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  • 07.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122427

    Landgericht Hildesheim: Urteil vom 04.07.2012 – 2 O 100/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Hildesheim
    Geschäfts-Nr.: 2 O 100/12
    Verkündet am: 04.07.2012
    Im Namen des Volkes!
    Urteil
    In dem Rechtsstreit XXX,
    hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch den Richter am Landgericht XXXX als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.06.2012 für R e c h t erkannt:
    Die Klage wird abgewiesen.
    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
    Tatbestand:
    Die Beklagte betreibt einen gewerblichen Handel mit Gebrauchtkraftfahrzeugen. Am 12.09.2011 erwarb der Kläger bei ihr einen gebrauchten Pkw KIA zu einem Preis in Höhe von 6.990,00 €. Hierüber fertigten die Parteien einen schriftlichen Kaufvertrag, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 7 d.A. Bezug genommen wird. Am Tag nach Abschluss des Kaufvertrages begab sich der Kläger mit dem Fahrzeug nach Polen. Dort ließ er Reparaturarbeiten an dem Pkw ausführen (Bl. 10 d.A.). Anschließend stellte er das Fahrzeug bei der Beklagten vor. Die Beklagte erstattete dem Kläger die von ihm für die vorgenommenen Arbeiten geleisteten Beträge. In der Folgezeit ersetzte die Beklagte an dem Fahrzeug kostenfrei eine Wasserleitung, eine Antenne sowie eine Glühbirne.
    Mit Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 14.10.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass das Fahrzeug am 09.10.2011 einen Motorschaden erlitten habe. Er forderte die Beklagte dazu auf, das Fahrzeug bis spätestens zum 25.10.2011 in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen (Bl. 12 f. d.A.). Mit Schreiben vom 19.10.2011 verwies die Beklagte darauf, dass sie bereit sei, einer sie treffenden Nacherfüllungspflicht nachzukommen (Bl. 14 f. d.A.) und teilte sodann unter dem 25.10.2011 mit, dass sie „den Wagen in ihren eigenen Räumen durch Fachpersonal überprüfen lassen“ wolle (Bl. 17 d.A.). Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 28.10.2011 den Rücktritt von dem geschlossenen Kaufvertrag und forderte eine Erstattung des von ihm geleisteten Kaufpreises (Bl. 18 f. d.A.).
    Der Kläger behauptet, in dem von ihm unterzeichneten Vertragstext seien nach Unterschriftsleistung Ergänzungen durch die Beklagte eingefügt worden. Er sei angestellter Kraftfahrer und habe bei Vertragsschluss als Verbraucher gehandelt. Das Fahrzeug habe tatsächlich am 09.10.2011 einen Motorschaden erlitten, weshalb es nicht mehr fahrfähig sei. Dieser Mangel sei bereits bei Übergabe angelegt gewesen.
    Der Kläger beantragt,
    die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 6.990,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 05. November 2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 603,93 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Zustellung der Klage zu zahlen,
    sowie festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkw KIA mit der Fahrgestell-Nr. XXXX im Verzuge befindet.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagte rügt die örtliche Zuständig des angerufenen Gerichts. Sie vertritt die Auffassung, dass das Landgericht XXXX örtlich zuständig sei. Sie behauptet, der Beklagte habe bei Abschluss des Vertrages ausdrücklich als Unternehmer gehandelt. Er habe den schriftlichen Vertrag in der vorliegenden Form unterzeichnet; eine Mängelgewährleistung sei wirksam ausgeschlossen. Einen etwaigen Schaden an dem Motor habe der Kläger selbst verursacht.
    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe:
    Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
    I.
    Die Klage ist zulässig. Das angerufene Landgericht Hildesheim ist gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig. Der Kläger erhebt gegen die Beklagte Rückgewähransprüche aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag aufgrund eines von ihm erklärten Rücktritts. Gemeinsamer Leistungsort für den Rücktritt gemäß §§ 437 Nr. 2, 440 BGB ist der Ort, an dem sich die Sache vertragsgemäß befindet (vgl. BGH NJW 1983, 1479; OLG Saarbrücken NJW 2005, 906). Der Pkw befindet sich vertragsgemäß an dem Wohnort des Klägers in XXXX. Da dort Pflichten aus einem etwaig zwischen den Parteien bestehenden Rückgewährschuldverhältnis zu erfüllen wären, ist die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Hildesheim gegeben. Eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung haben die Parteien nicht wirksam getroffen, § 39 Abs. 1 ZPO. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Kläger tatsächlich um einen Kaufmann handelt, sind weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich.
