· Fachbeitrag · Entbindungsantrag
Diese Voraussetzungen gelten für die Entbindung von der Anwesenheitspflicht
| Man mag es nicht mehr lesen, wie die AG offenbar versuchen, über die (fehlerhafte) Ablehnung von Entbindungsanträgen der Betroffenen (§ 73 Abs. 2 OWiG) Bußgeldsachen schnell und einfach zu erledigen. Ein Beispiel dafür ist ein AG-Urteil, das dann aber das OLG Hamm aufgehoben hat. |
Sachverhalt
Der Betroffene hatte beantragt, von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden zu werden. Zugleich hatte er seine Fahrereigenschaft eingeräumt und erklärt, keine weiteren Angaben zur Sache zu machen. Das AG hat den Entbindungsantrag zurückgewiesen, „da die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung der Sach- und Rechtslage erforderlich sei, da nach den Erfahrungen des Gerichts zu erwarten stehe, dass das Erinnerungsvermögen der Zeugen, die als Polizeibeamte eine Vielzahl ähnlicher oder gleichgelagerter Sachverhalte zur Kenntnis nähmen, deutlich erhöht sei, wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung anwesend sei.r“ Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das OLG Hamm (27.7.16, 2 RBs 131/16, Abruf-Nr. 188427) stellt klar, dass die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt ist. Dieses muss vielmehr dem Antrag entsprechen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass durch die persönliche Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein wesentlicher Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts zu erwarten gewesen wäre, sind nicht erkennbar. Allein die rein theoretische, durch keine einzelfallbezogenen konkreten Tatsachen gestützte Möglichkeit, polizeiliche Zeugen könnten sich nach längerer Zeit an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in der Hauptverhandlung sehen, reicht nicht aus, um den Entbindungsantrag abzulehnen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass hier eine Videoaufzeichnung des Vorfalls vorlag.
Relevanz für die Praxis
Der zutreffenden Entscheidung ist nichts hinzuzufügen. Das Verhalten des AG ist nicht nachvollziehbar, zumal es eine Videoaufzeichnung von dem Verkehrsverstoß gab, die in der Hauptverhandlung in der Abwesenheitsverhandlung hätte vorgeführt werden können. Dazu hatte das AG aber offenbar keine Lust. Der Verteidiger muss in der Rechtsbeschwerde beachten, dass der Verstoß gegen die §§ 73, 74 OWiG mit der Verfahrensrüge geltend zu machen ist, für die die Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gelten.