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  • · Fachbeitrag · Berufungsverfahren

    Berufungsverwerfung auch bei Anwesenheit eines verteidigungsbereiten Verteidigers

    • 1.Auch unter Berücksichtigung des EGMR-Urteils vom 08.11.12 (EGMR Nr. 30804/07) steht allein die Anwesenheit eines verteidigungsbereiten Verteidigers der Anwendung des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO nicht entgegen.
    • 2.§ 329 Abs. 1 S. 1 StPO enthält eine Öffnungsklausel für sämtliche Fälle der gesetzlich vorgesehenen zulässigen Vertretung durch einen Verteidiger. Die der Entscheidung des EGMR zugrunde liegende Konstellation ist jedoch deshalb nicht als (weiterer) zulässiger Vertretungsfall i.S. der genannten Norm anzusehen, weil eine derartige Auslegung zwar nicht dem Wortlaut, aber dem sich aus dem Regelungszusammenhang der Vorschrift ergebenden eindeutig entgegenstehenden Willen des nationalen Gesetzgebers widerspricht.

    (OLG Bremen 10.6.13, 2 Ss 11/13, Abruf-Nr. 132798)

     

    Praxishinweis

    Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 8.11.12 - Neziraj - die bundesdeutsche Rechtslage und Praxis der Verwerfung der Berufung des in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO trotz Anwesenheit eines verteidigungsbereiten Verteidigers als mit der EMRK nicht vereinbar angesehen. Es war m.E. zu erwarten, dass die deutschen OLG die Entscheidung des EGMR nicht umsetzen würden: So hat das bereits das OLG München unter Hinweis auf den Wortlaut des § 329 Abs. 1 S. 1 StPO abgelehnt (vgl. VA 13, 72). Nun also auch das OLG Bremen. M.E. wird die Frage, ob und wie das EGMR-Urteil hier in der Bundesrepublik umzusetzen ist, letztlich nur vom Gesetzgeber entschieden werden können. Ggf. sogar erst nach einem weiteren Urteil des EGMR. Verteidiger sollten in der Hauptverhandlung, wenn die Verwerfung der Berufung des Mandanten droht, aber auf jeden Fall die Einhaltung der Vorgaben des EGMR anmahnen (vgl. dazu auch noch pro/contra Gerst, NStZ 13, 310 und Mosbacher, NStZ 13, 312).

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 177 | ID 42286233