    II.
    Die Klage ist unbegründet.
    Der Kläger ist nicht gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1, 346 BGB berechtigt, von der Beklagten die Rückabwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages zu verlangen. Dabei können im Ergebnis die Fragen auf sich beruhen, ob es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB handelt, ob sich der Kläger bei Vertragsschluss als Unternehmer ausgab und ob das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB aufwies. Der von dem Kläger mit Schreiben seines nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2011 erklärte Rücktritt vom Vertrag ist jedenfalls deshalb unwirksam, weil der Kläger den Pkw nicht zur Vornahme einer Nacherfüllung im Sinne des § 439 BGB an den Firmensitz der Beklagten in XXXX verbrachte.
    Das Recht eines Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, setzt nach dem in § 323 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Vorrang der Nacherfüllung grundsätzlich voraus, dass der Käufer dem Verkäufer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 439 BGB gesetzt hat. Dabei kann der Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach seiner Wahl Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels oder durch Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Zwar hat der Kläger der Beklagten eine Frist zur Beseitigung des gerügten Mangels mit Schreiben vom 14.10.2011 gesetzt. Er ist hiermit jedoch seiner Obliegenheit, der Beklagten Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben, nicht in gehöriger Weise nachgekommen, da er den Pkw für die Mangelbeseitigung nicht zum Sitz der Beklagten verbracht, sondern die Beklagte allein zur Abholung des Fahrzeugs in XXXX aufgefordert hatte. Das Erfordernis eines Nachbesserungsverlangens als Voraussetzung für die Rechte des Käufers aus § 437 Nr. 2 und 3 BGB umschreibt keine Vertragspflicht, sondern eine Obliegenheit des Käufers (vgl. BGH NJW 2006, 1195; BGH NJW 2010, 1448). Diese Obliegenheit, der der Käufer im eigenen Interesse nachzukommen hat, wenn er die in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte geltend machen will, beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Der Verkäufer ist nicht verpflichtet, sich auf ein Nacherfüllungsverlangen des Käufers einzulassen, bevor dieser ihm nicht Gelegenheit zu einer solchen Untersuchung der Kaufsache gegeben hat. Denn dem Verkäufer soll es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die Kaufsache darauf zu überprüfen, ob der behauptete Mangel besteht und ob dieser bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann, und hierzu ggf. Beweise zu sichern (BGH NJW 2006, 1195; BGH NJW 2010, 1448). Der Verkäufer kann von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Nacherfüllung ist auf die Vornahme der hierzu erforderlichen Handlungen am Erfüllungsort begrenzt. Erfüllungsort der Nacherfüllung ist vorliegend der Firmensitz der Beklagten in XXXX. Da die Frage des Erfüllungsorts bei der Nacherfüllung im Kaufrecht keine eigenständige Regelung erfahren hat, ist für dessen Bestimmung die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1 BGB maßgebend (BGHZ 189, 196). Danach sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses abzustellen. Lassen sich auch hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Schuldner zurzeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine gewerbliche Niederlassung (§ 269 Abs. 2 BGB) hatte. Die Parteien vereinbarten ausdrücklich XXXX als Erfüllungsort für die aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag herrührenden Verpflichtungen. So findet sich in dem schriftlichen Kaufvertrag der Parteien vom 12.09.2011 ausdrücklich die handschriftliche Bestimmung, wonach der „Erfüllungsort beim Verkäufer“ liegen soll (Bl. 7 d.A.). Unabhängig von dieser ausdrücklichen Vereinbarung befindet sich der Erfüllungsort auch nach den Umständen des Falles am Sitz der Beklagten. Beim Fahrzeugkauf vom Händler erfordern Nachbesserungsarbeiten in der Regel technisch aufwändige Diagnose- oder Reparaturarbeiten des Verkäufers, die wegen der dort vorhandenen materiellen und personellen Möglichkeiten sinnvoll nur am Betriebsort des Händlers vorgenommen werden können (vgl. OLG München NJW 2007, 3214; BGHZ 189, 196). Hinzu kommt, dass der Belegenheitsort gerade bei verkauften Fahrzeugen variabel ist. Fahrzeuge befinden sich typischerweise und bestimmungsgemäß nicht nur am Wohnsitz des Käufers, sondern unterwegs zu den verschiedensten Zielen, wie etwa der Arbeitsstätte, dem Urlaubsort oder sonstigen Reisezielen (vgl. BGHZ 189, 196). Auf die Zweifelsregelung des § 269 Abs. 2 BGB, nach welcher ebenfalls XXXX als Sitz der Beklagten Erfüllungsort wäre, kommt es nach alledem nicht an. Die Beklagte war also gerade nicht dazu verpflichtet, das streitgegenständliche Fahrzeug bei dem Kläger in XXXX abzuholen.
    Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Fahrzeug sei aufgrund des angeblich erlittenen Motorschadens nicht fahrtauglich, kann dieser Gesichtspunkt im Ergebnis auf sich beruhen. Der Kläger übersieht, dass der Verkäufer bei einem berechtigten Nacherfüllungsverlangen die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten gemäß § 439 Abs. 2 BGB ohnehin zu tragen hat. Allein ein etwaiger Aufwand des Käufers für die Durchführung oder die Organisation des Rücktransports einer gekauften Sache an den Sitz des Verkäufers zum Zwecke der Nacherfüllung überschreitet nicht zwingend die Erheblichkeitsschwelle. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es für den Kläger eine erhebliche Unannehmlichkeit darstellte, das Fahrzeug an den Firmensitz der Beklagten in XXXX zu verbringen. Der Sitz der Beklagten liegt nicht so weit vom Wohnort des Klägers entfernt, dass ein Transport des Fahrzeugs zwischen diesen beiden Orten dem Kläger nicht zumutbar wäre. Auch beim Ankauf des Pkw hatte sich der Kläger wenigstens zweimal an den Sitz der Beklagten begeben, dort das Fahrzeug zunächst besichtigt und es sodann persönlich in Empfang genommen, weshalb er das Fahrzeug auch zum Zwecke der Nacherfüllung dorthin hätte verbringen müssen.
    Die Beklagte hat sich während des gesamten Rechtsstreits und auch schon in dessen Vorfeld u.a. darauf berufen, dass der Kläger ihr keine Gelegenheit zur Nacherfüllung eingeräumt hatte. Anhaltspunkte dafür, dass sie eine Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigerte, sind nicht ersichtlich. An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Bejahung einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen; sie liegt nur vor, wenn der Schuldner eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten nicht nachkommen (vgl. BGHZ 104, 6; BGH NJW-RR 1999, 560; BGH BB 2006, 686; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 281 Rdnr. 14). Daran fehlt es vorliegend. In dem Bestreiten von Mängeln liegt nicht ohne weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung; denn das Bestreiten ist prozessuales Recht des Schuldners. Vielmehr müssen zu dem bloßen Bestreiten weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehne und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einem ordnungsgemäßen Mängelbeseitigungsverlangen hätte oder werde umstimmen lassen (vgl. BGH NJW-RR 1993, 882; BGH BB 2006, 686). Unmittelbar nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger erstattete die Beklagte ihm Aufwendungen für die Reparatur des Pkw in XXXX. Weiterhin führte sie anstandslos und für den Kläger kostenfrei weitere Arbeiten an Kraftwagen aus. Im außergerichtlichen Schriftverkehr hat die Beklagte ausdrücklich darum gebeten, dass ihr das Fahrzeug an ihrem Sitz zu Überprüfungszwecken zur Verfügung gestellt werde; zugleich betonte sie, dass sie einer sie treffenden Nacherfüllungspflicht nachkommen werde. Sie hat von Beginn des Rechtsstreits an (auch) stets gerügt, ihr sei keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden. Es erscheint mit Rücksicht hierauf nicht als ausgeschlossen, dass die an sie gerichtete Aufforderung zur Nacherfüllung bei tatsächlicher Überlassung des Fahrzeugs keinen Streit über das Vorliegen eines Sachmangels (mehr) geführt, sondern die Fahrzeugschäden beseitigt hätte.
    Da dem Kläger keine Rechte aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB zustehen, kann er auch nicht die Feststellung eines Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.
    III.
    Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht am 26.06.2012 und 27.06.2012 eigegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien haben der Kammer keine Veranlassung gegeben, eine Wiedereröffnung der Verhandlung anzuordnen (§§ 296 a, 156 ZPO).
    IV.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    RechtsgebieteKaufvertrag, NacherfüllungVorschriften§§ 323, 346, 434, 437, 439, 440 BGB