· Fachbeitrag · Falschbeurkundung
Beweiskraft der Prüfplakette am Fahrzeug
| Die an dem Fahrzeugkennzeichen angebrachte Prüfplakette beurkundet mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB neben dem Termin der nächsten Hauptuntersuchung auch die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Durchführung der Hauptuntersuchung. So der BGH (16.8.18, 1 StR 172/18, Abruf-Nr. 205709 ). |
Sachverhalt
Der Angeklagte war als Prüfingenieur mit der Durchführung von Hauptuntersuchungen an Fahrzeugen nach § 29 StVZO betraut. Er brachte in acht Fällen an amtlichen Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sog. „HU-Prüfplaketten“ an, obwohl er in einigen Fällen wusste und es in anderen Fällen aufgrund lediglich oberflächlicher Prüfung billigend in Kauf nahm, dass die betreffenden Fahrzeuge erhebliche Mängel aufwiesen und die Prüfplakette zu versagen gewesen wäre. Den aufgrund somit nicht zutreffenden Termin zur nächsten Hauptuntersuchung trug der Angeklagte in diesen Fällen in die Zulassungsbescheinigung Teil I ein. In zwei weiteren Fällen bescheinigte er in dem von ihm erstellten Untersuchungsbericht jeweils mit erheblichen Mängeln behafteten Fahrzeugen das Bestehen der Hauptuntersuchung, obwohl Mängel vorlagen. Der gutgläubige Sachbearbeiter der zuständigen Zulassungsstelle teilte auf der Grundlage des falschen Untersuchungsberichts die HU-Prüfplakette zu und nahm die entsprechenden Eintragungen über den Zeitpunkt des Termins zur nächsten Hauptuntersuchung in die Zulassungsbescheinigung Teil I vor. Das LG hat den Angeklagten u. a. wegen Falschbeurkundungen (§ 348 StGB) im Amt verurteilt. Die Revision des Angeklagten blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Der BGH ist davon ausgegangen, dass die an dem Fahrzeugkennzeichen angebrachte Prüfplakette mit besonderer Beweiskraft im Sinne des § 348 Abs. 1 StGB die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs beurkundet. Die HU-Prüfplakette ist in Verbindung mit dem amtlich zugelassenen Kennzeichen und der entsprechenden Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil I eine (zusammengesetzte) öffentliche Urkunde (OLG Celle VA 11, 211).
Allerdings wird die Reichweite der erhöhten Beweiskraft der HU-Prüfplakette in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur nicht einheitlich gesehen. Dass die Prüfplakette den Nachweis über den Termin der nächsten Hauptuntersuchung erbringt, ergibt sich schon aus ihrem optischen Erklärungswert. Daneben und in unmittelbarem Zusammenhang damit stehend beinhaltet vor dem Hintergrund der Regelung in § 29 Abs. 3 S. 2 StVZO die Prüfplakette für und gegen jedermann auch den Nachweis, dass die geprüften Fahrzeuge zum Zeitpunkt der letzten Hauptuntersuchung als vorschriftsmäßig befunden wurden (OLG Celle NZV 91, 318, 319). Denn § 29 Abs. 3 S. 2 StVZO bestimmt, dass die angebrachte Prüfplakette bescheinigt, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Untersuchung vorschriftsmäßig nach Nummer 1.2 der Anlage VIII zur StVZO ist. Die in Bezug genommene Nummer 1.2 Anlage VIII zur StVZO enthält weitere Regelungen über die Hauptuntersuchung und deren Durchführung. In Nummer 3.1.4 Anlage VIII zur StVZO sei für die vier möglichen Ergebnisse der Hauptuntersuchung im Einzelnen aufgeführt, welche Konsequenzen sich daraus für die Erteilung der HU-Prüfplakette ergeben.
- Nummern 3.1.4.1 und 3.1.4.2 Anlage VIII zur StVZO sehen vor, dass eine HU-Prüfplakette zugeteilt und angebracht werden kann, wenn entweder keine oder nur geringe Mängel festgestellt werden, deren unverzügliche Beseitigung (spätestens innerhalb eines Monats) zu erwarten ist.
- In Nummer 3.1.4.3 Anlage VIII zur StVZO ist bestimmt, dass bei Feststellung erheblicher Mängel diese in den Untersuchungsbericht einzutragen sind und (zunächst) keine HU-Prüfplakette zugeteilt werden darf.
Angesichts dieser eindeutigen Regelungen sei davon auszugehen, dass die Feststellung des Nichtvorhandenseins erheblicher Mängel kraft Gesetzes Inhalt der Urkunde ist. Die Gegenansicht (vgl. BayObLG NZV 99, 179; OLG Brandenburg 2.7.15, [2] 53 Ss 38/15 [35/15], 2 Ws 81/15; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 348 Rn. 6a) überzeugt den BGH vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Bestimmung des Urkundeninhalts in der StVZO und der Gesetzgebungsgeschichte nicht.
Relevanz für die Praxis
Der BGH entscheidet mit seinem Beschluss den Streit unter den OLG zum Umfang der Beweiskraft der erteilten HU-Plakette am Fahrzeug. Zuletzt hatte er entschieden, dass die Zulassungsbescheinigung Teil II hinsichtlich der darin enthaltenen Angaben zur Person keine öffentliche Urkunde i. S. d. § 348 StGB ist. Sie beweist weder zu öffentlichem Glauben, dass die Eintragungen zur Person richtig sind, noch dass die eingetragene Person Verfügungsberechtigter oder Halter des Fahrzeugs ist, auf das sich die Zulassungsbescheinigung bezieht (BGHSt 60, 66, 67 = NJW 15, 802).