· Fachbeitrag · Straf- und Bußgeldrecht
Rechtsprechungsübersicht zum E-Scooter im Straf- und Bußgeldrecht
Von RA D. Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
| Seit einigen Jahren werden im öffentlichen Straßenverkehr vermehrt E-Scooter genutzt. Damit haben natürlich die mit der Nutzung zusammenhängenden Rechtsfragen erheblich an Bedeutung zugenommen. Auch wir haben in der letzten Zeit häufig über Rechtsfragen zu E-Scootern berichtet. Wir wollen heute in der nachfolgenden Checklisten die Fragen zum E-Scooter betreffend Straf- und Bußgeldrecht vorstellen. |
Checkliste 1 / Allgemeine Fragen Strafrecht und Nebengebiete | |
Frage | Antwort |
| Die gesetzliche Regelung findet sich in der VO über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) vom 6.6.19 (BGBl. I, 756), die am 15.6.19 in Kraft getreten ist. |
| Elektrokleinstfahrzeuge sind in § 1 eKFV definiert. Danach ist die VO anwendbar auf
|
| Diese Frage wird von der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung bejaht (u. a. BayObLG 24.7.20, 205 StRR 216/20, VA 20, 222; OLG Frankfurt a. M. 8.5.23, 1 Ss 276/22, VA 23, 173; LG München I, 29.11.19, 26 Qs 51/19, VA 20, 71; LG Lüneburg 27.6.23, 111 Qs 42/23; LG Mannheim 8.11.22, 12 Ns 404 Js 11650/22; LG Wuppertal 2.2.22, 25 Qs 63/21, VA 22, 88; a. A. AG Wuppertal DAR 22, 155, s. noch die Rechtsprechung bei Checkliste 2 Ziffer 2 und 12). |
| Nein (OLG Karlsruhe 14.7.20, 2 Rv 35 Ss 175/20, VA 20, 180). |
| Nach § 3 eKFV, § 10 Abs. 3 S. 2 a FeV sind Personen zum Führen eines E-Scooters berechtigt, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Eine Fahrerlaubnis ist grundsätzlich nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a FeV).
Praxistipp | Etwas anderes gilt bei einem technisch getunten E-Scooter: Beträgt die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn dann mehr als 25 km/h, besteht eine Fahrerlaubnispflicht nach Klasse AM oder A1 (vgl. (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a FeV). |
| Nach § 1 PflVG besteht für den Halter eines Kfz die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Daher muss ein E-Scooter, der ja als Kfz angesehen wird, mit einer gültigen Versicherungsplakette für eKF nach § 29a FZV versehen sein (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 eKFV). |
Checkliste 2 / Spezielle Fragen Strafrecht und Nebengebiete | |
Frage | Antwort |
| Nein, es gelten grundsätzlich keine Besonderheiten. Es müssen die Voraussetzungen des § 316 StGB erfüllt sein. |
| Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Grenzwert für Kfz gilt, also 1,1 o/oo. Das wird damit begründet, dass E-Scooter in § 1 Abs. 1 eKFV als Kraftfahrzeuge angesehen werden und damit die für die geltenden Regelungen anzuwenden seien, soweit nicht für Elektrokleinstfahrzeuge ausdrücklich abweichende Regelungen geschaffen wurden. Letzteres sei nicht der Fall (s. dazu BayObLG 24.7.20, 205 StRR 216/20, VA 20, 222; KG 31.5.22, (3) 121 Ss 40/22 (13/22), VA 22, 178; 10.5.22, [3] 121 Ss 67/21 [27/21]; OLG Frankfurt a. M. 8.5.23, 1 Ss 276/22, VA 23, 173; LG Dortmund 7.2.20,31 Qs 1/20; LG München I, 29.11.19, 26 Qs 51/19, VA 20, 71; s. auch noch die Zusammenstellung VA 20, 71; krit. Schefer NZV 20, 239). |
| Der BGH hat sich zwar zum E-Scooter geäußert, die Frage des Grenzwerts hat er aber offengelassen (BGH 2.3.21 4 StR 366/20, VA 21, 146; 13.4.23, 4 StR 439/22, VA 23, 139). |
