· Fachbeitrag · Gebührenrecht
Die 9 wichtigsten Änderungen in Straf- und Bußgeldsachen durch das 2. KostRMoG
von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster /Augsburg
| Am 1.8.13 ist das 2. KostRMoG in Kraft getreten (vgl. BGBl. I, S. 2586). Dieses hat auch für die Abrechnung in Straf- und Bußgeldsachen nach Teil 4 und 5 VV RVG Änderungen und Klarstellungen gebracht. Die für den Verkehrsrechtler wichtigen Änderungen stellen wir Ihnen hier vor. |
1. Anhebung der Betragsrahmen (§ 14 RVG)
Die für die Praxis wesentlichste Änderung durch das 2. KostRMoG ist die Anhebung der Betragsrahmen (vgl. dazu BT-Drucks. 17/11471, S. 149) um ca. 19 Prozent. Diese Erhöhung orientiert sich an der Entwicklung des Index der tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich seit 2004.
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Der Rechtsanwalt verteidigt im vorbereitenden Verfahren sowie im ersten Rechtszug vor dem AG mit einem Hauptverhandlungstag
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Der Verteidiger vertritt im Bußgeldverfahren mit einem Bußgeldbescheid über 80 EUR bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. Nach Einspruch findet beim AG eine eintägige Hauptverhandlung statt. Gegen das Urteil wird Rechtsbeschwerde eingelegt.
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PRAXISHINWEIS | Durch das 2. KostRMoG sind auch die für die Berechnung von Wertgebühren (vgl. z.B. Nrn. 4142, 4143, 5116 VV RVG) wichtigen Wertgebührentabellen der §§ 13, 49 RVG geändert und die Gebührenbeträge angehoben worden. Zu diesen Anhebungen gehören auch die Anhebungen der Bagatellgrenzen in den Nr. 4142 VV RVG und Nr. 5116 VV RVG von 25 EUR auf 30 EUR. |
2. Beschwerdeverfahren (§ 17 Nr. 1, § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG)
Folge der Aufhebung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a.F. und einer Neuregelung in § 17 Nr. 1 RVG n.F. ist eine ausdrückliche Klarstellung in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG. Danach gehören die Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 VV RVG richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind, ausdrücklich zum Rechtszug. Das führt dazu, dass die Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen (Teil 4 und 5 VV RVG) und in sonstigen Verfahren (Teil 6 VV RVG) weiterhin aufgrund des Pauschalcharakters der Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV RVG, Vorbem. 5.1 Abs. 1 VV RVG und Vorbem. 6.2 Abs. 1 VV RVG durch die jeweiligen Verfahrensgebühren mit abgegolten sind (zur Abrechnung von Beschwerdeverfahren Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 371 ff.; Burhoff RVGreport 2012, 12).
PRAXISHINWEIS | Die Regelung in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10a RVG führt zur Erledigung einer Streitfrage. Denn sind für Beschwerden „besondere Gebührentatbestände vorgesehen“ - wie für die Beschwerde in Strafvollstreckungssachen in Vorb. 4.2 VV RVG - gehören die erbrachten Tätigkeiten ausdrücklich nicht zum Rechtszug. Damit ist gleichzeitig auch eine (neue) eigene Angelegenheit gegeben (so auch N. Schneider NJW 13, 1553, 1554).
In der Angelegenheit entsteht - unabhängig von der Formulierung in Vorb. 4.2 VV RVG („Gebühren“ und nicht „Vergütung“) - dann nach den allgemeinen Regeln auch die Nr. 7002 VV RVG (so jetzt auch Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 21. Aufl. 2013, VV Vorb. 4.2 Rn. 8). |
3. Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren
In § 17 Nr. 10a RVG (Strafverfahren) und in § 17 Nr. 11 RVG (Bußgeldverfahren) ist nun ausdrücklich geklärt, dass im Strafverfahren vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren bzw. im Bußgeldverfahren das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das sich anschließende gerichtliche Verfahren verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S. des § 17 RVG sind.
PRAXISHINWEIS | Die Neuregelung hat (erhebliche) Auswirkungen:
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4. Anrechnungsregelung (§ 58 Abs. 3 RVG)
Zur Behebung des Streits um die Auslegung des § 58 Abs. 1 S. 1 RVG a.F. (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, § 58 Rn. 14) ist die Vorschrift neu gefasst worden. Es heißt dort jetzt, dass Zahlungen und Vorschüsse, die der Rechtsanwalt „in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit“ erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Angelegenheit zu zahlenden Gebühren anzurechnen sind.
