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  • · Nachricht · Rotlichtverstoß

    Urteilsanforderungen bei Rotlichtverstößen

    | Das KG hat in zwei aktuellen Entscheidungen zu den Urteilsanforderungen beim Rotlichtverstoß Stellung genommen. |

     

    Wir haben die wichtigsten Aussagen für Sie zusammengefasst.

     

    • Anforderungen beim vorsätzlichen Verstoß

    Bei einem vorsätzlichen Verstoß gilt (KG 24.6.21, 3 Ws (B) 131/21, Abruf-Nr. 224793):

     

    • Die Annahme, der Betroffene habe einen Rotlichtverstoß begangen, erfordert die gerichtliche Feststellung, dass er die Haltlinie der für ihn geltenden und rotes Licht abstrahlenden Wechsellichtzeichenanlage überfahren hat.
    • Ob er dabei vorsätzlich gehandelt hat, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 10 OWiG. Für die Feststellung des bedingten Vorsatzes muss das Tatgericht darlegen, aufgrund welcher Umstände der Betroffene es mindestens für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, die Haltlinie der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage bei Rot zu überfahren.
    • Feststellungen dazu, dass der Betroffene die Wechsellichtanlage wahrgenommen hat, bedarf es im Regelfall nicht. Denn der Tatrichter kann davon ausgehen, dass ein Fahrer grundsätzlich die gut sichtbare Ampelanlage mit der in § 37 Abs. 2 S. 1 StVO bestimmten Farbfolge im Blick hat (vergleichbar mit den ordnungsgemäß aufgestellten Vorschriftszeichen, dazu BGHSt 43, 242) und von einer bereits gelbes Licht abstrahlenden Lichtzeichenanlage nicht überrascht wird, es sei denn, die Hauptverhandlung ergibt konkrete gegenteilige Anhaltspunkte.
    • An der bisherigen Rechtsprechung des Senates, dass eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Rotlichtverstoßes nur dann erfolgen kann, wenn das Tatgericht Feststellungen getroffen hat, mit welcher Geschwindigkeit sich der Betroffene der Lichtzeichenanlage genähert und aus welcher Entfernung zur Haltlinie er das dem Rotlicht vorausgehende Gelblicht bemerkt hat, wird festgehalten. Wenn das Tatgericht diese Feststellungen ‒ etwa aus Beweisnöten ‒ nicht treffen kann, bedeutet es im Umkehrschluss nicht, dass dem Tatgericht eine entsprechende Verurteilung gestützt auf andere Feststellungen versagt ist. Ggf. entgegenstehende Rechtsprechung des Senats wird aufgegeben.
     
    • Ohne technische Hilfsmittel festgestellter „qualifizierter“ Rotlichtverstoß

    Wurde der qualifizierte Rotlichtverstoß ohne technische Mittel festgestellt, gilt Folgendes (KG 1.7.21, 3 Ws (B) 167/21, Abruf-Nr. 224806):

     

    • Die Feststellungen eines Zeugen zum sog. qualifizierten Rotlichtverstoß können nur dann eine tragfähige Grundlage für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht bilden, wenn der Tatrichter in den Urteilsgründen die von dem Zeugen angewandte Messmethode darstellt und sie hinsichtlich ihrer Beweiskraft bewertet.
    • Auch für die Bestimmung der Rotlichtdauer gilt der Grundsatz freier richterlicher Beweiswürdigung. Deshalb gibt es auch hierfür keinen Numerus clausus möglicher Beweismittel.
    • Soll durch Zeugenbeweis und ohne technische Hilfsmittel ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist der Beweiswert kritisch zu würdigen. Wegen der erheblichen Auswirkungen im Rechtsfolgenausspruch muss insbesondere die Feststellung, dass das Rotlicht im Zeitpunkt des Überfahrens der Haltlinie länger als eine Sekunde andauerte, vom Tatrichter nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet werden.
    • Die Dauer der Rotlichtzeit ist eine sog. doppelrelevante Tatsache. Sie betrifft sowohl den Schuld- als auch den Rechtsfolgenausspruch (vgl. KG NZV 17, 340).
     

    Weiterführender Hinweis

    • Zu den mit einem Rotlichtverstoß zusammenhängenden Fragen Burhoff in: Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn. 3459 ff. m. w. N., zu Messverfahren Burhoff/Groß/Pichler, a. a. O., Rn. 3426 ff.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2021 | Seite 228 | ID 47638994