| Erforderlich sind Feststellungen zu Art und technischer Beschaffenheit, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob der für absolute Fahruntüchtigkeit entwickelte BAK-Grenzwert von 1,1 o/oo zugrunde gelegt werden konnte (BGH 2.3.21, 4 StR 366/20, VA 21, 146; 13.4.23, 4 StR 439/22, VA 23, 139; LG Oldenburg 24.10.22, 6 Qs 56/22, 23, 286). |
| Bei einem Grenzwert unter 1,1 o/oo handelt es sich „nur“ um sog. relative Fahruntüchtigkeit. Die Fahrt ist also nur strafbar, wenn auf die Alkoholisierung zurückzuführende Ausfallerscheinungen vorliegen. |
| Für Drogenfahrten gibt es keine Grenzwerte. Daher müssen für eine Strafbarkeit auf den Drogenkonsum zurückzuführende Ausfallerscheinungen festgestellt werden. Es gelten die allgemeinen Regeln. |
| Nein. Es gelten die allgemeinen Regeln. Das LG Oldenburg sieht allein in dem Festhalten des Lenkers eines E-Scooters während der Fahrt durch einen absolut fahruntüchtigen Sozius unabhängig von aktiven Lenkbewegungen nach links oder rechts, um eine Kurve zu fahren, ein Lenken des Fahrzeugs und damit das „Führen“ eines Fahrzeugs im Sinne des § 316 StGB (LG Oldenburg (7.11.22, 4 Qs 368/22, VA 23, 29).
Praxistipp | Das LG Hildesheim geht davon aus, dass derjenige, der einen E-Scooter im öffentlichen Straßenverkehr wie einen einfachen Tretroller mit bloßer Muskelkraft fortbewegt, sich auch dann nicht strafbar macht, wenn er zuvor Drogen konsumiert hat, aber keine Ausfallerscheinungen zeigt (LG Hildesheim 20.9.22, 13 Ns 40 Js 25077/21, VA 23, 29). |
| Nein, der E-Scooter-Fahrer kann als Unfallbeteiligter Täter eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB sein. Es gelten die allgemeinen Regeln. |
| Ist das Fahren mit dem E-Scooter nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a FeV fahrerlaubnispflichtig (s. o. Checkliste 1 Ziffer 5), kann Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG in Betracht kommen. Es müssen dann aber Feststellungen getroffen werden, aus denen die Fahrerlaubnispflicht folgt (ähnlich BGH 2.3.21, 4 StR 366/20, VA 21, 146).
Nach § 3 eKFV, § 10 Abs. 3 S. 2a FeV sind Personen zum Führen eines E-Scooters berechtigt, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Eine Fahrerlaubnis ist grundsätzlich nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a FeV).
Praxistipp | Etwas anderes gilt bei einem technisch getunten E-Scooter: Beträgt die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn dann mehr als 25 km/h, besteht eine Fahrerlaubnispflicht nach Klasse AM oder A1. |
| § 6 PflVG ist erfüllt, wenn der E-Scooter ohne formellen Bestand des erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrags geführt wird (BGH 24.5.22, 2 StR 394/21, NStZ-RR 22, 281). |
| Die damit zusammenhängenden Fragen sind in der Rechtsprechung bisher nicht endgültig geklärt. Der Streit wird insbesondere bei § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB geführt. Es stellt sich also immer die Frage des sog. Regelfalls.
Praxistipp | Der Verteidiger muss die Besonderheiten des Einzelfalls herausarbeiten. Auf die wird in der Rechtsprechung abgestellt: Von Bedeutung sind Tatzeit (nachts?), Tatort, Länge der Fahrstrecke, Höhe der BAK, sonstige Besonderheiten. |
| Wir hatten Rechtsprechung dazu bereits zusammengestellt in VA 20, 71 f. Darauf wird verwiesen. Darüber hinaus ist hinzuweisen auf:
Regelvermutung bejaht:
Regelvermutung verneint:
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| Ja, ein Fahrverbot nach § 44 StGB ist möglich.
Praxistipp | Der Verteidiger darf bei der Verhängung eines Fahrverbotes nach § 44 StGB die Anrechnungsregelung in § 51 Abs. 5 StGB nicht übersehen. |
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