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  • · Fachbeitrag · Fahrverbot

    Neue(re) Rechtsprechung zum Fahrverbot

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    | Der Beitrag gibt einen Überblick zur aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot. Im ersten Teil werden die allgemeinen Fragen behandelt sowie Fragen zum beharrlichen Verstoß. |

    1. Allgemeines

    Soll ein Fahrverbot verhängt werden, muss eine sog. zweistufige Prüfung erfolgen. Diese muss in den Urteilsgründen dargelegt werden. Danach ist zunächst zu prüfen, ob aufgrund besonderer äußerer oder subjektiver Umstände ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann. Sodann ist abzuwägen, ob eine außergewöhnliche Härte als Folge des Fahrverbots dessen Verhängung entgegensteht (OLG Celle zfs 15, 413).

     

    • Rechtsprechungsübersicht: Allgemeines zum Fahrverbot
    Umstände des Einzelfalls
    Entscheidung
    Fundstelle

    Teilnahme an einer qualifizierten verkehrspsychologischen Intensivberatung, wie z. B. avanti-Fahrverbot oder „Mobil Plus Prävention“.

    Ja, Fahrverbot entfällt.

     

    Praxishinweis | Zu der Problematik eingehend auch Wolf/Uhle DAR 15, 352.

    AG Bernkastel-Kues

    zfs 14, 172; vgl. aber zfs 16, 174 (nur Verkürzung eines dreimonatigen Fahrverbots);

    AG Mannheim

    zfs 14, 173;

    AG Landstuhl

    VA 15, 13; 16, 83

    Freiwillige Teilnahme an einem Aufbauseminar.

    Von der Verhängung eines Regelfahrverbots kann allein aufgrund der freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht abgesehen werden. Dies ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn neben dem Seminarbesuch zusätzlich eine Vielzahl anderer, vom Tatrichter festzustellender Gesichtspunkte zugunsten des Täters sprechen.

     OLG Saarbrücken

    12.2.13, Ss (B) 14/2013 (9/13 OWi);

    vgl. aber auch AG Traunstein

     VA 14, 33

    Drogenfahrt.

    Es kann ausnahmsweise von einem Fahrverbot abgesehen werden, wenn die Tat längere Zeit zurückliegt und der Betroffene seitdem nachweislich abstinent gelebt hat.

    AG Zeitz

    VRR 14, 34;

    ähnlich NZV 16, 394

    Rotlichtverstoß.

    Regelfahrverbot entfällt, wenn eine Gefährdung des anderen Verkehrsteilnehmers ausgeschlossen werden kann.

    OLG Stuttgart

    VRR 14, 111

    Geschwindigkeitsüberschreitung.

    Beschränktes Fahrverbot, ausgenommen die Klassen C und CE, ist möglich.

     

    Praxishinweis | Das AG hat auch von der Erhöhung der Geldbuße abgesehen, was allerdings streitig ist.

    AG Lüdinghausen

     VA 14, 82

    Zu kurzer Abstand zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Messstelle.

    Ja, kann Auswirkungen auf die gegen den Betroffenen zu verhängenden Rechtsfolgen haben. Dies ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Geschwindigkeitsbegrenzung ein sog. Geschwindigkeitstrichter vorausgeht, durch den sich der Kraftfahrer stufenweise einer verringerten Geschwindigkeit anzupassen hat.

    OLG Oldenburg

    VA 14, 140 m.w.N.;

    vgl. aber auch OLG Koblenz NZV 11, 621

    Ersttäter.

    Nein, allein die Tatsache, dass der Betroffene Ersttäter ist, lässt die Erforderlichkeit des Fahrverbots nicht entfallen.

     

    Praxishinweis | Nach Auffassung des OLG Zweibrücken kann ein Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße nur bei einem Ersttäter entfallen (DV 16, 293).

    OLG Bamberg

     VA 15, 29

    Rechtfertigender Notstand.

    Ein mit Rettungswillen begangener Verkehrsverstoß kann nach einer Abwägung aller relevanten Umstände zum Absehen vom Fahrverbot führen.

    OLG Hamm

    VRR 4/2015, 15

    Der Betroffene lässt die Gelegenheit zur verhältnismäßigen Ableistung des Fahrverbots, z. B. einen Krankenhausaufenthalt oder die Nebensaison seines Arbeitgebers, eigenverantwortlich verstreichen.

    Er kann sich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit berufen.

     

    Praxishinweis | Der Betroffene darf nicht die Hauptverhandlung abwarten. Er muss ab Erhalt des Bußgeldbescheids Vorbereitungen dafür treffen, das Fahrverbot sozialkonform anzutreten (OLG Hamm NZV 05, 495).

    AG Landstuhl

     VA 15, 137

    Der Betroffene macht geltend, dass er wegen des (bevorstehenden) Erreichens der „Punktegrenze“ mit dem Entzug der Fahrerlaubnis zu rechnen habe, weshalb von einem Fahrverbot kein über eine gegebenenfalls erhöhte Geldbuße hinausgehender verkehrserzieherischer Effekt zu erwarten sei.

