· Fachbeitrag · Beschlussverfahren
Wenn die „Anregung“ an das Gericht zum Bumerang wird...
| Wird die Zustimmung zum schriftlichen Verfahren an Bedingugnen geknüpft, kann das ins Auge gehen. Das zeigt eine Entscheidung des OLG Bamberg. |
Sachverhalt
Der Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung erließ gegen die Betr. am 30.3.15 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h einen Bußgeldbescheid. DArin wurde ein Bußgeld von 160 EUR festgesetzt. Mit Schreiben vom 10.4.15 legte die Betr. gegen den Bescheid Einspruch ein und widersprach der Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 72 I 1 OWiG. Nachdem das AG Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hatte, zeigte der mit schriftlicher Vollmacht vom 25.4.15 versehene Verteidiger der Betr. mit Schriftsatz vom 3.6.15 eine Terminskollision an. Gleichzeitig beschränkte er den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch und gab folgende Erklärung ab: „Aus prozessökonomischen Gründen rege ich an, durch Beschluss im schriftlichen Verfahren mit der Maßgabe zu entscheiden, dass die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße auf den Regelsatz nach der Bußgeldkatalogverordnung in Höhe von 80 EUR herabgesetzt wird.“
Das AG hob daraufhin den Termin zur Hauptverhandlung auf und verurteilte die Betroffene mit Beschluss vom 18.6.15 zu einer Geldbuße in Höhe von 160 EUR. Mit ihrer hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt die Betr., dass das AG durch Beschluss nach § 72 OWiG entschieden hat, obwohl sie diesem Verfahren widersprochen habe. Dem stehe auch das Schreiben vom 3.6.15 nicht entgegen. Die Entscheidung im Beschlussverfahren sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass gegen die Betr. ein Regelbußgeld von 80 EUR verhängt werde. Das Rechtsmittel erwies sich bereits als unzulässig.
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In der „Anregung“ eines verteidigten Betroffenen, „aus prozessökonomischen Gründen“ im schriftlichen Verfahren „mit der Maßgabe zu entscheidena“, dass die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße auf den Regelsatz herabgesetzt wird, kann im Einzelfall die konkludente Rücknahme des gegen eine Entscheidung im Beschlussverfahren anfänglich erhobenen Widerspruchs liegen, sofern mit der „Anregung“ lediglich das Einspruchsziel verdeutlich werden sollte, ohne dieses zugleich zur Bedingung für das angeregte Verfahren zu machen. |
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist weder nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 OWiG noch nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG statthaft. Weder hat das Gericht eine Geldbuße von mehr als 250 EUR oder eine Nebenfolge gegen die Betr. verhängt, noch liegen die in § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 OWiG normierten Voraussetzungen vor.
- Die Betr. hat mit Schriftsatz vom 3.6.15 ihren mit Schreiben vom 10.4.15 erklärten Widerspruch gegen eine Entscheidung im Beschlussverfahren konkludent zurückgenommen, wozu sie auch berechtigt war (vgl. KK-Senge, OWiG, 4. Aufl., § 72 Rn. 26). Nach dem Wortlaut und dem erkennbar gemeinten Sinn der Erklärung stand die Rücknahme nicht unter der Bedingung, dass gegen die Betr. im Beschlusswege lediglich eine Regelgeldbuße von 80 EUR festgesetzt würde.
- Die Erklärung der Betr. im Schriftsatz vom 3.6.15 ist hinsichtlich der Verhängung des Regelbußgelds von 80 EUR nicht als Prämisse, sondern nur als bloße Erläuterung der Zielrichtung des Einspruchs zu verstehen. Mit der von ihr gewählten Formulierung wird schon sprachlich deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Herabsetzung des Bußgelds um das Ziel des Einspruchs handelt, nicht jedoch um eine Vorbedingung für das vom Gericht einzuschlagende Beschlussverfahren. Wäre dies von der Betr. gewollt gewesen, hätte sie ohne Schwierigkeiten eine sprachlich eindeutige Formulierung wählen können, aus der hervorgegangen wäre, dass die Herabsetzung des Bußgelds auf 80 EUR Voraussetzung für das von ihr angeregte Beschlussverfahren ist.
- Da der Schuldspruch gegen die Betr. durch die mit dem gleichen Schriftsatz erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch in Rechtskraft erwachsen war, die Verhängung eines Fahrverbots gegen die Betr. nicht im Raum stand und die Eintragung eines Punkts im Fahreignungsregister nicht von der Höhe des verhängten Bußgelds, sondern der Art der in Rechtskraft erwachsenen Tat abhängig war (vgl. Ziff. 3.2.2 der Anl. 13 zu § 40 FeV), stand nur noch die Höhe des zu verhängenden Bußgelds in Frage. Die von der Betr. ausdrücklich angestrebte prozessökonomische Lösung des Falles war einzig durch die Wahl des Beschlussverfahrens zu erreichen, da dieses der Betr. und ihrem Verteidiger ein Erscheinen in der ansonsten durchzuführenden Hauptverhandlung ersparte. Die Chance für die von ihr allein noch erstrebte Herabsetzung der Geldbuße war von der Wahl der Verfahrensart unabhängig. Besonderheiten dergestalt, dass die Betr. dem persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung ausschlaggebende Bedeutung für die Bemessung des Bußgelds beimaß und dies vom AG auch so verstanden werden musste, zeigt die Rechtsbeschwerde demgegenüber nicht auf.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, dass in entsprechenden Fällen sorgfältig formuliert werden muss.