PRAXISHINWEIS | Angerechnet werden kann nach der Neuregelung damit nur noch eine Zahlung oder ein Vorschuss, die/der in derselben gebührenrechtlichen Angelegenheit geleistet worden sein muss. Handelt es sich also um verschiedene Angelegenheiten, wie z.B. nach § 17 Nr. 10a RVG im Strafverfahren (vgl. dazu 3) das vorbereitende und das gerichtliche Verfahren bzw. nach der Einfügung des § 17 Nr. 11 RVG im Bußgeldverfahren das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren, besteht keine Anrechnungsmöglichkeit (Burhoff/Volpert, RVG, § 58 Abs. 3 Rn. 13). |
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Der Rechtsanwalt ist zunächst Wahlanwalt. Er trifft mit dem Beschuldigten eine Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG), wonach dieser für das Ermittlungsverfahren ein Pauschalhonorar in Höhe von 3.000 EUR zahlen soll. Der Beschuldigte zahlt das Pauschalhonorar. Im gerichtlichen Verfahren wird der Rechtsanwalt dann gem. § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Da das vorbereitende Verfahren nach § 17 Nr. 10a RVG (jetzt) eine eigene, vom gerichtlichen Verfahren verschiedene (Gebühren)Angelegenheit ist (vgl. oben 3), darf die für das vorbereitende Verfahren erfolgte Zahlung des Beschuldigten nicht auf den Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse auf Zahlung der gesetzlichen Gebühren für das gerichtliche Verfahren angerechnet werden (s. auch N. Schneider NJW 13, 1553, 1556). Ist diese nicht verbraucht, verbleibt sie dem Verteidiger. |
Das 2. KostRMoG hat einen weiteren Streit, der zur Anrechnung von Zahlungen und Vorschüssen bestanden hat, erledigt. In § 58 Abs. 3 ist nämlich ein Satz 4 eingefügt worden. Danach ist, wenn die dem Rechtsanwalt nach Satz 3 verbleibenden Gebühren höher als die Höchstgebühren eines Wahlanwalts sind, auch der die Höchstgebühren übersteigende Betrag anzurechnen oder zurückzuzahlen. Durch diese ausdrückliche Regelung wird erreicht, dass der Rechtsanwalt nicht mehr als die Wahlverteidigergebühren erhält.
5. Grundgebühr Nr. 4100/5100 VV RVG als gesetzl. Zusatzgebühr
Umstritten war bisher das Verhältnis der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG zur jeweiligen Verfahrensgebühr. Teilweise ist zum früheren Recht die Auffassung vertreten worden, dass die/eine Verfahrensgebühr erst entsteht, wenn der Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschritten worden ist (Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 20; KG AGS 09, 271). In Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4100 VV RVG ist nun der Passus eingefügt worden: „neben der Verfahrensgebühr“. Damit ist klargestellt, dass die Grundgebühr „den Charakter einer Zusatzgebühr hat, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert“ (BT-Drucks. 17/11471, S. 281).
PRAXISHINWEIS | In allen Fällen entstehen mit der ersten Tätigkeit des Anwalts die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die jeweilige Verfahrensgebühr. Es entsteht also in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Außerdem entsteht jeweils daneben auch eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. |
Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG hat aber einen eigenen Abgeltungsbereich, was durch die Begründung zur Neuregelung deutlich wird (BT-Drucks. 17/11471, S. 281). Das hat Auswirkungen auf die Bemessung der Grundgebühr und vor allem der daneben anfallenden jeweiligen Verfahrensgebühr (so auch N. Schneider/Thiel, AGS 12, 105, 108). Denn die Tätigkeiten, die vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst werden, können bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nicht (noch einmal) herangezogen werden.
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Der Beschuldigte B ruft bei Rechtsanwalt R an und teilt mit, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort anhängig sein soll. Er bittet R, ihn zu verteidigen. R sagt zu und fordert den B auf, einen Vorschuss von 500 EUR zu zahlen. Inzwischen werde er Akteneinsicht beantragen. B überlegt sich dann jedoch, lieber einen anderen Anwalt zu beauftragen. Er kündigt am anderen Tag das Mandat. R, der bis dahin lediglich einen Akteneinsichtsantrag gestellt hat, überlegt nun, wie er bei der Abrechnung die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG bemisst.
