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  • · Nachricht · Befangenheitsantrag

    Urteil schon während des Plädoyers abgesetzt: Dieser Richter ist befangen!

    | Eine immer wieder zu beobachtende Unsitte im Straf- bzw. Bußgeldverfahren ist, dass der (Einzel-)Richter den Urteilstenor bereits während des Plädoyers des Verteidigers absetzt. Das war einem Verteidiger in einem Bußgeldverfahren aufgefallen. Sein Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit (§§ 24 ff. StPO) hatte vor dem AG Fürth Erfolg. |

     

    Entscheidungsgründe

    Das Verhalten eines Richters während der Hauptverhandlung kann die Ablehnung begründen, wenn es besorgen lässt, dass er nicht unvoreingenommen an die Sache herangeht, insbesondere von der Schuld des Betroffenen bereits endgültig überzeugt ist. Ein Misstrauen in die Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters ist grundsätzlich zu bejahen, wenn sich aus dessen Verhalten ergibt, dass das Ergebnis der Entscheidungsfindung bereits feststeht, obgleich dem Betroffenen noch rechtliches Gehör zu gewähren ist. Das ist hier der Fall, weil der Vorsitzende schon während des Plädoyers des Verteidigers das Urteil abgesetzt hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des AG Fürth ist zutreffend (24.7.17, 471 OWi 704 Js 105668/18, Abruf-Nr. 202932). Ebenso haben in der Vergangenheit z. B. das BayObLG (MDR 73, 246) und das AG Wildeshausen (DAR 17, 405) entschieden.

     

    Wenn in dem Zusammenhang immer wieder auch auf BGH wistra 05, 110 verwiesen wird, geht der Hinweis fehl. Denn der BGH hat dort nur ausgeführt, dass es den Berufsrichtern unbenommen ist, sich schon vor den Schlussvorträgen durch die Fertigung eines Votums (Urteilsentwurfs) entsprechend dem jeweiligen Ermittlungs- bzw. Verfahrensstand auf die Hauptverhandlung bzw. die Urteilsberatung vorzubereiten. Das ist etwas ganz anderes als den Urteilstenor schon während des Plädoyers des Verteidigers abzufassen und zu unterzeichnen.

     

    Fraglich ist, wie man mit diesen Fällen verfahrensrechtlich umgeht. Denn nicht immer wird der Verteidiger auf einen so ehrlichen Richter wie beim AG Fürth treffen, der einräumt, das Urteil während des Plädoyers abgefasst und unterzeichnet zu haben. Als Verteidiger haben Sie in diesen Fällen keine andere Möglichkeit, als durch eine anwaltliche Versicherung die zu frühe Urteilsfassung glaubhaft zu machen. Ggf. hilft auch die eidesstattliche Erklärung eines Zuschauers, der das Schreiben des Richters beobachtet hat.

     

    Und: Ggf. empfiehlt es sich, mit dem Schlussvortrag inne zu halten und zu sehen, ob der Richter auch eine „Schreibpause“ einlegt. Tut er das nicht, spricht viel dafür, dass er sich nicht nur Notizen aus dem bzw. zu dem Plädoyer des Verteidigers macht, sondern anderes, eben den Urteilstenor, schreibt.

    Quelle: ID 45881453