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  • 15.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123386

    Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 18.03.2011 – 13 S 158/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    13 S 158/10
    3 C 511/07 (12)
    Amtsgericht St. Ingbert
    verkündet am 18.03.2011

    LANDGERICHT SAARBRÜCKEN
    URTEIL

    Im Namen des Volkes

    In dem Rechtsstreit XXX

    hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken
    auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2011
    durch den Präsidenten des Landgerichts ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Landgericht ...
    für R e c h t erkannt:
    1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 1. Oktober 2010 – 3 C 511/07 (12) – im Tenor zu Ziffer 1) teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 2.132,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. April 2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
    2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 28 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 72 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 31 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 69 %.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4. Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe
    I.
    Der Kläger macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am ... gegen 19.10 Uhr in ... im Einmündungsbereich ... Straße ereignete und für den die Beklagten unstreitig einstandspflichtig sind.
    Bei dem Unfall wurde der Audi A4 Avant 2.7 TDI des Klägers, der im Schadenszeitpunkt 11 Monate alt war und eine Gesamtlaufleistung von 11.945 km aufwies, beschädigt.
    Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, er habe bei dem Unfall eine schmerzhafte Verstauchung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule erlitten und drei Wochen lang Schmerzen gehabt. An dem Pkw sei eine Wertminderung von 450,00 € eingetreten.
    Zuletzt hat er 1.200,00 € Verdienstausfall, 270,00 € anteilige Steuern, 482,84 € Behandlungskosten, 450,00 € Wertminderung, insgesamt 2.402,84 € sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, das er mit mindestens 600,00 € beziffert, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht.
    Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
    Sie meinen, eine Wertminderung sei nicht eingetreten, da bei Reparaturkosten von 1.683,34 € und einem Wiederbeschaffungswert von mindestens 25.000,00 € die Bagatellgrenze von 10 % des Wiederbeschaffungswertes nicht überstiegen werde.
    Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat Beweis erhoben durch Einholung mehrerer Sachverständigengutachten. Daraufhin hat es die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.682,84 € sowie ein Schmerzensgeld von 400,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei erwiesen, dass die von dem Kläger aufgeführten Verletzungen auf das Unfallgeschehen vom ... zurückgingen. Der Kläger habe drei Wochen lang Schmerzen gehabt und sei vom 14. bis 20. Februar 2007 arbeitsunfähig gewesen. Die Schmerzen hätten den Kläger jedoch nicht in seiner ganzen Lebenssituation beeinträchtigt. Die verordneten Fango-Behandlungen seien nicht als unangenehm anzusehen. Unter diesen Umständen sei ein Schmerzensgeld von 400,00 € angemessen. Ein merkantiler Minderwert sei nicht eingetreten. Bei einem Bagatellschaden, d.h. wenn die Reparaturkosten 10 % des Wiederbeschaffungswertes nicht übersteigen und kein neuer Pkw betroffen sei, falle kein merkantiler Minderwert an. So liege der Fall hier. Der Pkw des Klägers sei nicht neu in diesem Sinne. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 1.689,34 € netto. Als Wiederbeschaffungswert seien 25.000,00 € in Ansatz zu bringen. Auch das Gutachten des Sachverständigen ... beweise keine Wertminderung, da es weder Ausführungen zu seiner Berechnungsmethode noch Angaben dazu tätige, warum ausnahmsweise trotz des Bagatellschadens und des hohen Wiederbeschaffungswertes ein merkantiler Minderwert bestehen sollte.
    Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch in Höhe des merkantilen Minderwerts (450,00 €) sowie den Schmerzensgeldanspruch in Höhe von weiteren 200,00 € weiter.
    Er rügt, bei der Bemessung des Schmerzensgeldes habe das Erstgericht nicht hinreichend gewürdigt, dass der Kläger vorzeitig wieder gearbeitet habe, um den Verlust von Kunden durch einen längeren Ausfall zu vermeiden. An dem Fahrzeug sei ein merkantiler Minderwert entstanden. Das Erstgericht sei seiner Hinweispflicht aus § 139 ZPO nicht nachgekommen, da es nicht auf Bedenken hinsichtlich der sachverständigen Bewertung des merkantilen Minderwertes durch den Sachverständigen ... hingewiesen habe.
    Die Beklagten haben beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
    II.
    Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nur in dem tenorierten Umfang begründet.
    1. Im Rahmen der dem Grund nach unstreitigen Haftung der Beklagten aus § 7 StVG i.V.m. § 3 PflVG a.F. kann der Kläger entgegen der Auffassung des Erstgerichts einen merkantilen Minderwert geltend machen, den die Kammer gemäß § 287 ZPO auf 450,00 € schätzt.
