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  • 10.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122439

    Amtsgericht Aurich: Beschluss vom 06.07.2012 – 5 OWi 1647/12

    Zum (verneinten) Recht des Verteidigers auf Einsicht in die Lebensakte.


    Einsicht in die Bedienungsanleitung kann nur nach vorheriger terminlicher Absprache in den Räumen der Verwaltungsbehörde gewährt werden.


    Amtsgericht Aurich
    Beschluss
    Aurich, den 06.07.12
    5 OWi 1647/12
    In der Bußgeldsache
    gegen
    Verteidiger:
    hat das Amtsgericht Aurich am 06.07.2012 durch die Richterin beschlossen:
    1. Auf Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung vom 24.05.2012 ist dem Verteidiger unter Zurückweisung seiner weitergehenden Anträge ergänzende Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung für das benutzte Messgerät Traffiphot-S (Zulassungszeichen 18.11/90.29) in den Räumlichkeiten des Landkreises Aurich, Fischteichweg 7-13, 26603 Aurich zu gewähren.
    2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen trägt der Betroffene zu zwei Dritteln, im Übrigen fallen sie der Staatskasse zur Last.

    Gründe:
    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 62 OWiG zulässig und teilweise begründet.
    Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers bezieht sich auf die Originalverfahrensakte wie sie beim Landkreis Aurich vorhanden ist. Gern. § 60 OWiG i.V.m. §147 StPO gehören zu den Akten des Bußgeldverfahrens sämtliche verfahrensbezogenen Unterlagen, die für das Verfahren geschaffen worden sind und die zu den Akten genommen worden sind. Das sind alle be- und entlastenden Schriftstücke bzw. Bild- oder Tonaufnahmen, auch soweit sie noch nicht zur Akte gelangt sind, sowie in einem Verfahren, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Inhalt hat, auch die für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit der Messung relevanten Schriftstücke.
    Das Recht auf Akteneinsicht gilt jedoch nicht unbeschränkt. Zum einen kann Akteneinsicht nur in solche Unterlagen gewährt werden, die auch vorhanden sind. Das ist bei der sog. Lebensakte nicht der Fall. Die Verwaltungsbehörde hat das Führen einer solchen Akte auch nicht pflichtwidrig unterlassen, da sie zur entsprechenden Führung nicht verpflichtet ist. Soweit eine Lebensakte geführt wird, geschieht dies auf freiwilliger Basis der Verwaltungsbehörde. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) hat in ihrer "Stellungnahme zur Forderung nach Herausgabe von Lebensakten von Geräten, deren Bauart von der PTB für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs zugelassen ist" aus Januar 2004 erklärt, dass zu berücksichtigen sei, dass jedes geeichte Gerät eichamtlich gesichert sei, so dass Reparaturen oder sonstige Eingriffe nur nach dem Brechen von eichamtlichen Siegeln, Plomben u.ä. möglich sei. Demnach ist die beweiserhebliche Frage diejenige, ob das Eichsiegel bei der Messung unversehrt war und nicht die Frage, was in der Lebensakte steht. Da es sich bei dem vorliegenden Verkehrsüberwachungsgerät um ein geeichtes Gerät handelt, besteht kein Erfordernis zum Führen einer Lebensakte.
    Einsicht in die Bedienungsanleitung kann nur nach vorheriger terminlicher Absprache in den Räumen des Landkreises Aurich gewährt werden. Ein Versandt dieser internen Originalunterlagen, die ständig benötigt werden, kommt nicht in Betracht. Die jeweilige Anfertigung von Kopien würde aufgrund der Vielzahl der Bußgeldverfahren die Kapazitäten der Behörde in einem erheblichen Ausmaß überschreiten. Schließlich ist die Behörde auch aus urheberrechtlichen Gründen nicht berechtigt, die Bedienungsanleitungen zu vervielfältigen.
    Diese Entscheidung ist gern. § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG unanfechtbar.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG iVm § 473 StPO.