    Nein.

    OLG Bamberg

    DAR 15, 656

    Der Betroffene hat seit Bekanntgabe des Bußgeldbescheids bis zum Hauptverhandlungstermin sowohl an einer verkehrspsychologisch-therapeutischen Beratung teilgenommen als auch auf freiwilliger Basis Screenings durchgeführt, welche belegen, dass er seit über einem Jahr keinen Alkohol mehr konsumiert hat.

    Es kann ausnahmsweise auch bei einem Verstoß gegen § 24a Abs. 1 StVG von einem Fahrverbot abgesehen werden.

    AG Backnang

    20.10.15,

    2 OWi 63 Js 104388/14 (2)

    Abstandsverstoß, für den ein anderer Kraftfahrer mitverantwortlich ist. Der Betroffene räumt trotz schlechter Bildqualität seine Fahrereigenschaft ein.

    Ja.

    AG Landstuhl

     VA 16, 83

    Defekter Tachometer.

    Kann den Handlungsunwert eines Geschwindigkeitsverstoßes herabsetzen. Folge: Der Vorwurf eines groben Pflichtenverstoßes nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG entfällt.

    AG Lüdinghausen

     VA 16, 100

    Der Betroffene nimmt als „Vielfahrer“ berufsbedingt verstärkt am Straßenverkehr teil. Er ist erst zum zweiten Mal wegen eines einschlägigen Verstoßes auffällig.

    Rechtfertigt grundsätzlich kein Abweichen von der Regelahndung auch in Verbindung mit der Annahme einer günstigen Prognose hinsichtlich des künftigen Verkehrsverhaltens.

    OLG Bamberg DAR 15, 392; VA 17, 11;

    OLG Zweibrücken

    DV 16, 293

    Vom Fahrverbot wird abgesehen, weil der Betroffene bislang straßenverkehrsrechtlich unauffällig geblieben oder so zu behandeln ist.

    Rechtfertigt kein Absehen.

    OLG Hamm

    StraFo 16, 116

    Vermeidbarer Verbotsirrtum i. S. d. § 11 Abs. 2 OWiG (mehrere falsch übereinander angeordnete Verkehrsschilder).

    Kann dazu führen, dass der Pflichtenverstoß nicht als „grob“ gewertet werden kann.

    OLG Bamberg

    StraFo 16, 116;

     VA 17, 124

    Ein Ausnahmefall wird allein mit der Ablenkung durch einen „plötzlich abbiegenden Motorradfahrer“ begründet.

    Dies ist nicht geeignet, einen ganz besonderen Fall zu begründen.

    KG

    VRS 128, 302

    Rotlichtverstoß, bei dem der Betroffene geltend macht, dass er „aufgrund der schmierigen Fahrbahn beim Bremsvorgang Schwierigkeiten bekommen hat, den Pkw anzuhalten“ und zudem langsames Einfahren in den Kreuzungsbereich.

    Kein Absehen vom Fahrverbot.

    KG

    DAR 16, 393

    Linksabbiegerfall bei einem Rotlichtverstoß, bei dem geltend gemacht wird, dass eine konkrete Gefahr ausgeschlossen war.

    Darauf kommt es nicht an.

    KG

    VRS 129, 328

    Rotlichtverstoß, bei dem der Betroffene nicht mit überhöhter Geschwindigkeit in den geschützten Bereich eingefahren ist und es keinen Fahrrad- und Fußgängerverkehr gab (Verstoß auf dem Zubringer einer BAB).

    Absehen vom Fahrverbot.

    KG NZV 16, 442

    Es wird über zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können, gleichzeitig entschieden.

    Es ist nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen.

    BGHSt 61, 100;

    KG VA 15, 66;

    vgl. aber OLG Hamm

     VA 15, 174

    Der Betroffene war auf dem Weg ins Krankenhaus, (Sohn auf der Frühchenstation), bislang keine Punkte im FAER, Fahrzeug wird für Arbeitsweg benötigt (Nachtschicht, ländliche Gegend).

    Ja, bei Verdoppelung der Geldbuße.

    AG Neunkirchen

    19.12.16,

    19 OWi 169/16

    Der Betroffene irrt feststellbar über die Funktionsfähigkeit einer Lichtzeichenanlage („Dauerrot“) und begeht einen sog. qualifizierten 1-Sec-Rotlichtverstoß.

    Trotz Vorsatzes nur wegen eines fahrlässigen einfachen Rotlichtverstoßes zu der hierfür vorgesehenen Geldbuße zu verurteilen. Bei solch einem Irrtum ist der Handlungsunwert des Rotlichtverstoßes deutlich verringert und der Verstoß dementsprechend nicht mehr als grob pflichtwidrig i. S. d. § 25 Abs. 1 StVG anzusehen.

     AG Dortmund

    17.1.17,

    729 OWi-264 Js 2313/16 -9/17

    Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ist ausgeblieben.

    Nein.

    OLG Zweibrücken

    DV 16, 293