In dieser Konstellation kommen die Auswirkungen bei der Bemessung der Gebühren zum Tragen. R hat hier noch nicht mehr als einen ersten Akteneinsichtsantrag erbracht. Der gehört aber noch zu den Einarbeitungstätigkeiten, die von der Grundgebühr abgegolten werden (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 22). Das bedeutet, dass damit für den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG keine Tätigkeiten, die darüber abzurechnen wären, zur Verfügung stehen. Daher wird diese - je nach der Bedeutung des Verfahrens, den Einkommens- und Vermögensverhältnisses des B - wahrscheinlich im unteren Rahmenbereich anzusetzen sein. Ggf. ist sogar nur die Mindestgebühr entstanden. |
6. Nr. 4141 VV RVG: Übergang vom Bußgeld- ins Strafverfahren
Das 2. KostRMoG hat den Streit entschieden, ob die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG auch entsteht, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt und die Sache gem. § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird. In Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG wurde das Wort „Verfahren“ durch „Strafverfahren“ ersetzt. Damit ist klargestellt, dass das Strafverfahren losgelöst von dem anschließenden Bußgeldverfahren zu sehen ist. Damit wird in Zukunft in diesen Fällen wieder die Nr. 4141 VV RVG abgerechnet werden können.
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Nach einem Verkehrsunfall ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Das Verfahren wird eingestellt und an die Verwaltungsbehörde abgegeben, die nun noch das Bußgeldverfahren wegen eines Verstoßes gegen § 5 StVO (Falsches Verhalten beim Überholen) betreibt.
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7. Nr. 4141 VV RVG: Erweiterung auf § 411 Abs. 1 S. 3 StPO
Nach Ziff. 4 der Anm. 1 zu Nr. 4141 VV RVG steht dem Verteidiger, der nach Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf die Tagessatzhöhe an der Zustimmung des Mandanten zur Entscheidung ohne Hauptverhandlung im schriftlichen Verfahren mitwirkt und wenn das Verfahren durch Beschluss endet, eine Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 4 VV RVG zu.
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Das AG erlässt gegen den Beschuldigten einen Strafbefehl. Festgesetzt wird eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu jeweils 50 EUR. Rechtsanwalt R legt als Verteidiger Einspruch ein und beschränkt diesen auf die Höhe des Tagessatzes. Der Beschuldigte sei Student und habe im Monat nur 500 EUR netto zur Verfügung. Das AG ist bereit, die Höhe des Tagessatzes auf 15 EUR zu reduzieren und erklärt sich bereit, im schriftlichen Verfahren nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO so zu entscheiden. Der Verteidiger stimmt nach Beratung des Beschuldigten zu. In Zukunft entsteht die neue zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 S. 1 Nr. 4 VV RVG. |
8. Nr. 4141 VV RVG: Bemessung der Verfahrensgebühr
In der Vergangenheit ist auf die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG die Regelung nach § 7 RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG angewendet worden, wenn der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit mehrere Personen vertreten hat. Das konnte im Strafverfahren namentlich bei Vertretung mehrerer Nebenkläger in Betracht kommen. Dies hat das 2. KostRMoG geändert. In Nr. 4141 Anm. 3 S. 3 VV RVG ist jetzt ausdrücklich bestimmt, dass eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG nicht zu berücksichtigen ist. Das entspricht der (neuen) Regelung in Nr. 1006 Anm. 1 Satz 3 (BT-Drucks. 17/13537, S. 15).
9. Änderung in Vorbem. 5 Abs. 4 VV RVG
Vorb. 5 Abs. 4 VV RVG regelt, wann dem Rechtsanwalt für bestimmte Tätigkeiten im Rahmen der Kostenfestsetzung und der Zwangsvollstreckung Gebühren nach den Vorschriften des Teil 3 VV RVG zustehen. Bislang nicht geregelt war der Fall, dass die Verwaltungsbehörde das OWi-Verfahren einstellt und eine Kostenerstattung anordnet und dann gegen die gem. § 106 Abs. 1 OWiG ergehende Festsetzungsentscheidung des Verwaltungsangestellten der Verwaltungsbehörde Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 108, 62 OWiG eingelegt wird. Diese Lücke ist durch das 2. KostRMoG ausdrücklich geschlossen worden. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung steht der Erinnerung oder der Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss gleich.
Weiterführender Hinweis
- Einzelheiten zu den Übergangsregelungen lesen Sie in der nächsten Ausgabe