    a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Erstgericht angenommen, dass es sich bei dem merkantilen Minderwert um die Minderung des Verkaufswertes handelt, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht (vgl. BGHZ 161, 151 ff.). Danach kommt ein merkantiler Minderwert zwar nicht bei Bagatellschäden in Betracht, die sich im Falle vollständiger, ordnungsgemäßer Instandsetzung nicht auf den Verkaufswert auswirken. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann ein Bagatellschaden vorliegend jedoch nicht unter Hinweis darauf begründet werden, dass die Reparaturkosten unter 10 % des Wiederbeschaffungswertes liegen. Die Annahme einer pauschalen Bagatellgrenze in dieser Höhe wird zwar von Ruhkopf/Sahm vertreten (VersR 1962, 593 f.). Soweit der Bundesgerichtshof die Methode Ruhkopf/Sahm als grundsätzlich zur Ermittlung des merkantilen Minderwerts beurteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1979 – VI ZR 16/79, NJW1980, 281 f.), war die Bagatellgrenze jedoch nicht Gegenstand der Betrachtung. Nach Auffassung der Kammer darf eine Bagatellgrenze jedenfalls nicht schematisch angewandt werden, da sich auch die Bewertung eines Unfallschadens durch den Markt einer schematischen Betrachtung entzieht. Vielmehr ist eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geboten (vgl. etwa Knerr in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 3 Rdn. 57, 64 f., OLG Jena NZV 2004, 476 ff.). Da sich ein merkantiler Minderwert aus einer Bewertung des unfallbeschädigten, reparierten Fahrzeugs am Markt ergibt, können im Einzelfall nämlich auch mit verhältnismäßig geringem finanziellem Aufwand zu behebende Schäden einen Minderwert begründen, wenn am Markt unfallbedingt nur ein geringerer Preis zu erzielen ist.
    b) Auf der Grundlage der Ausführungen des Privatgutachtens des Sachverständigen ... hält es die Kammer für überwiegend wahrscheinlich im Sinne von § 287 ZPO, dass vorliegend tatsächlich der von dem Sachverständigen bezifferte merkantile Minderwert von 450,00 € entstanden ist. Der Sachverständige hat die Wertminderung ausweislich der Angaben auf Blatt 10 des Gutachtens unter Berücksichtigung von Fahrzeugalter, Zustand, Wert, Schadensumfang, eingeschlagenem Reparaturweg und Käuferverhalten am regionalen Markt ermittelt. Dies ist unter den vorliegenden Umständen auch ohne eingehende Erläuterung des Berechnungsweges plausibel. So ist nachvollziehbar, dass ein Fahrzeug, das – wie hier – knapp ein Jahr vor der Kollision erstmals zugelassen wurde und eine nicht überdurchschnittlich hohe Fahrleistung von knapp 12.000 km aufwies, eher anfällig für eine Wertminderung ist als ein älteres Fahrzeug mit hoher Laufleistung. Das gilt insbesondere für das hier zu beurteilende Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse, das nach der Aufnahme des Sachverständigen keine Vorschäden aufwies, sich in gutem Allgemeinzustand befand und über eine umfangreiche Sonderausstattung (z.B. Zierleisten, CD-Wechsler, Navigationssystem, Leder, Einparkhilfe, Sportlederlenkrad, Sportfahrwerk, Freisprecheinrichtung, Seitenairbag hinten etc.) verfügte. Berücksichtigt man ferner, dass sich der Schaden vorliegend nicht auf Lackschäden an Heckschürze und Heckklappe beschränkte, sondern auch die Anhängerkupplung sowie Querträger, die Abgasanlage und Sensoren der Parkhilfe erfasste, ist es nachvollziehbar, dass der Markt wegen der Gefahr verborgener Mängel einen Preisabschlag in der von dem Sachverständigen angegebenen Größenordnung erzwingt. Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe des von dem Sachverständigen ... geschätzten merkantilen Minderwertes, die geeignet wären, die Richtigkeit der Schätzung in Zweifel zu ziehen, und Anlass zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens hätten geben können, wurden von den Beklagten auch nicht erhoben.
    2. Soweit dem Kläger der merkantile Minderwert zuzusprechen ist, hat der Kläger auch gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen.
    3. Ohne Erfolg beanstandet die Berufung dagegen, dass das Erstgericht dem Kläger kein höheres Schmerzensgeld als 400,00 € zuerkannt hat.
    a) Die Körperverletzung führt dazu, dass bei dem Geschädigten regelmäßig ein immaterieller Schaden eintritt, den der Schädiger auszugleichen hat. Die Bemessung der als angemessen erachteten Entschädigung in Geld erfolgt gemäß § 287 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts. Zur Erreichung einer „billigen“ Entschädigung sind alle relevanten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen; insbesondere Art, Intensität und Dauer der erlittenen Rechtsgutsverletzung sind in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und beeinflussen die Höhe der Entschädigung (Urteile der Kammer vom 23. August 2008 – 13 O 26/08 –, vom 26. Juni 2009 – 13 O 185/08 – und vom 9. Juli 2010 – 13 S 82/08).
    b) Nach Maßgabe dieser Umstände ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht ein Schmerzensgeld von 400,00 € als angemessen, aber auch als ausreichend angesehen hat.
    aa) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Erstgericht durchaus zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass dieser über den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit hinaus Schmerzen hatte. Es hat lediglich die weiteren zwei Wochen nicht einer Phase der Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt, da der Kläger trotz fortbestehender Schmerzen in dieser Zeit zumindest soweit wiederhergestellt war, dass er seiner Arbeit nachgehen konnte. Dies ist nicht zu beanstanden. Selbst unter Berücksichtigung der mit der Berufsausübung einhergehenden Schmerzbelastung ist das erstinstanzlich zuerkannte Schmerzensgeld der Höhe nach angemessen.
    bb) Im Ergebnis ebenfalls ohne Erfolg beanstandet der Kläger die Höhe des Schmerzensgeldes unter Hinweis auf die von ihm wahrgenommene Fango-Behandlung. Soweit das Erstgericht diese Behandlung bei der Schmerzensgeldbemessung mit der Begründung nicht berücksichtigt hat, diese seien nicht als unangenehm anzusehen, ist dem Kläger zwar zuzugestehen, dass allein schon der Aufwand für das Wahrnehmen dieser Termine als Beeinträchtigung anzusehen ist. Diese hat jedoch so geringes Gewicht, dass sie insgesamt nicht die Zuerkennung eines höheren als des erstinstanzlich zugesprochenen Schmerzensgeldes rechtfertigt.
    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
    Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).