. Auch vor diesem Hintergrund hätte für den Beklagten Anlass zu weiteren Nachfragen bestanden, erscheint es doch ungewöhnlich, dass eine Privatperson regelmäßig Fahrzeuge verkauft, und die gewerblich im Autohandel tätigen Brüder ausschließlich für diese Privatperson handeln und daher alle Kaufverträge auf den EE ausstellen.

    Nach alldem bestand für den Beklagten trotz Vorlage der Zulassungsbescheinigungen von vornherein Anlass, sowohl an der Eigentümerstellung des EE als auch an einer Bevollmächtigung der Brüder FF zu zweifeln. Auch von letzteren waren dem Beklagten mit Ausnahme einer Telefonnummer keinerlei persönliche Daten (vollständiger Name, Adresse etc.) bekannt.

    Hinzu kommen weitere besondere Umstände des Verkaufs, die sich in vielfacher Hinsicht als auffällig darstellten. So handelte es sich um einen Straßenverkauf. Ein erstes Treffen hatte zunächst am 13.8.2019 in Ort3 auf dem Parkplatz einer Spielothek stattgefunden. Das Fahrzeug konnte nach Bekunden der Brüder zu diesem Zeitpunkt noch nicht übergeben werden, weil sie es angeblich zunächst noch für eine Hochzeitsfahrt eines Freundes benötigten. Es erscheint wenig nachvollziehbar, warum diese als Vermittler berechtigt gewesen sein sollten, das Fahrzeug zu privaten Zwecken zu nutzen.

    Ungewöhnlich erscheinen zudem Zeit und Ort des Vertragsschlusses und der Übergabe. Nachdem die Brüder FF zunächst angeboten hatten, das Fahrzeug am 15.8.2019 an die Wohnanschrift des Beklagten zu bringen, einigte man sich später darauf, sich um 12 Uhr „in der Mitte“ auf dem Gelände einer Tankstelle in Ort4 zu treffen, wobei keiner der Beteiligten einen persönlichen Bezug zu der Örtlichkeit hatte. Später teilten die Brüder mit, erst gegen 19 Uhr am Treffpunkt zu sein. Nachdem der Beklagte am Treffpunkt eingetroffen war, teilten die Brüder im Laufe des Abends mit, im Stau zu stehen. Später gaben sie an, in eine Polizeikontrolle geraten zu sein. Dort habe es Verzögerungen gegeben, weil noch „eine Rechnung beim Amt“ offen gewesen sei. Sie trafen schließlich erst gegen 23 Uhr am Treffpunkt ein, woraufhin nach der Durchführung von Probefahrten erst um 1 Uhr des Folgetages der Kaufvertrag unterschrieben und das Fahrzeug auf dem Gelände einer Tankstelle an den Beklagten übergeben wurde.

    Ein Straßenverkauf im Gebrauchtwagenhandel gebietet besondere Vorsicht, weil er erfahrungsgemäß das Risiko der Entdeckung eines gestohlenen Fahrzeugs mindert (BGH, NJW 1992, 310). Er führt nur dann nicht zu weitergehenden Nachforschungspflichten, wenn er sich für den Erwerber als nicht weiter auffällig darstellt (BGH, NJW 2013, 1946 Rn. 15). Vorliegend gab es indes, wie dargelegt, ganz erhebliche Auffälligkeiten.

    Auffällig waren auch die offensichtlichen Übertragungsfehler in der Wiedergabe des Namens sowie der Wohnanschrift des angeblichen Verkäufers. Lautete dessen Name ausweislich der vorgelegten Kopie des Personalausweises „(...)“ (Anlage K 9, Anlagenband), wurde er in den Zulassungsbescheinigungen und dem Kaufvertrag als „(...)“ bezeichnet. Überdies ist die Wohnanschrift des Verkäufers in der Zulassungsbescheinigung II und in dem Kaufvertrag nicht identisch wiedergegeben. Heißt es in der Zulassungsbescheinigung II „(...)“, heißt es im Kaufvertrag „(...)“.

    Aus der Zulassungsbescheinigung I geht zudem der EE nicht eindeutig als derjenige hervor, auf den das Fahrzeug zugelassen ist, folgt dem Namen doch der Zusatz „Empfangsbevollmächtigter“, wobei nicht hinreichend deutlich wird, ob sich dieser Zusatz auf den EE oder den GG bezieht, dessen Name erst in der nachfolgenden Rubrik „Vorname(n)“ genannt ist.

    Der Beklagte hat zudem auf einen Abgleich der im Kaufvertrag angegebenen Adresse mit dem Personalausweis verzichtet, denn eine Kopie der Rückseite des Personalausweises war ihm nicht vorgelegt worden, so dass ihm eine Überprüfung der Wohnanschrift nicht möglich war.

