· Fachbeitrag · Abstandsverstoß
Abstand: Wann liegt ein nicht nur vorübergehender Verstoß vor?
Eine bußgeldrechtliche Ahndung wegen einer Abstandsunterschreitung - i.S. eines „nicht nur vorübergehenden Verstoßes“ - ist jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens drei Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat (OLG Hamm 9.7.13, 1 RBs 78/13, Abruf-Nr. 132803). |
Praxishinweis
Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des BGH wie auch der OLG erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung (§ 4 StVO) nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situationen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen. Alleine deshalb soll dem Nachfahrenden keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden können.
Bislang nicht einheitlich wird in der Rechtsprechung der OLG die Frage beantwortet, wann denn nun eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist. Damit hat sich jetzt das OLG Hamm befasst. Die Antwort: Dann, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens drei Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat. Abzustellen ist nach (zutreffender) Auffassung des OLG auf die vorwerfbare Dauer bzw. Strecke. Das begründet das OLG damit, dass das Gesetz selbst keine Mindestdauer in zeitlicher oder örtlicher Hinsicht als Voraussetzung der Ahndung einer Abstandsunterschreitung vorgibt. Die vom BGH aufgestellte Voraussetzung, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend sein darf, bezieht sich nach Auffassung des OLG auf die Dauer oder Länge der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung, nicht auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung. Nach § 10 OWiG kann nur vorsätzliches oder - wenn das Gesetz dies (wie hier) ausdrücklich vorsieht - fahrlässiges Handeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung kann es daher letztlich nicht entscheidend ankommen.
Maßgeblich ist also, dass der Anteil an der Gesamtstrecke der Abstandsunterschreitung, der von dem Betroffenen verschuldet wurde (und nicht etwa durch ein Verhalten Dritter oder durch andere Ereignisse, auf die der Betroffene noch nicht reagieren und den erforderlichen Abstand wiederherstellen konnte), nicht nur „vorübergehender“ Natur ist. Darauf muss der Verteidiger achten.
Weiterführender Hinweis
- Zur aktuellen Rechtsprechung in Abstandsfragen s. auch noch OLG Hamm VA 12, 209; AG Lüdinghausen VA 13, 87 und die Rechtsprechungsübersicht VA 12, 159.