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  • 08.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130358

    Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 20.12.2012 – 3 Ss 136/12

    1.
    Auf eine zulässige Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) ausgegangen ist.
    2.
    Eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Dies ist nicht der Fall, wenn die Feststellungen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und somit keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können. Geht das Berufungsgericht gleichwohl von einer wirksamen Beschränkung aus, hat es insoweit über den Verfahrensgegenstand nur unvollständig entschieden (Anschluss u.a. an BGHSt 33, 59; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 298, 299; BayObLGSt 1994, 98/100; OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 178; sowie zuletzt OLG Bamberg, Urteile vom 24.01.2012 - 3 Ss 126/11, vom 24.07.2012 - 3 Ss 62/12 und vom 04.12.2012 - 2 Ss 101/12; ferner OLG Hamburg, Beschluss vom 15.03.2012 - 2 - 70/11 [sämtliche bei [...]].
    3.
    Bei einer Verurteilung wegen einer (folgenlosen) Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) setzt die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch über Mindestfeststellungen des Amtsgerichts zu Tatzeit, Tat- bzw. Betreffensort sowie Alkoholisierungsgrad und Schuldform des Angeklagten hinausgehende Feststellungen insbesondere zu den Umständen der Alkoholaufnahme und den Gegebenheiten der Fahrt (z.B. tatsächliche bzw. beabsichtigte Fahrstrecke, Fahrbereitschaft oder Fahrmotive) voraus, da auch diese Umstände die Schuld des Täters wesentlich mitbestimmen können (Anschluss u.a. an BayObLG NStZ 97, 359; NZV 1999, 482 f. und zuletzt OLG München zfs 2012, 472 f.).
    4.
    Erkennt das Berufungsgericht in diesen Umständen zugleich erhebliche, sog. 'doppelrelevante' Strafzumessungsgesichtspunkte, muss es nach einer Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch die dazu getroffenen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils seiner Entscheidung zu Grunde legen. Fehlen dahingehende Feststellungen, darf die Lücke nicht durch ergänzende Aufklärung geschlossen werden. Hält das Berufungsgericht nähere Erkenntnisse für erforderlich, verbleibt ihm wegen der durch die Doppelrelevanz bedingten Untrennbarkeit von Schuld- und Straffrage nur die Möglichkeit, die Berufung unbeschränkt durchzuführen (Anschluss u.a. an OLG Koblenz OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 178).


    Tatbestand
    Das AG hat den Angekl. wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 I, II StGB), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt und gegen ihn eine (isolierte) Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angekl. Berufung eingelegt und diese in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das LG hat die Berufung des Angekl., von deren wirksamer Beschränkung es ausgegangen ist, als unbegründet verworfen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angekl. erwies sich als überwiegend begründet.
    Gründe
    Die Revision des Angekl. erweist sich in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang als begründet, weil das LG im Hinblick auf das (prozessuale) Tatgeschehen vom 21.08.2011 zu.U.nrecht die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung des Angekl. auf den Rechtsfolgenausspruch angenommen und deswegen insoweit über den Verfahrensgegenstand nur unvollständig entschieden hat.
    1. Auf eine zulässige Revision prüft das Revisionsgericht von Amts wegen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist.
    a) Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur dann wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben, was nicht der Fall ist, wenn die getroffenen Feststellungen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und somit keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (BGHSt 33, 59; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 298, 299; BayObLGSt 1994, 98/100; OLG Koblenz NStZ-RR 2005, 178; vgl. zuletzt auch Senatsurteile vom 24.01.2012 - 3 Ss 126/11 und vom 24.07.2012 - 3 Ss 62/12; ferner OLG Hamburg, Beschluss vom 15.03.2012 - 2 - 70/11 sowie OLG Bamberg, Urteil vom 04.12.2012 - 2 Ss 101/12 [sämtliche bei [...]]; siehe auch Meyer-Goßner § 318 Rn. 17 f. m.w.N.).
    b) Das AG hat hinsichtlich der Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Tatgeschehen vom 21.08.2011) lediglich festgestellt, dass der Angekl. zur Tatzeit mit einem Pkw "auf der S-Straße in H." fuhr, obwohl er - wie er wusste - "keine Fahrerlaubnis hatte" sowie "infolge vorangegangenen Alkoholgenusses [...] nicht mehr in der Lage" war, "sein Fahrzeug sicher zu führen". Eine dem Angekl. "am selben Tag gegen 23.24 Uhr entnommene Blutprobe" habe "nach Auswertung eine BAK von 1,3 ‰" ergeben, wobei "der Angekl. [...] seine Fahruntüchtigkeit [hätte] erkennen können und müssen".
    c) Diese Feststellungen sind unvollständig, da sie keine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben. Dem Urteil des AG sind nur die Höhe der BAK und die Schuldform zu entnehmen, nicht aber Feststellungen zu den Umständen der Alkoholaufnahme und zu den Gegebenheiten der Fahrt. Der Mitteilung dieser Umstände hätte es in dem amtsgerichtlichen Urteil aber bedurft, da sie bei einer (folgenlosen) Trunkenheitsfahrt die Schuld des Täters wesentlich bestimmen können (vgl. hierzu BayObLG NStZ 97, 359 sowie instruktiv NZV 1999, 482 f.; vgl. zuletzt auch OLG München zfs 2012, 472 f. sowie Senatsurteil vom 20.11.2012 - 3 Ss 92/2012). Denn den Schuldspruch betreffen nicht nur die zur Erfüllung der Tatbestandsmerkmale erforderlichen Feststellungen, sondern auch die Tatsachen, die nur den Schuldumfang beschreiben, ohne für die rechtliche Bewertung der Tat von Bedeutung zu sein. Erkennt das Berufungsgericht darin zugleich erhebliche Strafzumessungsgesichtspunkte (sog. 'doppelrelevante' Tatsachen), muss es nach Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch die dazu getroffenen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils seiner Entscheidung zu Grunde legen. Fehlen jedoch - wie hier - dahingehende Feststellungen, darf die Lücke nicht durch ergänzende Aufklärung geschlossen werden. Hält die Berufungskammer nähere Erkenntnisse für erforderlich, verbleibt ihr wegen der durch die Doppelrelevanz bedingten Untrennbarkeit von Schuld- und Straffrage nur die Möglichkeit, die Berufung unbeschränkt durchzuführen und die Schuldfeststellungen umfassend neu zu treffen (OLG Koblenz a.a.O., m.w.N.).
    d) Wegen der Einheitlichkeit der prozessualen Tat vom 21.08.2011 ist von dem Rechtsfehler auch die (tateinheitliche) Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis erfasst. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass bezüglich der Tat vom 21.08.2011 die Strafzumessung auch deshalb angreifbar erscheint, weil in deren Rahmen abweichend vom verkündeten Urteilstenor und den sonstigen Urteilsausführungen von "vorsätzlicher" statt fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Rede ist.
    2. Im Übrigen deckt die Revision keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. auf (§ 349 II StPO).
    3. Mit der Aufhebung des Schuldspruches wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gerät auch die hierzu verhängte Einzelstrafe in Wegfall. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruches sowie der Maßregelanordnung mitsamt den ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nach sich.

    RechtsgebieteStGB, StVG, StPOVorschriften§ 69a StGB, § 316 StGB, § 21 StVG, § 264 StPO, § 318 StPO