    Der Kaufvertrag ist zudem unvollständig ausgefüllt. Es fehlen Angaben zur Anzahl der übergebenen Schlüssel sowie dazu, ob Service- und Wartungsarbeiten lückenlos durchgeführt wurden und das Serviceheft vorliegt. Gerade bei Luxusfahrzeugen wird aber üblicherweise Wert auf eine lückenlose Dokumentation der durchgeführten Wartungen und Services gelegt. Auch wurden unstreitig die Servicehefte nicht an den Beklagten übergeben. Dass insbesondere Luxusfahrzeuge durch Vertragswerkstätten „scheckheftgepflegt“ sind, stellt einen bei Vertragsverhandlungen üblicherweise maßgeblichen Umstand dar.

    Dem Beklagten wurde der DEKRA-Prüfbericht vom Tag der Zulassung mit der zutreffenden FIN (Anlage K 13, Anlagenband) vorgelegt, der als Empfänger allerdings weder den Veräußerer noch die Bevollmächtigten, sondern einen dritten Namen (JJ) ausweist.

    Bei einer Gesamtbetrachtung der genannten Umstände ergaben sich im Zeitpunkt des Erwerbs für den Beklagten zahlreiche Auffälligkeiten, die darauf hindeuteten, dass es sich um ein illegal nach Deutschland eingeführtes Fahrzeug handelte und der im Kaufvertrag als Veräußerer benannte EE weder der Eigentümer noch zu einer Verfügung über das Fahrzeug befugt war. Diese Verdachtsmomente werden zur Überzeugung des Senats nicht dadurch entkräftet, dass das Fahrzeug im Internet bei mobile.de angeboten wurde, deutsche Zulassungsbescheinigungen I und II und ein DEKRA-Bericht existierten, der Beklagte die Brüder FF bereits aus einem Gebrauchtwagenverkauf seines Bruders kannte, ihm eine Kopie der Vorderseite des Personalausweises des angeblichen Eigentümers vorgelegt und ihm zudem nach eigenen Angaben zwei Schlüssel übergeben worden sind, mit denen er das Fahrzeug jedenfalls mechanisch öffnen konnte.

    Es kann dahinstehen, ob dem Beklagten tatsächlich zwei Schlüssel für das Fahrzeug übergeben worden sind und ob und ggf. in welchem Umfang diese funktionsfähig waren. Ebenso kann offenbleiben, ob der Beklagte das Fahrzeug zu einem angemessenen Kaufpreis erworben hat und ob im Gegenzug der für das in Zahlung genommene Fahrzeug in Anrechnung gebrachte Betrag von 60.000,- € angemessen war. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, die von dem Beklagten erbrachte Gegenleistung dem Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs entsprochen haben sollte und der Beklagte kein durch eine Straftat erlangtes Fahrzeug erwerben wollte, waren die Begleitumstände des Erwerbs in ihrer Gesamtschau insgesamt so auffällig, dass der Beklagte weitere Nachforschungen zur Berechtigung des Veräußerers hätte anstellen müssen. Nur weil der Bruder des Beklagten bereits einmal ein Fahrzeug an die Brüder verkauft hatte, ohne dass es dabei zu Problemen gekommen ist, und die Familie schon mehrfach ohne Komplikationen Fahrzeuge aus dem Ausland erworben hatte, durfte der Beklagte nicht von der Unbedenklichkeit des streitgegenständlichen Kaufs ausgehen. Der Beklagte durfte sich angesichts der höchst ungewöhnlichen Begleitumstände des Erwerbs nicht allein auf einen Abgleich der Fahrgestellnummer mit den Zulassungspapieren und dem DEKRA-Prüfbericht beschränken. Indem er auf eine Überprüfung der Berechtigung des Verkäufers sowie der Bevollmächtigung der als Vermittler auftretenden Brüder verzichtet hat, hat er bewusst die Augen verschlossen und grundlegende Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen, die in Anbetracht der auffälligen Gesamtumstände jedem unmittelbar hätten einleuchten müssen.

    Eine Beziehung der Strafakten gegen die Brüder FF (Landgericht Darmstadt, Az. 10 KLs ‒ 1300 Js 89440/19) ist nicht veranlasst. Dass der Beklagte seinerseits mit dem streitgegenständlichen Kauf Opfer eines Betruges geworden ist und die Brüder auch andere Käufer auf gleiche Weise betrogen haben, ist unstreitig. Ebenso ist als unstreitig zugrunde zu legen, dass dem Beklagten Original-Zulassungsbescheinigungen des Landkreises Ort7 vorgelegt worden sind. Die den streitgegenständlichen Erwerb betreffenden TKÜ-Protokolle liegen vor. Nachdem der Beklagte nicht dargelegt hat, inwieweit den Strafakten ein weitergehender Erkenntnisgewinn zukommen soll, hat der Senat von einer Beiziehung der Akten abgesehen.

    Der Beklagte hat den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug erlangt. Auch kann sich der Beklagte nicht auf ein von dem Kläger abgeleitetes Besitzrecht berufen.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung bemisst sich nach dem Kaufpreis, den der Kläger für den Erwerb des Fahrzeugs aufgewendet hat.

    4. Die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 20.3.2023 und 22.3.2023 sowie des Klägervertreters vom 21.3.2023 und 24.3.2023 lagen bei Urteilsabfassung vor. Sie gaben zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass,
    § 156 ZPO.

    5. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.