Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Abwesenheitsverhandlung

    Was darf der Verteidiger ohne Vertretungsvollmacht?

    | Kann der mandatierte Rechtsanwalt keine Vertretungsvollmacht (§ 73 Abs. 3 OWiG) vorlegen, darf in der Abwesenheitsverhandlung nach § 74 Abs. 1 OWiG gleichwohl als Verteidiger auftreten und Anträge stellen. Er darf für den Betroffenen aber keine Erklärungen abgeben oder entgegennehmen. Das ist das Fazit aus KG 2.9.15, 3 Ws (B) 447/15, Abruf-Nr. 146101 . |

     

    Der Verteidiger hatte in der Hauptverhandlung beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Er hatte aber keine schriftliche Vertretungsvollmacht vorlegen können. Diese befand sich zu diesem Zeitpunkt auch nicht bei den Akten. Das AG hat den Beweisantrag abgelehnt. Der Verteidiger hat die Verfahrensrüge erhoben. Das KG hat diese als zulässig angesehen, in der Sache aber als unbegründet.

     

    Der Betroffene war von der Anwesenheitspflicht nach § 73 Abs. 2 OWiG entbunden. Daher konnte er sich nach § 73 Abs. 3 OWiG nur durch „einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen“. Es kann aber offen bleiben, ob die Vertretungsvollmacht, wie es trotz der unterschiedlichen Formulierungen von § 73 Abs. 3 OWiG und § 51 Abs. 3 OWiG („Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet“) einhelliger Meinung entspricht, dem Gericht zu Beginn der Hauptverhandlung schriftlich vorliegen muss (OLG Bamberg VA 11, 76; Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 4. Aufl., § 73 Rn. 41) oder ob etwa eine anwaltliche Versicherung des Bestehens einer schriftlichen Vertretungsvollmacht genügen könnte. Zwar kann der nur mit einer Verteidigervollmacht versehene Rechtsanwalt anstelle des Betroffenen keine Erklärungen abgeben oder entgegennehmen. Er hat aber sämtliche dem Verteidiger zustehenden Befugnisse (BayObLG VRS 61, 39; Senge in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 73 Rn. 42). Dazu gehört auch das Recht, in der Hauptverhandlung Anträge zu stellen. Da der Verteidiger hier ausweislich der Rechtsbeschwerdeschrift bevollmächtigt war und die Verteidigervollmacht, anders als die Vertretungsvollmacht, auch im Abwesenheitsverfahren keiner Form bedarf (Seitz in Göhler, OWiG 16. Aufl., § 73 Rn. 26), konnte der Verteidiger in der Hauptverhandlung im eigenen Namen wirksam Anträge stellen.

     

    PRAXISHINWEIS | Verteidigervollmacht und Vertretungsvollmacht des Verteidigers sind streng voneinander zu unterscheiden:

     

    • Die Verteidigervollmacht gibt dem Verteidiger das (eigene) Recht, Anträge zu stellen. Sie gibt ihm aber nicht das Recht, den Betroffenen in der Hauptverhandlung zu „vertreten“, also z.B. Erklärungen für den abwesenden Betroffenen abzugeben. Denn der Verteidiger ist nach § 137 StPO i.V.m. §§ 46, 71 OWiG Beistand des Betroffenen und nicht sein Vertreter.

     

    • Will der Verteidiger daher den (abwesenden) Betroffenen in der Hauptverhandlung vertreten, muss er über eine Vertretungsvollmacht verfügen (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl., 2015, Rn. 1251 FF. m.w.N.). Diese kann er sich ggf. noch selbst in der Hauptverhandlung erteilen (vgl. dazu Burhoff, EV, a.a.O.).
     
    Quelle: ID 43789540